Glioblastom – Ursache, Prognose, Lebenserwartung, neue Therapien

Krankheiten und Krankheitsbilder, Krebsforschung 2024

Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 24. Juli 2023, Lesezeit: 11 Minuten

Das Glioblastom (Glioblastoma multiforme) ist der häufigste primäre Hirntumor bei Erwachsenen. Der Tumor gehört zur Gruppe der Gliome (Hirntumore).

  • Es ist ein schnell wachsender, bösartiger Tumor, der gesundes Gewebe befällt und zerstört und innerhalb weniger Monate zum Tod führen kann.
  • Dieser aggressiv wachsende Tumor gehört nach der WHO-Klassifikation zum Grad 4 und gilt bislang als nicht ausreichend therapierbar.

Krankheitsbild und Kurzübersicht

Glioblastome entstehen aus Gliazellen, die normalerweise die Nervenzellen des Gehirns (Neuronen) stützen und ernähren und Narbengewebe bilden, das bei Verletzungen zur Reparatur von Hirnschäden beiträgt.

In den Tumoren befinden sich auch körpereigene weiße Blutkörperchen, die aus dem Knochenmark stammen. Diese Mikroglia und Makrophagen sind an der Tumorimmunität beteiligt und könnten auch Ziel neuer Therapien sein.

  • Unter dem Mikroskop zeigt das Glioblastoma multiforme die Merkmale eines anaplastischen Astrozytoms mit Bereichen abgestorbenen Zellgewebes (Nekrose).

Das Absterben von Zellgewebe (Nekrose) ist darauf zurückzuführen, dass die Tumorzellen schneller wachsen, als neue Blutgefäße zur Versorgung der Tumorzellen gebildet werden können.

  • Die wichtigsten Behandlungsmethoden sind Operation, Bestrahlung und Chemotherapie, die das Leben um etwa ein bis zwei Jahre verlängern können.

Lebenserwartung und Fünf-Jahres-Überlebensrate

Wie hoch ist die Lebenserwartung mit einem Glioblastom?

Menschen mit einem Glioblastom (Glioblastoma multiforme) haben eine mittlere Lebenserwartung von maximal 2 Jahren.

  • Unbehandelt beträgt die mittlere Lebenserwartung etwa 3 Monate.
  • Mit einer Therapie kann diese Lebenserwartung – über alle Fälle gemittelt – auf bis zu 2 Jahre verlängert werden.
  • Etwa 10 Prozent der Patienten mit einem Glioblastom überleben 5 Jahre und länger.

Diagnose und Fünf-Jahres-Überlebensrate

Nach Angaben der National Brain Tumor Society werden im Jahr 2023 in den USA mehr als 14 490 Menschen mit einem Glioblastoma multiforme diagnostiziert.

  • Das durchschnittliche Diagnosealter beträgt 64 Jahre.
  • Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei 6,9 Prozent und die mediane Überlebenszeit (medianes Überleben) bei acht Monaten.

Das mediane Überleben ist der Zeitraum, in dem die Hälfte der Patientinnen und Patienten nach der Diagnose verstorben ist (mediane Überlebenszeit).

Anzeichen und Symptome

Wie macht sich ein Glioblastom bemerkbar?

Ein Glioblastom (Glioblastoma multiforme) kann in jedem Lebensalter auftreten. Es tritt jedoch häufiger bei älteren Menschen und bei Männern auf.

  • Die Symptome des Glioblastoms variieren je nach Lage und Größe des Tumors.
  • Viele dieser Symptome hängen mit der Schwellung des Gehirns und dem erhöhten Druck im Gehirn zusammen.

Zu den Symptomen des Glioblastoms gehören:

Die Symptome eines Glioblastoms nehmen ungewöhnlich schnell zu.

Das liegt daran, dass der Hirntumor innerhalb weniger Wochen entsteht und sehr schnell wächst.

Ursachen von Glioblastoma multiforme

In den meisten Fällen ist die genaue Ursache des Glioblastoms (Glioblastoma multiforme) unbekannt.

In seltenen Fällen kann es bei Menschen mit bestimmten genetischen Syndromen wie Neurofibromatose Typ 1, Turcot-Syndrom und Li-Fraumeni-Syndrom auftreten.

