Universität von Toronto: Forschern gelingt es den Ausbruch von Amyotrophen Lateralsklerose zu verzögern

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Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 10.12.2020, Lesezeit: 5 Minuten

ALS-Behandlungsansatz: Wissenschaftlern ist es gelungen, den Ausbruch von Amyotropher Lateralsklerose – einer bislang nicht heilbaren degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems – bei Mäusen zu verzögern.

Das Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Forschern der Universität von Toronto ist optimistisch, dass die erzielten Resultate in Verbindung mit anderen klinischen Fortschritten auf eine mögliche Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose beim Menschen hindeutet.

ALS wird durch die Degeneration und den Verlust von Nervenzellen verursacht, die die Muskeln kontrollieren. Derzeit gibt es keine Heilung für Amyotropher Lateralsklerose, von der in Deutschland circa 8.000 Menschen betroffen sind.

In dem Experiment konnten die Forscher die Krankheit stark verzögern, indem sie die Degeneration von Neuronen im Kortex des Gehirns verhindert haben.

Dadurch wurden typische Symptome von Amyotropher Lateralsklerose (ALS) wie die Verschlechterung der motorischen Fähigkeiten und Gewichtsabnahme verzögert. Außerdem erhöhte sich dadurch die Überlebensrate.

Die beschriebenen Ergebnisse wurden bei Mäusen erzielt, die dieselbe Genmutation (SOD1) besaßen, die auch bei einigen menschlichen Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose gefunden wurde. Die Wissenschaftler zielten auf Neuronen im motorischen Kortex – der Region des Gehirns, die die Muskeln steuert – mit einem manipulierten Protein ab, das ein Ungleichgewicht in den Neuronen korrigieren soll, das als Übererregbarkeit bezeichnet wird.

Die Neuronen kommunizieren miteinander durch synaptische Übertragung, die sowohl die Freisetzung chemischer Neurotransmitter als auch elektrische Aktivität einschließt, so die Autoren der Studie. Diese Kommunikation kann entweder stimulierend (erregend) oder hemmend sein.

Bei einem gesunden Gehirn sorgt ein Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung für eine einwandfreie Gehirnfunktion – so können Menschen mathematische Probleme lösen, Erinnerungen abrufen und Emotionen empfinden. Zu viel Erregung in den Nervenzellen des Gehirns kann jedoch zu neurologischen Störungen wie Anfällen, Epilepsie, neuropathischen Schmerzen, Störungen des Autismus-Spektrums, Schizophrenie und Amyotropher Lateralsklerose führen.

Während menschliche SOD1-Genmutationsträger in den zehn Jahren vor dem Ausbruch von Amyotropher Lateralsklerose eine ausgeprägte kortikale Übererregbarkeit aufweisen, war nicht klar, ob dies eine Ursache für die neuronale Degeneration ist.

Den Forschern war schon vorher bewusst, dass es ein sehr tiefgreifendes Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung in der Region des Gehirns gibt, die die Bewegungen steuert und kontrolliert.

Es war allerdings nicht klar, ob diese Übererregbarkeit den Ausbruch von Symptomen verursacht hat. Nunmehr besteht den Forschern zufolge Gewissheit, dass bei den ALS-Mäusen mit einer SOD1-Mutation die Übererregbarkeit im motorischen Kortex eine Ursache für den Ausbruch der Krankheit ist.

Ein Weg zu einer möglichen Behandlung beim Menschen mit ALS

Das Ergebnis ist wichtig, denn es zeigt einen Weg für eine mögliche Behandlung beim Menschen auf, so Melanie Woodin, Professorin an der Universität von Toronto und Mitautorin der Studie. Die Zuversicht, dass das die Ergebnisse und Erkenntnisse der vorliegenden Studie schließlich zu einer Behandlung für Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) führen könnte, wird durch den Umstand untermauert, dass sie Fortschritte enthält, die bisher noch nicht gemeinsam genutzt werden konnten, aber für sich allein nachgewiesen sind.

Die Wissenschaftler kombinierten Fortschritte in der Virustechnologie mit einer revolutionären Technik in den Neurowissenschaften, der so genannten Chemogenetik. Dabei werden Proteine, deren Struktur verändert wurde, über ein Virus in Mäuse eingeschleust und an Neuronen im primären motorischen Kortex abgegeben.

Dort angelangt, wurden sie mit einem pharmazeutischen Medikament aktiviert – allerdings einem, das für den Einsatz beim Menschen nicht zugelassen ist. Andere Wissenschaftler zeigten jedoch, dass ein Arzneimittelwirkstoff, das für die Behandlung bestimmter psychiatrischer Störungen beim Menschen zugelassen ist, das Protein ebenfalls aktivieren kann.

Die Entdeckung dieses Arzneimittelwirkstoffs hat die Arbeit der Forscher grundlegend verändert und letztlich hat diese Entdeckung einen Weg für die klinische Anwendung aufgezeigt, der zuvor nicht vorhanden war, als die Forscher ihre Hypothese entwickelten.

Die in der aktuellen Studie eingesetzte Chemogenetik, wird zwar derzeit nicht bei menschlichen Patienten verwendet, zum Teil wegen der Herausforderung, das chemogenetische „Werkzeug“ den richtigen Neuronen zuzuführen. Aber eine Innovation, die von Dr. Lorne Zinman und Dr. Agessandro Abrahao für den Einsatz beim Menschen entwickelt wurde, bietet eine vielversprechende Alternative.

Zinman und Abrahao testen ein nicht-invasives Verfahren zur Verabreichung therapeutischer Wirkstoffe an den motorischen Kortex von Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose. Das Gehirn wird dabei durch eine natürliche Barriere geschützt, die Krankheitserreger wie Bakterien und Viren fernhält – aber auch Therapeutika wie Medikamente und Proteine. Mit der neuen Technik kann die Blut-Hirn-Schranke vorübergehend und sicher geöffnet werden, um ein Protein in die Zielregionen des Gehirns zu bringen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der wissenschaftlichen Zeitschrift Brain veröffentlicht.

(Quellen: University of Toronto / Brain)

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