Eine große klinische Studie der Universität Edinburgh hat ergeben, dass Blutdrucksenker gleichermaßen wirksam sind, wenn sie morgens oder abends eingenommen werden.
- Damit werden frühere Forschungsergebnisse widerlegt, die davon ausgingen, dass blutdrucksenkende Medikamente wie am Abend wirksamer sind.
Als sogenannte Blutdrucksenker gelten etwa Betablocker, Diuretika, ACE-Hemmer und AT₁-Antagonisten und Kalziumantagonisten.
Blutdrucksenkende Medikamente gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland.
Zwischen sieben und neun Millionen Menschen nehmen allein in England Blutdrucksenker zur Verringerung ihres Risikos für Herz- und Kreislauferkrankungen ein.
ÜBERSICHT
- 1 Blutdruckmedikamente morgens oder abends
- 2 Die Senkung des Blutdrucks ist noch vorteilhafter als bislang angenommen
- 3 Die Risiken für Schlaganfall, Herzkrankheiten, Herzinsuffizienz und Tod sanken
- 4 Studie unterstreicht Bedeutung der langfristigen Behandlung von Bluthochdruck
- 5 Soziale Umstände haben großen Einfluss auf die Kontrolle von Bluthochdruck
Blutdruckmedikamente morgens oder abends
In dieser randomisiert-kontrollierten Studie mit mehr als 21.000 Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck (Hypertonie) wurde festgestellt, dass der Schutz vor Herzinfarkt, Schlaganfall oder Kreislauferkrankungen nicht davon abhängt, ob die Blutdruckmedikamente morgens oder abends eingenommen werden.
Die Teilnehmenden an der Studie nahmen mindestens ein Medikament zur Senkung des Blutdrucks ein. Die eine Hälfte wurde von den Forschern gebeten, ihre Medikamente abends einzunehmen, die andere Hälfte morgens.
- Nach einer fünfjährigen Nachbeobachtung der Versuchsteilnehmer wurde festgestellt, dass es keinen Unterschied in der Anzahl der Betroffenen gab, die einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder eine Kreislauferkrankung erlitten – in der Gruppe am Morgen waren es 362, in der Gruppe am Abend 390.
An der Studie waren Forscherteams der University of Edinburgh, der University of Dundee, der University of Glasgow und der University of Oxford sowie des Imperial College London und der Queen Mary University of London beteiligt.
- Die Kernaussage der Studie ist, dass es keinen optimalen Zeitpunkt für die Einnahme von Blutdrucktabletten gibt, um ein besseres Ergebnis zu erzielen.
Die Patientinnen und Patienten sollten ihre Blutdrucktabletten daher zu dem Zeitpunkt einnehmen, der ihnen am besten passt, sagt Professor David Webb, Christison Chair of Therapeutics and Clinical Pharmacology an der University of Edinburgh und Autor dieser Studie.
Die Studienergebnisse wurden in The Lancet veröffentlicht.
Die Senkung des Blutdrucks ist noch vorteilhafter als bislang angenommen
Die Einnahme von Blutdruckmedikamenten kann selbst bei Menschen mit normalem Blutdruck Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindern. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Forschungsergebnisse, die auf dem ESC-Kongress der European Society of Cardiology vorgestellt wurden.
- Die medikamentöse Senkung des Blutdrucks führt zu einer stärkeren Verringerung des Risikos von Herzinfarkten und Schlaganfällen, erklärte Studienleiter Professor Kazem Rahimi von der University of Oxford, Großbritannien.
Dies gelte unabhängig von der Höhe des Ausgangsblutdrucks, bei Menschen, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, und bei Menschen, die noch nie eine Herzerkrankung hatten.
Dass die Auswirkungen für alle ähnlich sind, bedeutet allerdings nicht, dass sich alle behandeln lassen sollten, fügte der Wissenschaftler hinzu.
Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person in Zukunft eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erleidet – dazu gibt es eine Reihe von Risikorechnern, die Mediziner/innen nutzen können.
Auch die möglichen Nebenwirkungen und die Kosten der Behandlung sind zu berücksichtigen.
Es wird kontrovers diskutiert, ob eine medikamentöse Blutdrucksenkung bei Menschen mit oder ohne früheren Herzinfarkt oder Schlaganfall und bei einem Blutdruck unter dem Schwellenwert für Bluthochdruck (in der Regel 140/90 mmHg) gleichermaßen von Vorteil ist.
Die Erkenntnisse aus früheren Studien waren nicht eindeutig, was zu widersprüchlichen Behandlungsempfehlungen auf der ganzen Welt geführt hat.
- Die vorliegende Forschungsarbeit war die größte – und detaillierteste – Studie, die bisher durchgeführt wurde, um diese Fragen zu untersuchen.