  • Eine Vorbeugung oder Früherkennung des Glioblastoms im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen ist nicht möglich.

Behandlung und Therapien

Das Glioblastom, auch Glioblastoma multiforme genannt, ist nicht heilbar.

Behandlungen können das Krebswachstum verlangsamen und die Symptome lindern.

Während Glioblastome in der Vergangenheit immer tödlich verliefen und die durchschnittliche Überlebenszeit nur 12 bis 15 Monate betrug, ist die Überlebensrate in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen.

Gründe dafür sind beispielsweise Fortschritte in der Mikroneurochirurgie, eine noch präzisere und weniger belastende Strahlentherapie, eine verbesserte Behandlung mit Chemotherapeutika sowie neue Medikamente.

Zudem arbeiten bei der Behandlung von Hirntumoren verschiedene medizinische Fachgebiete wie Neuropathologie, Neuroradiologie, Nuklearmedizin, Neurochirurgie, Radioonkologie, Neurologie und internistische Onkologie zusammen.

Zu den Behandlungsmöglichkeiten des Glioblastoms gehören:

Chirurgische Entfernung des Glioblastoms (OP)

Hierbei wird der Tumor so weit wie möglich entfernt. Da das Glioblastom häufig in gesundes Hirngewebe einwächst, ist es nicht immer möglich, alle vorhandenen Krebszellen zu entfernen.

Die meisten Patientinnen und Patienten werden nach der Operation weiter behandelt, um die verbliebenen Krebszellen zu bekämpfen.

Strahlentherapie. Bei der Strahlentherapie werden starke Strahlen (Röntgenstrahlen und Protonen) eingesetzt, um Krebszellen abzutöten. Bei der Strahlentherapie werden die Strahlen auf bestimmte Punkte im Gehirn gerichtet.

Nicht alle betroffenen Patientinnen und Patienten kommen für eine operative Entfernung des Tumors in Frage, z.B. wenn sich der Tumor bereits auf lebenswichtige Strukturen oder auf beide Seiten des Gehirns ausgebreitet hat (z.B. Schmetterlingsgliom, Butterflygliom).

Eine vollständige chirurgische Entfernung dieses Tumors ist äußerst selten. Dies liegt daran, dass sich das Glioblastoma multiforme zum Zeitpunkt der Erstdiagnose in der Regel bereits tief im Gehirn ausgebreitet hat.

  • Die Entfernung des Teils des Tumors, der im MRT oder CT „aufleuchtet“, bedeutet nicht, dass alle bösartigen Zellen entfernt wurden.

Strahlentherapie

Eine Strahlentherapie wird in der Regel nach einer Operation empfohlen. Sie kann mit einer Chemotherapie kombiniert werden. Bei Personen, bei denen eine Operation nicht möglich ist, kann eine Strahlen- und Chemotherapie die Hauptbehandlung sein.

  • Während die Strahlentherapie den meisten Betroffenen ein etwas längeres Leben ermöglicht, profitiert nur etwa ein Viertel der Patienten von einer Chemotherapie.

Chemotherapie

Bei einer Chemotherapie werden starke Medikamente eingesetzt, um Krebszellen abzutöten. Chemotherapeutika, die in Tablettenform verabreicht werden, kommen häufig nach einer Operation sowie während und nach einer Strahlentherapie zum Einsatz.

Andere Arten der Chemotherapie, die über die Vene verabreicht werden, können zur Behandlung eines wiederkehrenden Glioblastoms eingesetzt werden.

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit bei Tumoren wie dem Glioblastoma multiforme ist die chirurgische Implantation von so genannten Wafern (Plättchen), die die Chemotherapie direkt in den Tumorbereich bringen.

Bei dieser Methode werden während der Operation dünne, runde Plättchen mit Chemotherapeutika in das Gehirn eingebracht. Die Plättchen (Wafer) lösen sich langsam auf und setzen das Medikament frei, das die Krebszellen abtötet.

Therapie mit Tumorbehandlungsfeldern (TTF)

Bei der TTF-Therapie wird ein elektrisches Feld verwendet, um die Fähigkeit der Krebszellen zur Vermehrung zu stören. Bei der TTF-Therapie werden Klebepads auf die Kopfhaut geklebt.

