Zwangsstörungen: Antikörper könnten neue Behandlungsmöglichkeiten für OCD bieten

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Torsten Lorenz, aktualisiert am 1. April 2023, Lesezeit: 4 Minuten

Kann man eine Zwangsstörung behandeln oder heilen?

Psychische Erkrankungen wie Zwangsstörungen (OCD oder obsessive-compulsive disorder) könnten in Zukunft mit Medikamenten behandelt werden, die auf das Immunsystem abzielen.

  • Wie äußert sich eine Zwangsstörung? Eine Zwangsstörung ist eine Störung, bei der die betroffene Person unter unerwünschten, anhaltenden und überwältigenden Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen leidet. Die Zwänge werden häufig durch unrealistische Sorgen oder Ängste ausgelöst. Die am häufigsten auftretenden Formen sind Reinigungs- und Waschzwänge, Kontrollzwänge, Wiederholungs- und Zählzwänge, Sammelzwänge, Ordnungszwänge, zwanghafte Langsamkeit sowie Zwangsgedanken ohne Zwangshandlungen.

Antikörper reduziert Angst und Stress

Wissenschaftler der Queen Mary University of London und der University of Roehampton, London, haben herausgefunden, dass Patienten, die an einer Zwangsstörung (OCD oder obsessive-compulsive disorder) leiden, in ihren Lymphozyten, einer Art von Immunzellen, erhöhte Werte eines Proteins namens Immunmodulin (Imood) aufweisen.

Bei Labormäusen mit hohen Konzentrationen dieses Proteins wurden auch Verhaltensweisen beobachtet, die für Angst und Stress charakteristisch sind, wie zum Beispiel übermäßiges Putzen. Behandelten die Forscher die Labormäuse mit einem Antikörper, der Immunmodulin (Imood) neutralisiert, verringerte sich die Angst der Tiere.

  • Die Wissenschaftler haben den Antikörper zum Patent angemeldet und arbeiten nun daran, eine Behandlungsmethode für Menschen mit Zwangsstörungen zu entwickeln.

Rolle des Immunsystems bei psychischen Störungen

Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das Immunsystem bei psychischen Störungen eine wichtige Rolle spielt. So ist bekannt, dass Menschen mit Autoimmunkrankheiten überdurchschnittlich häufig an psychischen Störungen wie Angstzuständen, Depressionen und Zwangsstörungen (OCD) leiden, so die Forscher.

Fulvio D’Acquisto, Professor für Immunologie an der University of Roehampton und Honorarprofessor für Immunpharmakologie an der Queen Mary University of London, der die Forschungsarbeiten leitete, entdeckte das Protein Immuno-Moodulin (Imood) zunächst zufällig, als er ein anderes Protein namens Annexin-A1 und dessen Rolle bei Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose und Lupus untersuchte.

Dabei stellte er fest, dass die Mäuse mehr Angst zeigten als normal. Als er und sein Team die in den T-Zellen der Tiere exprimierten Gene analysierten, stellten sie fest, dass ein Gen besonders aktiv war. Das von diesem Gen produzierte Protein nannten sie schließlich Immuno-Moodulin oder Imoodulin.

Als den ängstlichen Mäusen ein Antikörper verabreicht wurde, der Imoodulin blockierte, normalisierte sich ihr Verhalten nach einigen Tagen wieder.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten die Immunzellen von 23 Patienten mit Zwangsstörungen und 20 gesunden Probanden. Dabei stellten sie fest, dass die Expression von Imood bei den OCD-Patienten etwa sechsmal höher war.

Professor D’Acquisto vermutet, dass Immunmodulin oder Imoodulin die Gehirnfunktionen nicht direkt auf klassische Weise reguliert, indem es beispielsweise die chemischen Signalwerte in den Nervenzellen verändert. Stattdessen könnte es Gene in Gehirnzellen beeinflussen, die mit psychischen Störungen wie Zwangsstörungen in Verbindung gebracht werden.

Um die genaue Rolle von Imood zu verstehen, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich. In der Zwischenzeit arbeiten Professor D’Acquisto und Dr. Dianne Cooper, Senior Lecturer an der Queen Mary University of London, mit einem biopharmazeutischen Unternehmen zusammen, um Antikörper gegen Imood für den Einsatz beim Menschen zu entwickeln und zu verstehen, wie diese zur Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen wie Zwangsstörungen eingesetzt werden könnten.

Noch ist es zu früh, aber die Entdeckung von Antikörpern – anstelle der klassischen chemischen Medikamente – für die Behandlung von psychischen Störungen wie Zwangsstörungen (OCD) könnte das Leben dieser Patienten grundlegend verändern, da die Forscher weniger Nebenwirkungen erwarten.

  • Sie schätzen, dass es bis zu fünf Jahre dauern könnte, bis eine Behandlung in klinischen Studien getestet werden kann. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Brain Behavior and Immunity veröffentlicht.

Quellen

  • Brain Behavior and Immunity / Queen Mary University of London
  • Piras G, Rattazzi L, Paschalidis N, Oggero S, Berti G, Ono M, Bellia F, D’Addario C, Dell’Osso B, Pariante CM, Perretti M, D’Acquisto F. Immuno-moodulin: A new anxiogenic factor produced by Annexin-A1 transgenic autoimmune-prone T cells. Brain Behav Immun. 2020 Jul;87:689-702. doi: 10.1016/j.bbi.2020.02.015

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