Studie: Wie sich Stress auf das Gehirn auswirkt

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung, Psychische Gesundheit

Torsten Lorenz, aktualisiert am 23.04.2023, Lesezeit: 6 Minuten

Was passiert unter Stress und welche Folgen können Stresssituationen für den Menschen haben haben?

Stress ist ein normaler Bestandteil des Lebens und kann ein nützliches Instrument zur Bewältigung schwieriger Situationen sein.

Schwerer Stress oder traumatische Erlebnisse können jedoch erhebliche negative Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit haben.

Was passiert bei zu viel belastenden Stress bzw. traumatischen Stress?

Stress ist ein komplexes Phänomen, das eine Reihe physiologischer und psychologischer Reaktionen hervorruft. Diese Reaktionen können je nach Person und Art des Stressors unterschiedlich ausfallen.

Schwerer, belastender Stress und traumatische Erlebnisse können sowohl kurz- als auch langfristig erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben.

Studien haben gezeigt, dass Stress eine Reihe negativer Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, (Hypertonie), Herzinfarkt, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder Herzversagen sowie Depressionen, Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD).

Quelle: YouTube/Universität Konstanz

Physiologische und psychologische Reaktionen auf Stress

Die physiologische Reaktion von Menschen auf Stress ist ein allgemein bekanntes Phänomen. Stress löst die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin aus, die den Körper auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion vorbereiten. Diese Reaktion beinhaltet die Aktivierung des sympathischen Nervensystems und die Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter und Hormone, darunter Noradrenalin, Dopamin und Serotonin.

Die psychische Reaktion auf Stress ist ebenso komplex. Stress kann eine Reihe emotionaler und kognitiver Reaktionen hervorrufen, darunter Angst, Furcht, Wut und Traurigkeit. Diese Reaktionen können je nach Person und Art des Stressors unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel kann ein traumatisches Ereignis wie ein Autounfall Gefühle von Angst und Hilflosigkeit hervorrufen, während eine stressige Arbeitsumgebung Gefühle von Angst und Frustration hervorrufen kann.

Wie wirkt sich Stress auf das Gehirn aus?

Anhaltender Stress bringt das neuronale Netzwerk aus dem Gleichgewicht und kann zu dauerhaften Veränderungen der Hirnstruktur führen. Die Amygdala vergrößert sich, der Hippocampus und der präfrontale Cortex schrumpfen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LSU Health New Orleans School of Medicine haben in einer Studie gezeigt, wie Stress die Struktur des Gehirns verändert, und einen möglichen therapeutischen Angriffspunkt entdeckt, um Stress vorzubeugen oder rückgängig zu machen.

Bei ihren Untersuchungen an einem Mausmodell stellten die Wissenschaftler fest, dass ein einziges Stressereignis zu schnellen und dauerhaften Veränderungen in den so genannten Astrozyten führt. Astrozyten zählen zu den Gliazellen. Sie sind nicht elektrisch erregbare Zellen des Nervensystems.

  • Die Stress-Episode führte dazu, dass sich die Ausläufer der Astrozyten an den Synapsen – den Stellen, an denen Informationen von einer Zelle zur anderen übertragen werden – verengten.

Die Forscher entdeckten auch einen Mechanismus, der zur Unterbrechung der Zellkommunikation führt. Es zeigte sich, dass das Stresshormon Noradrenalin während eines Stressereignisses einen molekularen Weg unterdrückt, der normalerweise das Protein GluA1 produziert, ohne das Nervenzellen und Astrozyten nicht miteinander kommunizieren können.

Stress beeinflusst die Struktur und Funktion sowohl der Nervenzellen als auch der Astrozyten. Da Astrozyten die synaptische Übertragung direkt verändern können und eine wichtige Rolle bei stressbedingtem Verhalten spielen, sehen die Forscher in der Verhinderung oder Umkehrung stressbedingter Veränderungen in Astrozyten einen möglichen Ansatz zur Behandlung stressbedingter neurologischer Störungen.

Die Forschenden konnten einen molekularen Signalweg identifizieren, der die GluA1-Synthese und damit den Umbau der Astrozyten während einer Stresssituation steuert. Diese Entdeckung deute auf neue pharmakologische Ansatzpunkte hin, um stressbedingte Veränderungen zu verhindern oder rückgängig zu machen, so die Forscher.

Da viele Signalwege in der Evolution weitgehend konserviert sind, könnten die molekularen Wege, die zum strukturellen Umbau der Astrozyten und zur Unterdrückung der GluA1-Produktion führen, auch bei Menschen ablaufen, die ein belastendes Stressereignis erleben.

Stress verändert die Gehirnfunktion und führt zu dauerhaften Veränderungen im menschlichen Verhalten und in der Physiologie. Die Erfahrung traumatischer Ereignisse kann zu neuropsychiatrischen Störungen wie Angst, Depression und Drogenabhängigkeit führen.

Die Erforschung der neurobiologischen Eigenschaften von Stress kann zeigen, wie Stress neuronale Verbindungen und damit die Gehirnfunktion beeinflusst. Dieses Wissen ist notwendig, um Strategien zur Vorbeugung oder Behandlung dieser häufigen stressbedingten neurologischen Störungen zu entwickeln, so die Wissenschaftler.

  • Neben Si-Qiong June Liu, Professor für Zellbiologie und Anatomie an der LSU Health New Orleans School of Medicine gehörten Crhistian Bender, Xingxing Sun, Muhammad Farooq, Quan, Yang, Caroline Davison, Matthieu Maroteaux, Yi-shuian Huang und Yoshihiro Ishikawa von der LSU Health New Orleans School of Medicine, Abteilung für Zellbiologie und Anatomie, Academia Sinica in Taipeh, Taiwan und der Yokohama City University Graduate School of Medicine (横浜市立大学Yokohama Shiritsu Daigaku ) in Yokohama, Japan, zu den Mitgliedern des Forschungsteams. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift JNeurosci, dem Journal of Neuroscience, veröffentlicht.

Quellen

  • Louisiana State University Health Sciences Center / JNeurosci
  • Bender CL, Sun X, Farooq M, Yang Q, Davison C, Maroteaux M, Huang YS, Ishikawa Y, Liu SJ. Emotional Stress Induces Structural Plasticity in Bergmann Glial Cells via an AC5-CPEB3-GluA1 Pathway. J Neurosci. 2020 Apr 22;40(17):3374-3384. doi: 10.1523/JNEUROSCI.0013-19.2020. Epub 2020
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Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

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