Sexsucht, auch bekannt als Hypersexualität, ist eine Erkrankung, die durch exzessive sexuelle Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Diese können das tägliche Leben einer Person erheblich beeinträchtigen.
ÜBERSICHT
Was ist Sexsucht?
Sexsucht ist ein Zustand, der durch wiederholtes und intensives sexuelles Verhalten oder durch obsessive sexuelle Gedanken und Fantasien gekennzeichnet ist, die das alltägliche Leben, die Beziehungen und die Arbeit beeinträchtigen können. Obwohl Sexsucht nicht offiziell als eine Störung im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) anerkannt ist, wird sie in der medizinischen und psychologischen Gemeinschaft weithin diskutiert und erforscht.
Was sind die Ursachen von Sexsucht?
Biologische Faktoren
Einige Studien weisen darauf hin, dass biologische Faktoren, wie Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen oder neurochemischen Ungleichgewichten, eine Rolle bei der Entwicklung von Sexsucht spielen können. Beispielsweise kann ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin, die mit Belohnung und Vergnügen verbunden sind, zu erhöhtem sexuellem Verlangen führen.
Psychologische Faktoren
Psychologische Faktoren können ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung von Sexsucht spielen. Dies kann traumatische Erfahrungen, wie sexuellen Missbrauch in der Kindheit, umfassen. Darüber hinaus können auch psychische Störungen, wie Depressionen, Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen, das Risiko einer Sexsucht erhöhen.
Oft stehen frühe Kindheitserfahrungen im Zusammenhang mit Sexsucht. Traumatisierende Ereignisse wie Missbrauch oder Vernachlässigung können das Bedürfnis nach intensiven sexuellen Erlebnissen später im Leben auslösen.
Wer unter einem geringen Selbstwertgefühl leidet, sieht Sex manchmal als eine Möglichkeit, Anerkennung und das Gefühl wertvoll zu sein, zu erlangen. Die intensive Zuwendung durch einen Sexualpartner wird dann als Bestätigung wahrgenommen.
Neurotizismus, Impulsivität sowie ein geringes Maß an Kontrolle und Selbstdisziplin werden als prädisponierende Faktoren für Sexsucht angesehen.
Symptome von Sexsucht
Die Symptome von Sexsucht können von Person zu Person variieren, enthalten jedoch typischerweise:
- Exzessive sexuelle Fantasien und Aktivitäten, die einen Großteil des Tages einnehmen.
- Wiederholte Versuche, das sexuelle Verhalten zu kontrollieren oder zu reduzieren, die fehlschlagen.
- Fortsetzung des sexuellen Verhaltens trotz negativer Konsequenzen.
- Unruhe oder Reizbarkeit, wenn das sexuelle Verhalten eingeschränkt wird.
- Sexbestimmte Gedanken und Fantasien dominieren den Alltag und die Aufmerksamkeit der Betroffenen übermäßig.
- Nach intensiven sexuellen Erlebnissen werden rasch wieder neue gesucht, um Gefühle der inneren Leere zu kompensieren.
- Echte emotionale Bindungen zu anderen Menschen scheitern oft.
Wie sieht die Behandlung von Sexsucht aus?
Die Behandlung von Sexsucht kann komplex sein und erfordert in der Regel einen multidisziplinären Ansatz.
Psychotherapie
Psychotherapie, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie (KVT), hat sich als wirksam bei der Behandlung von Sexsucht erwiesen. KVT kann helfen, schädliche Denkmuster zu identifizieren und zu verändern und gesunde Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.
Gruppentherapie
Gruppentherapie, einschließlich Selbsthilfegruppen wie Sexaholics Anonymous, kann für Menschen mit Sexsucht hilfreich sein. In diesen Gruppen können sie Unterstützung von anderen finden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Medikamente
In einigen Fällen können Medikamente verwendet werden, um die Symptome von Sexsucht zu behandeln. Dazu gehören Antidepressiva, Stimmungsstabilisatoren und Antiandrogene.
Komplementäre Therapien
Komplementäre Therapien, wie Achtsamkeit und Meditation, können auch dazu beitragen, sexuelles Verlangen zu reduzieren und Stress zu bewältigen.
Dauer einer erfolgreichen Behandlung
Die Dauer einer erfolgreichen Behandlung von Sexsucht ist individuell sehr unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Im Durchschnitt benötigen Betroffene mehrere Monate bis Jahre, um ihre Sucht dauerhaft in den Griff zu bekommen. Einige relevante Punkte:
- Schweregrad der Sucht: Je ausgeprägter die Sexsucht und je länger sie schon besteht, desto schwieriger ist eine erfolgreiche Behandlung und desto mehr Zeit kann sie benötigen.
