Studie: Wirkung einer emotions-fokussierten Therapie bei Bipolarer Störung

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Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 19. April 2023, Lesezeit: 8 Minuten

Eine Studie von Forschenden der Charité-Universitätsmedizin Berlin zeigt, dass eine Therapie, die auf die Wahrnehmung von Emotionen abzielt, die Aktivierung und Konnektivität (Vernetzung) eines emotions-regulierenden Zentrums im Gehirn erhöht.

  • Die Therapie könnte wirksam sein, um bipolare Störungen (Bipolar disorder) zu behandeln und Rückfälle zu verhindern.

Bipolare Störung: Was ist das?

Die bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung, bei der die Stimmung von einem Extrem ins andere umschlägt. Früher wurde sie als manische Depression bezeichnet.

Menschen mit bipolarer Störung erleben abwechselnd extreme Stimmungszustände, die typischerweise durch Manie, Depression und beeinträchtigtes Sozialverhalten gekennzeichnet sind.

Es gibt verschiedene Arten von bipolaren und verwandten Störungen. Sie können Manie oder Hypomanie und Depression umfassen. Die Symptome können zu unvorhersehbaren Stimmungs- und Verhaltensänderungen führen, die erhebliche Probleme und Schwierigkeiten im Leben verursachen.

  • Die komplexen Mechanismen der bipolaren Störung erschweren die Behandlung, die oft eine Kombination von Medikamenten und Verhaltensmaßnahmen erfordert, deren individuelle Anpassung für den Arzt und den betroffenen Patienten Jahre dauern kann.

Wirkung einer emotionsfokussierten psychotherapeutischen Interventionen

Ein Forscherteam unter der Leitung von Dr. Kristina Meyer und Dr. Catherine Hindi Attar von der Charité-Universitätsmedizin Berlin untersuchte mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) die Auswirkungen von zwei psychotherapeutischen Interventionen auf die Symptome der bipolaren Störung sowie auf die Aktivierung der Amygdala (Corpus amygdaloideum) und die Vernetzung (Konnektivität) mit anderen emotionsbezogenen Hirnregionen.

Aus der Forschung ist bekannt, dass Patienten mit einer bipolaren Störung (außerhalb einer manischen Episode) eine veränderte Aktivierung und funktionelle Konnektivität der Amygdala aufweisen.

Eine veränderte funktionelle Konnektivität der Amygdala bedeutet, dass die Amygdala – ein Teil des Gehirns, der eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt – in ihrer Aktivität und Interaktion mit anderen Hirnregionen verändert ist. Zu den Grundemotionen (Grundgefühl) gehören beispielsweise Wut, Ekel, Angst, Glück, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung.

Veränderungen in der funktionellen Konnektivität der Amygdala können mit verschiedenen psychischen Störungen wie Angststörungen, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen in Verbindung gebracht werden.

In der vorliegenden Studie nahmen 28 Versuchspersonen an einer emotionsfokussierten Therapie teil, in der sie angeleitet wurden, ihre Gefühle und Empfindungen wahrzunehmen und zu benennen, ohne sie zu vermeiden oder zu unterdrücken.

In der zweiten Intervention, an der 31 Patienten teilnahmen, wurde eine spezifische kognitive Verhaltenstherapie durchgeführt, die sich auf das Einüben sozialer Handlungen konzentrierte.

Die Forscher erfassten die Symptome der Patientinnen und Patienten vor, während und nach der jeweiligen Behandlung. Manie und Depression wurden wöchentlich auf einer Skala von 1 bis 6 gemessen, die von keinen Symptomen (1) bis zu psychotischen Symptomen oder schweren Funktionsstörungen (6) reichte.

Jeweils 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus jeder Behandlungsgruppe unterzogen sich einer funktionellen Magnetresonanztomographie, während sie eine emotionale Gesichtszuordnungsaufgabe durchführten, ebenso wie 32 gesunde Kontrollpersonen.

Laut Dr. Meyer zeigte sich erwartungsgemäß, dass die Patientinnen und Patienten, die an der emotionsfokussierten Therapie teilnahmen, nach der Intervention eine erhöhte Aktivierung und Konnektivität der Amygdala aufwiesen, verglichen mit den Versuchspersonen, die an der kognitiv-behavioralen Therapie teilnahmen, was eine verbesserte Emotionsverarbeitung und eine erhöhte Toleranz gegenüber negativen Emotionen widerspiegeln könnte.

Im Gegensatz dazu zeigten die Patientinnen und Patienten, die an der kognitiv-behavioralen Therapie (kognitive Verhaltenstherapie) teilnahmen, eine erhöhte Aktivierung von Hirnregionen, die mit sozialen Funktionen in Verbindung stehen, aber keine veränderte Aktivität der Amygdala.

Nach Ansicht des Erstautors der Studie, Dr. Felix Bermpohl von der Charité-Universitätsmedizin Berlin, deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass verschiedene psychotherapeutische Ansätze ihre Wirkung auf die Amygdala entfalten können.

Die Forschungsarbeit wurde in dem Fachblatt Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging veröffentlicht.

Veränderte funktionelle Konnektivität der Amygdala

Die Amygdala ist eine kleine mandelförmige Struktur im Gehirn, die eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. Eine veränderte funktionelle Konnektivität der Amygdala bedeutet, dass die Art und Weise, wie die Amygdala mit anderen Hirnregionen kommuniziert, anders ist als gewöhnlich.

