Studie: Dopamin doch kein Glückshormon – Wie wirkt der Neurotransmitter wirklich?

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Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 30. September 2021, Lesezeit: 4 Minuten

Doch kein Glückshormon: Wie wirkt Dopamin im Körper wirklich? Für was ist der Neurotransmitter Dopamin zuständig?

Forschungsergebnisse zeigen, dass Dopamin gar kein Belohnungsmolekül ist, was den Studienautoren zufolge eine Überarbeitung der Lehrbuchmeinungen über die Rolle des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn erforderlich macht.

Eine Forschungsarbeit der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, hat gezeigt, dass der Dopaminspiegel als Reaktion auf Stressreize und nicht nur auf positive Reize ansteigt. Die Entdeckung gibt Anlass, die Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen und Sucht neu zu überdenken.

Geleitet wurde die Studie mit dem Titel „Dopamine release in the nucleus accumbens core signals perceived saliency“ von Erin Calipari, Professorin für Pharmakologie, und Munir Gunes Kutlu vonnder Vanderbilt University School of Medicine geleitet.

Das vorherrschende Modell, die so genannte Theorie des Belohnungserwartungsfehlers (Reward prediction error, RPE), basiert auf der Vorstellung, dass Dopamin Vorhersagen darüber signalisiert, wann Belohnungen eintreten werden.

Diese Theorie besagt, dass Dopamin jeden Fehler registriert, den wir beim Versuch, Belohnungen zu erhalten, machen. Die Autoren zeigen, dass RPE nur in einer Teilmenge der Lernszenarien richtig ist, indem sie nachweisen konnten, dass „Belohnungen zwar den Dopaminspiegel erhöhen, aber auch stressige Reize, so die Autoren der Studie.

Anschließend konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Dopamin überhaupt kein Belohnungsmolekül ist. Stattdessen hilft es, Informationen über alle Arten von wichtigen und relevanten Ereignissen zu kodieren und adaptives Verhalten zu steuern – unabhängig davon, ob es positiv oder negativ ist.

Die Forscher arbeiteten mit Professor Lin Tian von der UC Davis zusammen, um mithilfe modernster Technologie eine noch nie dagewesene Vielfalt an neurologischen Prozessen im Zusammenhang mit der Dopaminfreisetzung zu untersuchen.

Die Studienautoren nutzten maschinelles Lernen und computergestützte Modellierung, um die Daten zu analysieren, zusammen mit optogenetischen Manipulationen, bei denen die Aktivität genetisch veränderter Neuronen durch Licht gesteuert wird.

Die Analyse der Daten lieferte ein neuartiges Modell des menschlichen Verhaltens, das „eine genaue Vorhersage der Auswirkungen optogenetischer Störungen der Dopaminfreisetzung auf das menschliche Verhalten ermöglicht“. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass diese Arbeit das derzeitige Verständnis durch eine formalisierte Theorie ersetzt und eine Überarbeitung der Lehrbuchfakten über den Botenstoff Dopamin im zentralen Nervensystem fordert.

Warum das wichtig ist? Ein gemeinsames Merkmal aller Missbrauchsdrogen ist, dass sie die Dopaminfreisetzung im Gehirn erhöhen, was die Vorstellung von Dopamin als Belohnungsmolekül genährt hat. Nach Meinung von Danny Winder, Direktor des Vanderbilt Center for Addiction Research zeigt die vorliegende Forschungsarbeit deutlich, dass dieser Neurotransmitter eine weitaus komplexere Rolle spielt, und es bedeutet, dass die Modelle der Sucht, die von der Dopamin-/Drogenbelohnungsmentalität abhängen, neu überdacht werden müssen.

Die Studienautoren betonen ferner, dass diese Daten die Fakten über Dopamin neu bewerten, einschließlich dessen, was es im Gehirn kodiert und wie es das Verhalten steuert.

Das ist nach Ansicht der Forscher von enormer Bedeutung, da der Dopaminspiegel bei der Parkinson-Krankheit und bei fast allen psychiatrischen Erkrankungen gestört ist: Sucht, Angstzustände und Depressionen, Schizophrenie und andere.

Zu verstehen, was diese Dopamin-Defizite bedeuten, wird entscheidend sein, um die Symptome der Patienten zu verstehen und bessere evidenzbasierte Behandlungsmethoden für diese Krankheiten zu entwickeln.

Wenn man den Dopaminspiegel verändert, ohne genau zu wissen, was Dopamin eigentlich bewirkt, kann dies den Forscher zufolge zu vielen unvorhergesehenen Nebenwirkungen und, was noch wichtiger ist, zu fehlgeschlagenen Behandlungsstrategien führen. Die Autoren der Studie sind sich sicher, dass dieses neue Wissen über die eigentliche Funktion von Dopamin sich auf viele Bereiche außerhalb der Neurowissenschaften auswirken und einen starken Einfluss auf das Leben und die Gesundheit der Menschen haben wird.

Quellen und Autoren: Vanderbilt University / Current Biology / Munir Gunes Kutlu, Jennifer E. Zachry, Patrick R. Melugin, Stephanie A. Cajigas, Maxime F. Chevee, Shannon J. Kelley, Banu Kutlu, Lin Tian, Cody A. Siciliano, Erin S. Calipari. Titel der Studie: „Dopamine release in the nucleus accumbens core signals perceived saliency“, Current Biology, 2021; DOI: 10.1016/j.cub.2021.08.052

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