- Komorbiditäten: Leiden Betroffene neben der Sexsucht unter weiteren psychischen Störungen wie Depressionen oder Angststörungen, muss dies zunächst ebenfalls behandelt werden. Dies kann den Gesamttherapieprozess verlängern.
- Ausgewählte Therapieform: Je intensiver die Therapie, z.B. eine stationäre statt ambulante Behandlung, desto schneller können oft Erfolge erzielt werden. Allerdings ist dies nicht immer möglich.
- Motivation: Je motivierter Betroffene sind, die empfohlenen Maßnahmen und Veränderungen konsequent umzusetzen und je mehr sie bereit sind, ihr Leben langfristig umzustrukturieren, desto schneller kann eine Therapie anschlagen.
- Lebensumstände: Die aktuelle private und berufliche Situation kann eine Therapie unterstützen oder erschweren. Stressfaktoren sollten möglichst minimiert werden.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Eine Heilung von Sexsucht kann selbst bei optimalen Bedingungen mehrere Monate bis über ein Jahr in Anspruch nehmen. Faustregeln können hier trügerisch sein, wichtig ist ein individueller Therapieverlauf, der immer wieder angepasst wird.
Wie mit einem Rückfall in der Therapie umgehen?
Wenn ein Patient mit Sexsucht trotz Therapie einen Rückfall erleidet, sind folgende Reaktionen seitens des Therapeuten hilfreich:
- Akzeptanz zeigen: Zeigen Sie Verständnis für den Rückfall und machen Sie dem Patienten klar, dass Sie ihn weiter unterstützen. Erleichtert dies seinen Umgang mit der Situation.
- Nicht verurteilen: Vermeiden Sie ein verurteilendes oder enttäuschtes Vorgehen. Dies könnte den Patienten weiter frustrieren.
- Hintergründe analysieren: Analysieren Sie gemeinsam mit dem Patienten die genauen Umstände und Auslöser des Rückfalls. So können Sie die Therapie gezielt anpassen.
- Kleine Erfolge sehen: Auch im Rückfall gab es womöglich kleine Erfolge (z.B. geringeres Ausmaß). Würdigen Sie diese.
- Weitermachen: Unterstreichen Sie, dass ein Rückfall kein Therapieabbruch ist. Wichtig ist es, weiterzumachen.
- Erwartungen anpassen: Passen Sie gegebenenfalls die Therapieziele und Erwartungen dem aktuellen Stand an. Das entlastet den Patienten.
- Selbstwirksamkeit stärken: Stärken Sie das Vertrauen des Patienten in sich selbst. Der Rückfall muss nicht das Scheitern der Therapie bedeuten.
Zentral ist es, den Patienten bei einem Rückfall mit Akzeptanz, Verständnis und Unterstützung aufzufangen. Dies kann ihm helfen, die Motivation für die Therapie wiederzufinden. Der Fokus sollte auf dem Weitermachen anstatt dem Versagen liegen.
Motivation von Betroffenen fördern
Es gibt einige wichtige Möglichkeiten, die Motivation von Betroffenen mit Sexsucht in der Therapie zu fördern:
- Aufklärung: Betroffene müssen die Hintergründe und Mechanismen ihrer Sucht verstehen, um ihre Problematik einordnen zu können. Dies schafft Motivation, etwas zu verändern.
- Aktive Mithilfe: Betroffene sollten von Anfang an in die Planung und Umsetzung ihrer Therapie einbezogen werden. Sie müssen das Gefühl haben, selbst Gestalter ihres Genesungsprozesses zu sein.
- Setting festlegen: Gemeinsam mit dem Therapeuten sollten konkrete Ziele, Methoden und Zeitpläne festgelegt werden. Das gibt Sicherheit und Orientierung.
- Kleine Erfolge würdigen: Schon kleine Verhaltensänderungen sollten positiv bestärkt werden. Dadurch steigt das Selbstwertgefühl und die Motivation.
- Rückschläge auffangen: Wenn Betroffene trotz guten Vorsatzes rückfällig werden, sollte das nicht als Scheitern gesehen werden. Es sollte Anlass sein, die Therapie anzupassen.
- Soziale Unterstützung: Freunde und Familie können Betroffene stark machen und an gute Vorsätze erinnern. Ihr Verständnis ist wichtig.
