Forscher am Dartmouth College in den USA haben in einer wissenschaftlichen Studie die „Lautstärkeregelung“ im Gehirn identifiziert, die das Lernen und das Gedächtnis unterstützt. Die Entdeckung könnte bei der Behandlung neurologischer Störungen wie zum Beispiel Alzheimer, Parkinson und Epilepsie helfen.
ÜBERSICHT
- 1 Studie findet „molekularen Regler“ im Gehirn, der das Lernen und die Gedächtnisleistung unterstützt
- 2 Durch welche Prozesse Gedächtnis und Lernens unterstützt werden
- 3 Besseres Verständnis davon, wie das Gehirn bei der Bildung von Gedächtnis und Lernen funktioniert
- 4 Was sich negativ auf das Lernen, das Gedächtnis und den Schlaf auswirkt
Studie findet „molekularen Regler“ im Gehirn, der das Lernen und die Gedächtnisleistung unterstützt
Den Forschungsergebnissen zufolge hilft ein „molekularer Lautstärkeknopf“, der elektrische Signale im Gehirn reguliert, beim Lernen und bei der Gedächtnisleistung. Das molekulare System steuert die Breite der elektrischen Signale, die über Synapsen zwischen Neuronen fließen.
Die Identifizierung des Kontrollmechanismus und des Moleküls, das ihn reguliert, könnte den Wissenschaftlern bei ihrer Suche nach Möglichkeiten zur Behandlung neurologischer Störungen, darunter Alzheimer, Parkinson und Epilepsie, helfen.
Die Forschungsergebnisse, die in Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurden, beschreiben die erste Studie darüber, wie die Formen der elektrischen Signale zur Funktion der Synapsen beitragen.
Die Synapsen in unserem Gehirn sind hochdynamisch und kommunizieren in einer Bandbreite von Flüstern und Rufen, erklärt Michael Hoppa, Assistenzprofessor für Biowissenschaften in Dartmouth und Leiter der Forschung. Diese Entdeckung bringt die Forscher auf einen direkteren Weg, hartnäckige neurologische Störungen behandeln zu können.
Bei Synapsen handelt es sich um winzige Kontaktpunkte, die es den Nervenzellen im Gehirn ermöglichen, mit unterschiedlichen Frequenzen zu kommunizieren. Dabei wandelt das Gehirn elektrische Signale der Neuronen in chemische Neurotransmitter um, die diese synaptischen Räume durchqueren.
Durch die Menge des freigesetzten Neurotransmitters ändert sich die Anzahl und das Muster der Neuronen, die in den Schaltkreisen des Gehirns aktiviert werden. Durch diese Neugestaltung der Stärke der synaptischen Verbindungen wird die Art und Weise bestimmt, wie gelernt wird und wie Erinnerungen entstehen.
Durch welche Prozesse Gedächtnis und Lernens unterstützt werden
Diese Prozesse des Gedächtnisses und des Lernens werden durch zwei Funktionen unterstützt. Bei der einen, der so genannten Fazilitation, handelt es sich um eine Reihe von immer schnelleren Spitzen, die die Signale verstärken, die die Form einer Synapse verändern. Die zweite, Depression, reduziert die Signale. Zusammen halten diese beiden Formen der Plastizität das Gehirn im Gleichgewicht und verhindern neurologische Störungen wie zum Beispiel Krampfanfälle.
Mit fortschreitendem Alter ist es nach Meinung der Forscher von entscheidender Bedeutung, dass wir in der Lage sind, verstärkte Synapsen aufrechtzuerhalten. Wir brauchen eine gute Balance der Plastizität in unserem Gehirn, aber auch eine Stabilisierung der synaptischen Verbindungen, so die Wissenschaftler.
Der Schwerpunkt der Forschung lag auf dem Hippocampus, dem Zentrum des Gehirns, das für Lernen und Gedächtnis zuständig ist.