Die Therapie mit tumortherapeutischen Feldern (TTF) kann mit einer Chemotherapie kombiniert werden. Sie kann nach einer Strahlentherapie angeboten werden.

Zielgerichtete Therapie. Bei der zielgerichteten Therapie werden Medikamente eingesetzt, die bestimmte chemische Substanzen in den Krebszellen angreifen. Durch die Blockade dieser Botenstoffe können zielgerichtete Therapien die Krebszellen zum Absterben bringen.

Auch die Radiochirurgie wird bereits eingesetzt.

Immuntherapie, Gentherapie und andere experimentelle Behandlungsmethoden werden derzeit für diese sehr gefährliche und tödliche Krankheit erforscht.

Palliativmedizin

Palliativmedizin ist eine umfassende Versorgung von Patienten, bei denen wenig oder keine Aussicht auf Heilung besteht. Ziel der Palliativpflege ist es, die Lebensqualität von Menschen mit schweren oder unheilbaren Erkrankungen durch Symptomkontrolle und psychosoziale und spirituelle Unterstützung zu verbessern.

Neue Therapieansätze und aktuelle Forschung

Forscher untersuchen die hemmende Wirkung von Glioblastom-Signalen auf Fresszellen

Das Signal, das die Tumorzellen eines Glioblastoms an die Makrophagen (weiße Blutkörperchen, die darauf spezialisiert sind, abgestorbenes und absterbendes Zellmaterial zu beseitigen) im Gehirn senden, könnte man mit „Friss mich nicht“ umschreiben.

  • Mit der Immuntherapie wird versucht, diese Zellen in die Lage zu versetzen, die abnormen (krankhaften) Zellen zu beseitigen.

Forschende unter der Leitung von Professor Gregor Hutter vom Departement Biomedizin der Universität und des Universitätsspitals Basel haben kürzlich anhand von Patientendaten, Experimenten mit Mäusen und menschlichen Tumorproben eines dieser „Friss mich nicht“-Signale und seine hemmende Wirkung untersucht.

  • Die Forschungsergebnisse, die den Weg für wirksame Immuntherapien gegen Glioblastome ebnen könnten, wurden in Science Translational Medicine veröffentlicht.

Das entsprechende Signal basiert auf Zuckermolekülen, den so genannten Sialinsäureglykanen, auf der Oberfläche der Krebszellen.

Diese Zuckermoleküle werden von „Rezeptoren“ auf der Oberfläche von Fresszellen des Gehirns erkannt und als „friss mich nicht“ interpretiert.

  • Das Forscherteam um Hutter berichtet, dass Patienten, deren Fresszellen besonders viele dieser „Siglec9“-Rezeptoren aufweisen, eine geringere Überlebensrate haben.

Nachdem die Wissenschaftler die Mausvariante von Siglec9 mit einem genetischen Trick aus den Hirnmakrophagen von Versuchsmäusen entfernt hatten, wuchsen die Hirntumore bei diesen Mäusen deutlich langsamer. Dies deutet darauf hin, dass die Makrophagen das Glioblastom teilweise in Schach halten konnten.

Den Fresszellen fehlte der Rezeptor, der es ihnen ermöglicht, das Signal „Friss mich nicht“ wahrzunehmen, so dass sie ihrer Aufgabe, die entarteten Zellen zu beseitigen, nachkommen konnten.

Den gleichen Effekt beobachteten die Forschenden, wenn sie Tumorzellen implantierten, die keine Zuckermoleküle auf ihrer Oberfläche hatten.

  • Dieser Effekt bestätigte sich in Experimenten mit chirurgisch entnommenem Hirngewebe von Glioblastom-Patienten, das die Wissenschaftler im Labor kultiviert hatten.

Verabreichten die Forscher den kultivierten Zellen einen Antikörper, der den Siglec9-Rezeptor blockierte, beobachteten sie eine Aktivierung von Immunzellen im Tumor und im unmittelbar angrenzenden Gewebe.