- Persönliche Gründe finden: Betroffene sollten ihre eigene Motivation reflektieren, wie z.B. eine verbesserte Lebens- oder Partnerschaftsqualität. Das hilft, durchzuhalten.
Zentral ist es, Betroffene nicht als „Patienten“, sondern als aktive Teilnehmende zu sehen, die Selbstwirksamkeit erleben und Verantwortung für ihren Genesungsweg übernehmen sollten. Je mehr sie einbezogen werden, desto größer ist in der Regel auch ihre Motivation und Durchhaltevermögen.
Unterstützung durch Angehörige und Freunde
Um Betroffene mit Sexsucht bei der sozialen Unterstützung durch Angehörige und Freunde zu unterstützen, können folgende Ansatzpunkte sinnvoll sein:
- Aufklärung: Betroffene sollten Angehörige und Freunde über ihre Störung und Behandlung aufklären. Dazu gehört auch das Aufbrechen von Mythen und Vorurteilen.
- Offener Austausch: Ein ehrliches und offenes Gespräch kann vorhandene Ängste und Sorgen der Angehörigen abbauen. Diese müssen ihre Fragen stellen können.
- Klarer Hilferuf: Betroffene sollten ihren Angehörigen gegenüber klar zum Ausdruck bringen, dass sie deren Unterstützung brauchen und diese hilfreich ist.
- Konkrete Bitten: Betroffene sollten Angehörigen konkret sagen, was diese tun können, um zu helfen. Z.B. sie an Termine erinnern oder sie von sexualstimulierenden Situationen ablenken.
- Beziehung pflegen: Betroffene sollten ihre Beziehung zu Angehörigen unabhängig von ihrer Störung pflegen. Das stärkt das Vertrauen und den Zusammenhalt.
- Feingefühl: Angehörige sollten betroffene Gefühle wie Scham oder Schuld ernst nehmen, aber klarmachen, dass sie Unterstützung bieten wollen.
- Geduld: Eine Genesung dauert Zeit, Rückschläge sind möglich. Angehörige sollten hierauf vorbereitet sein.
Zusammenfassend ist es wichtig, dass eine ehrliche Kommunikation stattfindet und dass Angehörige sensibel, aber bestimmt ihre Unterstützung anbieten. Betroffene sollten dies annehmen und dankbar sein. Gemeinsam kann dann ein Umfeld geschaffen werden, das zur Genesung beiträgt.
HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN
Wie kann ich feststellen, ob ich eine sexuelle Sucht habe?
Überlegen Sie, ob Ihre sexuellen Handlungen oder Gedanken Ihnen Unbehagen bereiten oder wichtige Lebensbereiche beeinflussen. Fragen Sie sich:
- Stören sexuelle Gedanken oder Aktivitäten Ihren Schlaf?
- Kommen Sie deswegen oft wegen ihnen zu spät zur Arbeit?
- Vernachlässigen Sie deswegen Ihre Pflichten?
- Verbergen Sie die Wahrheit oder behalten Sie Geheimnisse vor Ihren Liebsten?
- Stellen Sie fest, dass Sie intensivere oder verschiedene sexuelle Aktivitäten benötigen, um das gleiche Vergnügungs- oder Erleichterungsgefühl zu verspüren?
- Beteiligen Sie sich an sexuellen Aktivitäten mit Personen oder an Orten, die Sie normalerweise nicht in Betracht ziehen würden?
- Nimmt Pornografie einen erheblichen Teil Ihres Tages in Anspruch?
- Könnten Ihre sexuellen Handlungen zu rechtlichen Problemen oder finanziellen Rückschlägen führen?
- Werden Sie von Ihren sexuellen Trieben, Fantasien oder Verhaltensweisen mental, emotional oder physisch überwältigt?
- Widersprechen Ihre sexuellen Handlungen Ihren persönlichen, religiösen oder moralischen Grundsätzen?
- Fühlen Sie sich nach sexuellen Aktivitäten oft reuig, verzweifelt, schuldig, isoliert oder haben sogar Selbstmordgedanken?
Wenn eines dieser Dinge auf Sie zutrifft, könnte es hilfreich sein, einen Psychologen oder Psychiater für Hilfe aufzusuchen.
Quellen
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⊕ Dieser Beitrag wurde auf der Grundlage wissenschaftlicher Fachliteratur und fundierter empirischer Studien und Quellen erstellt und in einem mehrstufigen Prozess überprüft.
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ddp