Besseres Verständnis davon, wie das Gehirn bei der Bildung von Gedächtnis und Lernen funktioniert
Die Forscher fanden in der Studie heraus, dass die elektrischen Spitzen als analoge Signale übertragen werden, deren Form die Größe des chemischen Neurotransmitters beeinflusst, der über die Synapsen freigesetzt wird. Der Mechanismus funktioniert ähnlich wie ein Lichtdimmer mit variablen Einstellungen. Frühere Forschungen betrachteten die Spikes als ein digitales Signal, das eher einem Lichtschalter ähnelt, der lediglich in den Positionen „Ein“ und „Aus“ funktioniert.
Die Feststellung, dass diese elektrischen Spitzen analog sind, erschließt unser Verständnis davon, wie das Gehirn bei der Bildung von Gedächtnis und Lernen funktioniert, so die Wissenschaftler. Die Verwendung analoger Signale bietet laut In Ha Cho, Postdoktorand in Dartmouth und Erstautor der Studie, einen vereinfachten Weg, die Stärke der Hirnschaltkreise zu steuern.
1970 führte der Nobelpreisträger Eric Kandel eine Arbeit über den Zusammenhang zwischen Lernen und der Veränderung der Form elektrischer Signale in Meeresschnecken durch. Damals dachte man nicht, dass dieser Prozess in den komplexeren Synapsen des Säugetiergehirns stattfindet.
Was sich negativ auf das Lernen, das Gedächtnis und den Schlaf auswirkt
Neben der Entdeckung, dass die elektrischen Signale, die über die Synapsen im Hippocampus des Gehirns zirkulieren, analog sind, entdeckte die Wissenschaftler in Dartmouth auch das Molekül, das die elektrischen Signale reguliert.
Dieses Molekül – mit der Bezeichnung Kvβ1 – wurde bereits früher nachgewiesen, dass es Kaliumströme reguliert, aber es war nicht bekannt, dass es überhaupt eine Rolle in der Synapse spielt, die die Form der elektrischen Signale steuert. Diese Forschungsergebnisse tragen dazu bei, zu erklären, warum der Verlust der Kvβ1 Moleküle sich zuvor nachweislich negativ auf das Lernen, das Gedächtnis und den Schlaf von Mäusen und Fruchtfliegen auswirkte.
Die Forschungsergebnisse zeigen zudem die Prozesse auf, die es dem Gehirn ermöglichen, eine so hohe Rechenleistung bei so geringer Energie zu erreichen. Mit einem einzigen, analogen elektrischen Impuls können Multi-Bit-Informationen übertragen werden, was eine bessere Steuerung mit niederfrequenten Signalen ermöglicht.
Auf diese Weise, so die Wissenschaftler, verstehen wir besser, wie unser Gehirn in der Lage ist, auf Supercomputer-Ebene mit viel niedrigeren Raten von elektrischen Impulsen und dem Energieäquivalent einer Kühlschrank-Glühbirne zu arbeiten. Umso mehr wir über diese Steuerungsebenen lernen, desto besser lernen wir, wie unser Gehirn so effizient arbeitet.
Wissenschaftler haben über Jahrzehnte nach molekularen Regulatoren der synaptischen Plastizität gesucht, indem sie sich auf die molekulare Maschinerie der chemischen Freisetzung konzentrierten. Bislang waren Messungen der elektrischen Impulse aufgrund der geringen Größe der Nervenendigungen nur schwer zu beobachten.
Die neuen Forschungsergebnisse wurden durch eine in Dartmouth entwickelte Technologie ermöglicht, bei der Spannung und Neurotransmitterfreisetzung mit Techniken gemessen werden, bei denen Licht zur Messung elektrischer Signale in synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn verwendet wird.
Bei künftigen Arbeiten will das Team herausfinden, wie sich die Entdeckung auf Veränderungen des Hirnstoffwechsels bezieht, die während des Alterns auftreten und weit verbreitete neurologische Störungen verursachen.
Dem Forschungsteam zufolge existiert das molekulare System in einem Bereich des Gehirns, der leicht von Pharmazeutika beeinflusst werden kann und sich daher auch für die Entwicklung von Arzneimitteltherapien eignen könnte.
(Quellen: Journal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ / Dartmouth College)
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