Was vor dem Altern schützt: Wirkung von D-Serin auf den Alterungsprozess

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Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 29. März 2023, Lesezeit: 8 Minuten

Der menschliche Alterungsprozess ist ein systemischer Vorgang, der zu einer Verschlechterung der physiologischen Funktionen und schließlich zum Tod führt.

  • Die molekularen Mechanismen, die dem Alterungsprozess und dem damit verbundenen kognitiven Abbau zugrunde liegen, sind bislang nicht vollständig geklärt.

Eine entscheidende Rolle bei der Steuerung des systemischen Alterungsprozesses durch neuroinflammatorische Signalübertragung wird Wissenschaftlern zufolge dem Hypothalamus zugeschrieben.

Was verzögert das Altern?

Forscher haben herausgefunden, dass der Verlust von Menin (ein Hormon des Hypothalamus) den Alterungsprozess beschleunigt und dass ein Nahrungsergänzungsmittel diesen Prozess der Alterung bei Mäusen umkehren kann.

Laut der Studie von Lige Leng von der Universität Xiamen, die in der Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlicht wurde, könnte der Rückgang des Hypothalamushormons Menin eine Schlüsselrolle beim Altern spielen.

Die Forschungsergebnisse enthüllen einen bisher unbekannten Einflussfaktor auf das physiologische Altern und legen nahe, dass die Einnahme einer einfachen Aminosäure einige altersbedingte Veränderungen abmildern könnte.

  • Der Hypothalamus gilt als entscheidender Mediator des physiologischen Alterns, da er im Laufe der Zeit vermehrt neuroinflammatorische Signale aussendet. Entzündungen wiederum begünstigen zahlreiche Alterungsprozesse sowohl im Gehirn als auch in der Peripherie.

Leng und Kollegen konnten in ihrer Studie zeigen, dass Menin, ein hypothalamisches Protein, ein wichtiger Inhibitor der hypothalamischen Neuroinflammation ist, was sie zu der Frage führte, welche Rolle Menin beim Altern spielen könnte.

In diesem Zusammenhang beobachteten sie, dass die Konzentration von Menin im Hypothalamus, nicht aber in Astrozyten oder Mikroglia, mit zunehmendem Alter abnimmt.

  • Um diesen Rückgang zu untersuchen, entwickelten die Wissenschaftler konditionale Knockout-Mäuse, bei denen die Menin-Aktivität gehemmt werden konnte.

Es zeigte sich, dass die verminderte Menin-Aktivität bei jüngeren Mäusen zu einer erhöhten Neuroinflammation im Hypothalamus, zu altersbedingten Phänotypen wie verminderter Knochenmasse und Hautdicke, zu kognitiven Beeinträchtigungen und zu einer leicht verringerten Lebenserwartung führte.

Ein weiterer Effekt, der durch den Verlust des Hormons Menin hervorgerufen wurde, war eine Abnahme der Konzentration der proteogenen Aminosäure D-Serin, die als Neurotransmitter bekannt ist.

Die Autoren der Studie konnten nachweisen, dass dieser Rückgang auf den Aktivitätsverlust eines Enzyms zurückzuführen ist, das an der Synthese von D-Serin beteiligt ist (die wiederum durch Menin reguliert wird).

Kann eine Verringerung des altersbedingten Meninverlusts die Anzeichen des physiologischen Alterns umkehren?

Um diese Frage zu beantworten, schleusten die Wissenschaftler das Gen für Menin in den Hypothalamus älterer (20 Monate alte) Mäuse ein.

Nach 30 Tagen stellten sie eine Verbesserung der Hautdicke, der Knochenmasse, der Lernfähigkeit, der kognitiven Fähigkeiten und des Gleichgewichts fest, die mit einer Zunahme von D-Serin im Hippocampus korrelierte, einer zentralen Hirnregion, die für Lernen und Gedächtnis wichtig ist.

Überraschenderweise hatte eine dreiwöchige Nahrungsergänzung mit D-Serin ähnliche positive Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten, nicht aber auf periphere Alterserscheinungen.

Über die Rolle von Menin bei der Alterung, einschließlich der vorgelagerten Prozesse, die zu seiner Abnahme führen, ist noch viel zu erforschen, und es gibt noch viel zu lernen über das Potenzial, diesen Weg zu nutzen.

Dazu zählt auch die Frage, wie weit und wie lange die phänotypische Alterung verlangsamt werden kann und ob eine Supplementation mit D-Serin andere, noch zu entdeckende Veränderungen auslösen kann.

Nach Angaben von Leng vermuten die Forscher, dass die Abnahme der Menin-Expression im Hypothalamus mit zunehmendem Alter einer der treibenden Faktoren des Alterns sein könnte und dass Menin das Schlüsselprotein ist, das genetische, entzündliche und metabolische Faktoren des Alterns miteinander verbindet.

  • D-Serin ist ein vielversprechendes Therapeutikum gegen kognitiven Verfall.

Laut Leng ist die Menin-Signalisierung im ventromedialen Hypothalamus (VMH) bei alternden Mäusen reduziert, was zu systemischen Alterungsphänotypen und kognitiven Defiziten beiträgt.

Die Auswirkungen von Menin auf das Altern werden durch neuroinflammatorische Veränderungen und die Signalisierung von Stoffwechselwegen vermittelt, die mit einem Serinmangel im ventromedialen Hypothalamus einhergehen, während die Wiederherstellung von Menin im ventromedialen Hypothalamus die altersbedingten Phänotypen umkehrt.

