Auslöser von Migräne mit Aura: Überraschende Entdeckung führt zu besserem Verständnis

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Torsten Lorenz, aktualisiert am 8. Januar 2021, Lesezeit: 6 Minuten

University of Utah Health: Das Auftreten von großen Mengen an Glutamat, einem wichtigen Neurotransmitter, im Gehirn könnte das Auslösen von Migräne mit Aura und möglicherweise eine Vielzahl von neurologischen Erkrankungen, einschließlich Schlaganfall und traumatischen Hirnverletzungen erklären. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die von Wissenschaftlern der University of Utah Health geleitet wurde.

Rolle von Glutamat bei Migräne mit Aura

Die Untersuchung, die an Mäusen im Labor durchgeführt wurde, ergab, dass eine abnormale Freisetzung von Glutamat in den extrazellulären Raum – dem Bereich zwischen den Gehirnzellen – ausbreitende Depolarisationen auslösen kann, tsunamiartige Aktivitätswellen, die sich bei Migräne und anderen Störungen des Nervensystems im gesamten Gehirn ausbreiten.

Wie viele andere Entdeckungen auch, war diese ein Stück weit ein glücklicher Zufall. Der Hauptautor der Studie Dr. Patrick Parker untersuchte Abnormalitäten in der Glutamat-Signalübertragung bei Mäusen, die ein menschliches Gen tragen, das zu einer Erkrankung namens familiäre hemiplegische Migräne Typ 2 (FHM2) führt.

Glutamat ist ein wichtiger Neurotransmitter, der als Signal zwischen den Nervenzellen freigesetzt wird. Aber zu viel Glutamat kann Zellen übererregen und schädigen, daher hat das Gehirn Möglichkeiten entwickelt, seine Auswirkungen zu begrenzen.

Bei früheren Forschungsprojekten in Italien zeigte sich, dass die FHM2-Mutation den Abtransport von Glutamat aus dem extrazellulären Raum verlangsamt, was zu einer übermäßigen Aktivität des Gehirns führt. Doch was Parker und sein Team in der aktuellen Forschungsarbeit entdeckten, war überraschend: große Mengen an Glutamatfreisetzung, die spontan auftraten und sich von einem zentralen Ort auszubreiten schienen.

Die Forscher gingen der Sache auf den Grund und entdeckten, dass die Ausbreitungen durch eine dysfunktionale Interaktion zwischen Neuronen und Astrozyten entstanden. Astrozyten sind spezialisierte Gehirnzellen, die unter anderem helfen, den Glutamatspiegel zu kontrollieren. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass entweder eine zu hohe neuronale Glutamatfreisetzung oder eine zu geringe Astrozytenaufnahme zu der schwadenförmigen Ansammlung von Glutamat führen kann.

Der gemeinsame Nenner ist den Forschern zufolge ein Ungleichgewicht zwischen Freisetzung und Wiederaufnahme und ein Überschuss an Glutamat im extrazellulären Raum.

Nachdem die Wissenschaftler besser verstanden hatten, wie die schwadenförmige Ansammlung von Glutamat („Glutamat-Schwaden“) erzeugt wird, wollten sie herausfinden, wie sich diese Ansammlung von Glutamat auf Hirnerkrankungen auswirken. Es stellte sich heraus, dass dem Einsetzen von sich ausbreitenden Depolarisationen eine Flut von „Glutamat-Schwaden“ vorausging.

Sich ausbreitende Depolarisationen sind nicht so bekannt wie Krampfanfälle. Aber sie sind genauso häufig – und unter bestimmten Bedingungen, wie Schlaganfall, Subarachnoidalblutung und traumatische Hirnverletzung (Schädel-Hirn-Trauma), können sie genauso schwerwiegend sein.

Parker und Kollegen fanden heraus, dass die „Glutamat-Schwaden“ das Einsetzen von sich ausbreitenden Depolarisationen vorhersagten und dass das Verhindern der Schwaden diese hemmte. Besonders bemerkenswert ist, dass die Wissenschaftler die „Glutamat-Schwaden“ vor den sich ausbreitenden Depolarisationen nicht nur bei FHM2-Mäusen, sondern auch bei normalen „Kontrolltieren“ beobachteten.

Das bedeutet, dass die „Glutamat-Schwaden“ wahrscheinlich weit über Migräne hinaus relevant sind, bei der spreizende Depolarisationen der Aura zugrunde liegen und Kopfschmerzen auslösen, so die Forscher.

Die vorliegende Forschungsarbeit wurde in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht. Neben den Wissenschaftlern der University of Utah Health und Padova haben auch Forscher der University of New Mexico und der Universita Politecnica delle Marche in Italien zu dieser Studie beigetragen.

Migräne mit Aura – Symptome und Ursachen

Migräne mit Aura sind wiederkehrende Kopfschmerzen, die nach oder gleichzeitig mit sensorischen Störungen, der Aura, auftreten. Zu den auftretenden Wahrnehmungsstörungen können unter anderem Lichtblitze, blinde Flecken und andere Sehveränderungen oder Kribbeln in der Hand oder im Gesicht gehören.

Die Behandlungsmöglichkeiten für Migräne mit Aura und Migräne ohne Aura sind im Allgemeinen dieselben. Man kann Migräne mit Aura mit denselben Medikamenten und Selbsthilfemaßnahmen vorbeugen, die man auch zur Vorbeugung von Migräne einsetzt.

Symptome bei Migräne mit Aura

Zu den Migräne-Aura-Symptomen gehören vorübergehende visuelle oder andere Störungen, die für gewöhnlich vor den anderen Migräne-Symptomen auftreten. Dazu gehören starke Kopfschmerzen, Übelkeit und Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen.

Migräne mit Aura setzt zumeist innerhalb einer Stunde vor Beginn der Kopfschmerzen ein und dauert für gewöhnlich weniger als 60 Minuten. Es kann vorkommen, dass Migräne mit Aura mit leichten oder ohne Kopfschmerzen auftritt, vor allem bei Menschen ab 50 Jahren und älter.

Migräne mit Aura: Visuelle Anzeichen und Symptome

Die meisten Menschen, die eine Migräne mit Aura haben, entwickeln vorübergehende visuelle Anzeichen und Symptome, die in der Regel in der Mitte des Gesichtsfeldes beginnen und sich nach außen ausbreiten. Dazu können gehören:

  • Blinde Flecken (Skotome), die manchmal durch einfache geometrische Muster umrissen werden
  • Zickzacklinien, die allmählich über das Gesichtsfeld wandern
  • Schimmernde Flecken oder Sterne
  • Veränderungen im Sehvermögen oder Sehverlust
  • Lichtblitze

Andere vorübergehende Störungen, die manchmal mit einer Migräne-Aura einhergehen, sind

  • Taubheitsgefühl, das typischerweise als Kribbeln in einer Hand oder auf einer Seite des Gesichts empfunden wird
  • Schwierigkeiten beim Sprechen
  • Muskelschwäche

Ursachen von Migräne mit Aura

Die Ursachen für Migräne mit Aura sind bislang noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Migräne mit visueller Aura wie eine elektrische oder chemische Welle über den Teil des Gehirns wandert, der visuelle Signale verarbeitet (visueller Kortex) und diese visuellen Halluzinationen verursacht.

Viele der gleichen Faktoren, die eine Migräne auslösen, können auch eine Migräne mit Aura auslösen. Dazu gehören Stress, helles Licht, bestimmte Nahrungsmittel und Medikamente, zu viel oder zu wenig Schlaf und die Menstruation.

Quellen

vgt

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