Eine Veränderung der funktionellen Konnektivität der Amygdala kann darauf hindeuten, dass die Amygdala mehr oder weniger aktiv mit anderen Hirnregionen kommuniziert als normalerweise.

Es gibt viele Faktoren, die die funktionelle Konnektivität der Amygdala beeinflussen können, darunter emotionale Zustände, Stress, Angst und neurologische Erkrankungen. Eine veränderte funktionelle Konnektivität der Amygdala kann auch auf eine Funktionsstörung oder Erkrankung des Gehirns hinweisen und ist daher ein wichtiger Indikator für eine neurologische Untersuchung.

Wirksamkeit der kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich bei einer Vielzahl von psychischen Störungen als wirksam erwiesen kommt bei zahlreichen psychischen Erkrankungen zum Einsatz. Die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie bei verschiedenen psychischen Störungen wurde von einem Forscherteam in den USA untersucht.

  • Die Wissenschaftler werteten insgesamt 16 Meta-Analysen aus, die zwischen 1967 und 2004 erschienen waren, und verglichen die Effektstärken.

Als sehr wirksam erwies sich die kognitive Verhaltenstherapie bei der Behandlung von sozialer Phobie, generalisierter Angststörung, Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) bei Erwachsenen, bei unipolarer Depression sowie bei Depressionen und Angststörungen bei Kindern.

Die Effektstärken bei der Behandlung von Eheproblemen, Wut, somatischen Störungen in der Kindheit und chronischen Schmerzen lagen im mittleren Bereich.

Wie sich stimmungs-unabhängige kognitive Beeinträchtigungen bei bipolarer Störung erklären lassen

Eine andere Studie, die ebenfalls in Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging veröffentlicht wurde beschreibt mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) einen Zusammenhang zwischen verminderter funktioneller Aktivierung und reduzierter kortikaler Dicke im Gehirn von Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung.

Die Auffälligkeiten wurden bei Patientinnen und Patienten gefunden, die weder an einer Depression noch an einer Manie litten, was darauf hindeutet, dass es eine strukturelle Grundlage für die veränderte neuronale Verarbeitung gibt, die erklären könnte, warum kognitive Defizite auch in Zeiten normaler Stimmung fortbestehen.

In der ersten umfassenden Forschungsarbeit, die den Zusammenhang zwischen strukturellen und funktionellen MRT-Daten bei bipolaren Störungen untersuchte, konzentrierten sich Dr. Shantanu Joshi und seine Kollegen von der University of California, Los Angeles, auf Hirnregionen, die an der Stimmungsdysregulation beteiligt sind.

  • Sie untersuchten die Gehirne von 45 Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung, die sich zwischen Stimmungsschüben befanden, sowie von 45 Kontrollpersonen.

Während sie eine Aufgabe lösten, bei der bestimmte Hirnregionen aktiviert werden mussten, zeigten die Patientinnen und Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Aktivierung in zwei Hirnregionen, die für die Kontrolle der Hemmung wichtig sind: dem inferioren frontalen Kortex und dem anterioren cingulären Kortex. Auch im Gyrus frontalis superior, einer Region, die für die motorische Planung und Entscheidungsfindung wichtig ist, war die Aktivierung vermindert.

Die strukturelle Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte eine krankheitsbedingte Abnahme der kortikalen Dicke in denselben Regionen: im inferioren frontalen Kortex, im anterioren cingulären Kortex und im superioren frontalen Gyrus. Die Aktivierung des anterioren cingulären Kortex war mit der kortikalen Dicke verbunden.

Laut Dr. Joshi könnten diese Hirnareale für einige der kognitiven Schwierigkeiten verantwortlich sein, die bipolare Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrer Stimmung haben.

Bis zu dieser Studie wussten die Forscher nur wenig über die zugrunde liegenden Ursachen der abnormen funktionellen Hirnaktivität bei dieser Störung. Die Forschungsergebnisse unterstützen die Hypothese, dass eine verminderte Aktivierung in Hirnregionen, die für die Hemmungskontrolle verantwortlich sind, die impulsiven Merkmale erklären könnte, die bei bipolaren Störungen auftreten.

Da diese Veränderungen bei Patienten und Patientinnen beobachtet wurden, die eine Remission (vorübergehende oder dauerhafte Linderung der Symptome) erreicht hatten, könnten sie eine anhaltende Vulnerabilität im Zusammenhang mit der Entwicklung dieser häufigen und behindernden schweren Stimmungsstörung widerspiegeln, fügte Carter hinzu.

Laut Dr. Joshi hat die Studie potenzielle Auswirkungen auf die Suche nach strukturell-funktionellen Bildgebungssignaturen, so genannten Biomarkern, für die bipolare Störung, die als Grundlage für zukünftige Studien zur Verbesserung der Behandlung dienen könnten.

Quellen

  • Charité-Universitätsmedizin Berlin
  • University of California
  • Kristina Meyer et al, Daring to feel: Emotion-focused psychotherapy increases amygdala activation and connectivity in euthymic bipolar disorder. A randomized controlled trial, Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging (2023), Elsevier. DOI: 10.1016/j.bpsc.2023.02.008
  • Butler AC, Chapman JE, Forman EM, Beck AT. The empirical status of cognitive-behavioral therapy: a review of meta-analyses. Clin Psychol Rev. 2006 Jan;26(1):17-31. DOI: 10.1016/j.cpr.2005.07.003
  •  Chunyu Liu et al, Decoding six basic emotions from brain functional connectivity patterns, Science China Life Sciences (2022). DOI: 10.1007/s11427-022-2206-3

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