Die Forscher fassten die Daten von Personen zusammen, die an einer randomisierten klinischen Studie teilgenommen hatten, und führten eine Meta-Analyse durch. Die Untersuchung umfasste 348.854 Teilnehmende aus insgesamt 48 Studien.
Dabei wurden die Studienteilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt: diejenigen mit einer vorherigen Diagnose einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und diejenigen ohne.
Beide Gruppen wurden anhand des systolischen Blutdrucks bei Studienbeginn in sieben Untergruppen eingeteilt (weniger als 120, 120-129, 130-139, 140-149, 150-159, 160-169, 170 und mehr mmHg).
Die Risiken für Schlaganfall, Herzkrankheiten, Herzinsuffizienz und Tod sanken
Bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von vier Jahren senkte jede Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg das relative Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse um etwa 10 Prozent.
Die Risiken für Schlaganfall, ischämische Herzkrankheiten, Herzinsuffizienz und Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sanken um 13 Prozent, 7 Prozent, 14 Prozent bzw. 5 Prozent.
- Der Behandlungseffekt wurde weder durch das Vorliegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung noch durch die Höhe des Blutdrucks bei Studienbeginn beeinflusst.
Nach Ansicht von Professor Rahimi sollte die Entscheidung, Blutdruckmedikamente zu verschreiben, nicht einfach auf einer früheren Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder dem aktuellen Blutdruck eines Menschen beruhen.
Blutdruckmedikamente sollten vielmehr als wirksames Mittel zur Verringerung des kardiovaskulären Risikos angesehen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls erhöht ist.
Studie unterstreicht Bedeutung der langfristigen Behandlung von Bluthochdruck
Die Ergebnisse der richtungsweisenden SPRINT-Studie (Systolic Blood Pressure Intervention Trial), die im Jahr 2015 veröffentlicht wurden, zeigten, dass eine intensive Blutdruckbehandlung Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Sterberisiko reduziert.
Die Ergebnisse der SPRINT MIND-Studie aus dem Jahr 2019 zeigten, dass die Senkung des Blutdrucks auch das Risiko einer leichten kognitiven Beeinträchtigung bei älteren Erwachsenen verringert.
Forscherinnen und Forscher der Wake Forest University School of Medicine haben inzwischen gezeigt, dass eine intensive Blutdruckkontrolle zwar während der Studie für die Gesundheit der SPRINT-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer von Vorteil war.
- Der positive Effekt auf die herzkreislaufbedingte Sterblichkeit verschwand aber nach etwa zwei Jahren wieder, nachdem die entsprechenden Behandlungspläne nicht mehr eingehalten wurden.
Die Langzeitwirkung der umfassenden SPRINT-Behandlung stand im Vordergrund, sagt Nicholas Pajewski, Dozent für Biostatistik und Datenwissenschaft an der Wake Forest University School of Medicine und korrespondierender Autor der Studie.
- Die Resultate sind zwar enttäuschend, aber nicht überraschend. Menschen mit Bluthochdruck (Hypertonie) müssen ihren Blutdruck ein Leben lang unter Kontrolle halten.
Die von Dr. David Reboussin, Professor für Biostatistik und Datenwissenschaft an der Wake Forest University School of Medicine, geleitete SPRINT-Studie bestätigte, dass bei Erwachsenen ab 50 Jahren mit Bluthochdruck (Hypertonie) ein systolischer Blutdruck von weniger als 120 Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Herzversagen sowie Schlaganfall um 25 Prozent reduziert.
- Außerdem sank das Sterberisiko um 27 Prozent – im Vergleich zu einem systolischen Blutdruck von 140 mm Hg.
Die Untersuchung begann im Herbst 2009 und umfasste mehr als 9.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 50 Jahren und älter, die aus rund 100 medizinischen Zentren und Praxen in den Vereinigten Staaten und Puerto Rico aufgenommen wurden.
Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip entweder einem systolischen Blutdruckziel von weniger als 120 mm HG (Intensivbehandlung) oder weniger als 140 mm HG (Standardbehandlung) zugewiesen.
Die National Institutes of Health (NIH) haben die Studie früher als ursprünglich geplant abgeschlossen, um die bedeutenden vorläufigen Ergebnisse schnell zu veröffentlichen, was zu neuen Richtlinien für die Blutdruckkontrolle führte.
In der neuesten Studie brachten Pajewski und sein Team die teilnehmenden Personen mit dem National Death Index von 2016 bis 2020 in Verbindung, wodurch die Sterblichkeitsrate nach Abschluss der Studie um 4,5 Jahre verlängert werden konnte. Zudem untersuchten sie die elektronischen Gesundheitsakten der Studienteilnehmer auf ambulante Blutdruckmessungen.
