Patienten mit ALS (amyotrophe Lateralsklerose) leiden häufig an Diabetes Typ-2. Dieses Phänomen ist seit langem rätselhaft.
Nun haben Forscher des Karolinska-Instituts in Schweden einen molekularen Mechanismus identifiziert, der diese beiden Krankheiten in Verbindung zueinander bringt.
- Die Ergebnisse der Studie wurden in der wissenschaftlichen Fachpublikation Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.
Die Forscher fanden heraus, dass Immunglobulin G (IgG)-Antikörper im Blut von Patientinnen und Patienten mit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) auf den Kalziumkanal in der Zellmembran der Insulinhormon-sekretierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse abzielen.
„Dies führt zu einem nicht-physiologischen Kalzium-(Ca2+)-Zufluss und damit zum Absterben der Beta-Zellen“, erklärt Dr. Yue Shi, Hauptautorin der Studie und Forscherin an der Abteilung für Molekulare Medizin und Chirurgie des Karolinska-Instituts.
Eine veränderte humorale Immunität, das heisst das Vorhandensein von Autoantikörpern, die gegen die körpereigenen Zellen gerichtet sind, ist ein bekanntes Phänomen bei Typ-1-Diabetes. Die neue Studie hebt das Vorhandensein von Autoantikörpern als pathogenen Mechanismus bei einer Untergruppe von Patienten mit Typ-2-Diabetes hervor.
Die Forscher konnten nun zeigen, dass sich IgG von ALS-Patienten mit Diabetes Typ 2 wie zytotoxische Autoantikörper verhalten, was darauf hindeutet, dass eine veränderte humorale Immunität als ein kritischer pathogener Mechanismus bei der Entstehung von Diabetes dienen kann. Dies könnte demnach die Grundlage für eine neue Immuntherapie-Strategie für Patienten legen, die sowohl an ALS als auch an Diabetes leiden.
- Die Forscher glauben, dass das Vorhandensein von Autoantikörpern auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen ein generalisiertes Phänomen sein könnte. Ähnlich wie bei ALS-Patienten leidet ein Teil der Patienten mit Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multipler Sklerose auch an Diabetes Typ 2.
Interessanterweise verfügen Betazellen und Neuronen der Bauchspeicheldrüse über ähnliche Arten von Kalziumkanälen und teilen eine Reihe von physiologischen und pathologischen Mechanismen ihrer Funktion/Störung und ihres Überlebens/Todes, wie z.B. Ca2+-abhängige Exozytose und Ca2+-getriggerter Zelltod, so die Autoren der Studie.
Inwieweit der Krankheitsmechanismus, der bei Patienten mit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Typ-2-Diabetes entdeckt wurde, auf andere neurodegenerative Erkrankungen im Zusammenhang mit Diabetes verallgemeinert werden kann, wird laut Professor Per-Olof Berggren, Direktor des Rolf-Luft-Forschungszentrums am Karolinska Institutet im Mittelpunkt zukünftiger Studien stehen.
Die vorliegende Studie wurde unterstützt von der National Research Foundation of Korea (NRF), der Swedish Diabetes Association, Karolinska Institutet’s Foundations and Funds, Swedish Research Council, Novo Nordisk Foundation, Family Erling-Persson Foundation, Strategic Research Program in Diabetes at Karolinska Institutet, European Research Council (ERC), Knut and Alice Wallenberg Foundation, Skandia Insurance Company, Diabetes and Wellness Foundation, Bert von Kantzow Foundation, Lee Kong Chian School of Medicine, Nanyang Technological University, Stichting af Jochnick Foundation, and Wellcome Trust.
Quellen
- The Rolf Luft Research Center for Diabetes and Endocrinology, Karolinska Institutet, Karolinska University Hospital, Stockholm, Sweden
- Yue Shi, Kyoung Sun Park, Seung Hyun Kim, et al., IgGs from patients with amyotrophic lateral sclerosis and diabetes target CaVα2δ1 subunits impairing islet cell function and survival, 2019, PANS DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.1911956116
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