Drei vermeintliche Ansätze zur Verlangsamung des Alterungsprozesses erweisen sich als weitgehend wirkungslos

Laut Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen haben sich drei Ansätze zur Verlangsamung des Alterungsprozesses als weitgehend wirkungslos erwiesen.

  • Für ihre Studie entwickelten die Forscherinnen und Forscher eine neue Methode zur Messung des Alterns, die der Komplexität des Alterns in lebenden Organismen Rechnung trägt.
  • Es wurden drei Behandlungsansätze untersucht, von denen allgemein angenommen wird, dass sie den Alterungsprozess verlangsamen.

In Versuchen mit Mäusen erwiesen sich diese Behandlungsmethoden jedoch als weitgehend unwirksam, was ihre angebliche Wirkung auf das Altern betrifft.

Laut Dr. Dan Ehninger vom Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gibt es also keine innere Uhr des Alterns, die man mit einem einfachen Schalter regulieren könnte – zumindest nicht in Form der hier untersuchten Behandlungen, so sein Fazit.

  • An der Studie, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurden, waren Forscher des DZNE, des Helmholtz München und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) beteiligt.

Welche Ansätze wurden untersucht?

Eine der untersuchten Methoden zur Verlangsamung des Alterungsprozesses ist das intermittierende Fasten, bei dem die Kalorienzufuhr reduziert wird.

  • Der zweite untersuchte Ansatz ist die so genannte mTor-Regulation beziehungsweise der mTor-Signalweg.

Er zielt auf einen entscheidenden Mechanismus des Zellstoffwechsels (mTOR), an dem auch ein Immunsuppressivum und mTOR-Inhibitor mit Makrolidstruktur (makrozyklisches Lacton) ansetzt, der T-Lymphozyten und dendritische Zellen hemmt und so Immunantworten bereits in der Frühphase unterdrücken kann.

Das dritte Verfahren greift in die Ausschüttung von Wachstumshormonen ein. Ähnliche Behandlungen werden auch beim Menschen eingesetzt, obwohl ihre Wirksamkeit in Bezug auf die Alterung nicht ausreichend belegt ist.

Um die Wirkung bei Mäusen zu untersuchen, entwickelten die Forscher einen neuen Ansatz zur Messung des Alterns. Viele Forscher haben in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung als indirektes Maß für das Altern verwendet, erklärt Dan Ehninger, leitender Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).

Wie kann man die Lebensspanne verlängern?

Oft wird angenommen, dass Mäuse langsamer altern, wenn man sie einfach länger leben lässt. Doch nach Aussage von Ehninger sterben Mäuse, wie viele andere Lebewesen auch, nicht an allgemeinen Alterserscheinungen, sondern an ganz bestimmten Krankheiten.

So sterben zum Beispiel bis zu 90 Prozent der Mäuse an Tumoren, die sich im Alter im Körper bilden. Würde man also das gesamte Genom nach Faktoren durchsuchen, die Mäuse langlebig machen, würde man wahrscheinlich viele Gene finden, die die Tumorentwicklung unterdrücken – und nicht unbedingt Gene, die eine allgemeine Rolle beim Altern spielen.

Für ihre Studie wählten die Wissenschaftler daher einen Ansatz, bei dem nicht die Lebensdauer im Vordergrund steht, sondern eine umfassende Untersuchung der altersbedingten Veränderungen in einer Vielzahl von Körperfunktionen. Laut Martin Hrabě de Angelis kann man sich das wie einen umfassenden Gesundheitscheck vorstellen.

  • Das Ergebnis des Gesundheitschecks ist ein Abbild von Hunderten von Faktoren, die viele Bereiche der Physiologie abdecken – eine genaue Beschreibung des Zustands des Tieres zum Zeitpunkt der Untersuchung.

Genau diesen Ansatz wandten die Forscher auch bei den Tieren an, die einer der drei Behandlungsmethoden unterzogen wurden, die das Altern verlangsamen sollen.

In verschiedenen Lebensabschnitten wurden die Werte analysiert und verglichen, um zu sehen, wie stark sich die einzelnen Parameter typischerweise in einem bestimmten Lebensabschnitt verändern.

Wie veränderten sich die Parameter, wenn die Mäuse eine der drei Behandlungen erhielten?

Mit dem beschriebenen Studiendesign lässt den Studienautoren zufolge sich genau bestimmen, ob der natürliche Alterungsprozess und damit der Abbau wichtiger physiologischer Funktionen verlangsamt werden kann.

Das Ergebnis der vorliegenden Studie war eindeutig. Zwar konnte die Forschergruppe einzelne Fälle identifizieren, in denen alte Mäuse jünger aussahen, als sie tatsächlich waren, doch war klar: Dieser Effekt ist laut Dan Ehninger nicht auf eine Verlangsamung des Alterungsprozesses zurückzuführen, sondern auf altersunabhängige Faktoren.

  • Fazit: Die Tatsache, dass eine Behandlung bereits bei jungen Mäusen wirkt, bevor altersabhängige Veränderungen der Gesundheitsmaße auftreten, beweist, dass es sich um kompensatorische, allgemein gesundheitsfördernde Effekte handelt und nicht um einen gezielten Angriff auf Alterungsmechanismen.

Quellen

  • Helmholtz München
  • Public Library of Science
  • Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD)
  • Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
  • Hypothalamic Menin regulates systemic aging and cognitive decline, PLoS Biology (2023). DOI: 10.1371/journal.pbio.3002033
  • Kan Xie et al, Deep phenotyping and lifetime trajectories reveal limited effects of longevity regulators on the aging process in C57BL/6J mice, Nature Communications (2022). DOI: 10.1038/s41467-022-34515-y

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