Abgesehen davon, dass der Nutzen der intensiven Behandlung für die kardiovaskuläre Sterblichkeit abnahm, stellten die Autoren der Studie einen allmählichen Anstieg des Blutdrucks bei den Teilnehmern der intensiven Behandlungsgruppe fest, so dass es vier oder fünf Jahre nach Abschluss der Studie keinen Unterschied mehr zwischen den Gruppen beim systolischen Blutdruck zu geben schien.
- Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler daraus ist eindeutig. Eine dauerhafte Blutdruckkontrolle ist notwendig, um die Zahl der tödlichen Herz-Kreislauf-Vorfälle weiter zu senken.
Die Ergebnisse der Studie wurden online in JAMA Cardiology veröffentlicht.
Soziale Umstände haben großen Einfluss auf die Kontrolle von Bluthochdruck
Ein Forschungsartikel, der in den Mayo Clinic Proceedings veröffentlicht wurde, unterstreicht den beträchtlichen Einfluss sozialer Rahmenbedingungen auf die Wahrscheinlichkeit, dass Patientinnen und Patienten ihren Bluthochdruck unter Kontrolle halten.
- Diese umfassende klinische Studie, die bei Ochsner Health durchgeführt wurde, zeigt, dass die Gesundheitssysteme und die Gesellschaft ihre Praktiken verbessern und wichtige Gesundheitsbarrieren besser erkennen, messen und angehen müssen.
Ziel der klinischen Studie war es, herauszufinden, ob bestimmte soziale Faktoren des Gesundheitszustands eine sonst unsichtbare Barriere für Menschen darstellen, die ihren Blutdruck kontrollieren wollen. Ferner sollte untersucht werden, ob sich die Kontrolle des Bluthochdrucks in der schwarzen Bevölkerung signifikant von der weißer Menschen unterscheidet.
Für die Studie wurden digitale Hilfsmittel wie Smartphones, ein kabelloses Blutdruckmessgerät und ein digitales Managementprogramm für Personen mit erhöhtem Blutdruck eingesetzt, die sich angemeldet hatten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten regelmäßig einen Fragebogen, in dem die mit Bluthochdruck zusammenhängenden Faktoren wie Natrium– und Alkoholkonsum, Depressionen, Medikamententreue, körperliche Aktivität und ein Screening auf obstruktive Schlafapnoe erfasst wurden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sammelten zusätzliche Informationen, die sich auf das Behandlungsmanagement chronischer Krankheiten auswirken, darunter die Patientenaktivierung, die die Bereitschaft und Fähigkeit einer Person misst, eigenständig Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Gesundheit und Versorgung zu managen.
In der Studie wurden auch die finanzielle Belastung durch die Kosten für Medikamente und die Gesundheitskompetenz gemessen. Diese Messgrößen wurden als „Gesundheitsbarrieren“ bezeichnet.
Im Rahmen der Studie wurden über 3.300 Personen mit unkontrolliertem Blutdruck untersucht. Dabei zeigte sich, dass unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit das Vorliegen einer der drei gemessenen Barrieren die Blutdruckkontrolle deutlich verschlechterte.
- Personen mit schlecht eingestelltem Bluthochdruck und ohne Barrieren erreichten nach einem Jahr eine Kontrollrate von 73 Prozent. Bei den Menschen mit einem Hindernis sank die Blutdruckkontrollrate auf 60 Prozent, während sie bei Menschen mit zwei oder mehr Hindernissen weiter auf 55 Prozent sank.
Laut Dr. Milani sind es vor allem soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, die die Blutdruckkontrolle bei schwarzen und weißen Patientinnen und Patienten beeinflussen, und es gibt keine rassenbedingte Disparität.
Quellen
- University of Edinburgh
- European Society of Cardiology
- National Institutes of Health (NIH)
- Byron C. Jaeger et al, Longer-Term All-Cause and Cardiovascular Mortality With Intensive Blood Pressure Control, JAMA Cardiology (2022). DOI: 10.1001/jamacardio.2022.3345
- Isla S Mackenzie et al, Cardiovascular outcomes in adults with hypertension with evening versus morning dosing of usual antihypertensives in the UK (TIME study): a prospective, randomised, open-label, blinded-endpoint clinical trial, The Lancet (2022). DOI: 10.1016/S0140-6736(22)01786-X
- Richard V. Milani et al, Racial Differences and Social Determinants of Health in Achieving Hypertension Control, Mayo Clinic Proceedings (2022). DOI: 10.1016/j.mayocp.2022.01.035
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Richtige Ernährung bei Bluthochdruck
Quelle: Youtube/SWR Landesschau Rheinland-Pfalz
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