Die Forschungsergebnisse deuten laut Hutter darauf hin, dass die Sialinsäure-Siglec-Achse ein vielversprechendes therapeutisches Ziel sein könnte.

Wenn es gelänge, die Rezeptoren auf den Makrophagen der Patientinnen und Patienten mit Antikörpern auszuschalten, könnten bestehende Immuntherapien auch gegen Glioblastome ihre volle Wirkung entfalten.

In einem nächsten Schritt soll in klinischen Studien untersucht werden, ob es möglich ist, Antikörper gegen den Rezeptor lokal im Gehirn zu verabreichen und ob dies den gewünschten Effekt hat.

Zwei Mutationen zusammen können einen tödlichen Hirntumor vor dem Immunsystem verbergen

Eine Studie über den aggressiven Hirntumor Glioblastom deutet darauf hin, dass zwei spezifische Mutationen in den Krebszellen zusammenwirken können, um die Tumoren vor dem Immunsystem zu verbergen.

Die Glioblastom-Proben von 17 Patienten wurden von Dr. Michalina Janiszewska, Krebsbiologin am Herbert Wertheim UF Scripps Institute for Biomedical Innovation & Technology, in Zusammenarbeit mit Dr. Franziska Michor, Computerbiologin am Dana-Farber Cancer Institute in Boston, analysiert.

  • Das Forscherteam kombinierte statistische und computergestützte Instrumente mit mikroskopischen Techniken, die genetische Mutationen auf der Ebene einzelner Zellen sichtbar machen.

Die Daten zeigten ein klares Signal: Wenn in einem Tumor vermehrt Zellen mit jeweils mehr als sechs Wiederholungen von zwei bekannten Krebsgenen, EGFR und CDK4, vorkamen, deutete dies auf eine Invasion von entzündungshemmenden weißen Blutkörperchen, den Makrophagen, in das Gewebe hin.

Makrophagen, die in viele Hirntumorproben eindringen, sind den Forschenden zufolge dafür bekannt, dass sie Entzündungen unterdrücken, was den Krebs vor Immunangriffen schützen kann.

Eine neue Klasse von Medikamenten zielt auf diese Makrophagen ab, aber erste kleine Studien deuten darauf hin, dass sie beim Glioblastom nicht ausreichend wirksam sind. Wenn man sich auf die Untergruppe der Patienten konzentriert, die am ehesten davon profitieren würden, könnte man andere Ergebnisse erzielen, so die Forscherin.

Die Studie deute darauf hin, so Dr. Janiszewska, dass mit Hilfe einfacher genetischer Tests und der Messung der zellulären Vielfalt des Tumors in Zukunft Patienten identifiziert werden könnten, die auf Therapien ansprechen, die auf diese spezialisierten, tumorfreundlichen Immunzellen abzielen.

Das Glioblastom ist eine schnell fortschreitende Krebserkrankung. Nach der Diagnose beträgt die Überlebenszeit der Patienten in der Regel weniger als eineinhalb Jahre.

Die neue Klasse von Krebsimmuntherapien, die Makrophagen angreifen, werden CSF1R-Inhibitoren genannt. Es geht darum, vorherzusagen, welche Patienten am ehesten auf diese Medikamente ansprechen, so die Forscherin.

  • Die Forschungsarbeit wird in Cell Reports veröffentlicht.

Weitere Informationen finden für Hirntumorpatienten und Angehörige finden Sie bei der der Deutschen Hirntumorhilfe:

  • Hirntumor-Forum: Patienten fragen. Experten antworten. forum.hirntumorhilfe.de
  • Informationsbroschüren für Glioblastompatienten: 0341.590 93 96
  • Wissenschaftlicher Hirntumor-Informationsdienst: 03437.702 702
  • Info- und Kontaktstelle für Selbsthilfeaktivitäten bei Hirntumor unter Telefon: 03437.999 68 68 (wochentags von 7 bis 16 Uhr).
  • Webseite: https://www.hirntumorhilfe.de/

Quellen

vgt


 Dieser Beitrag wurde auf der Grundlage wissenschaftlicher Fachliteratur und fundierter empirischer Studien und Quellen erstellt und in einem mehrstufigen Prozess überprüft.

Wichtiger Hinweis: Der Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

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