Achtsamkeitstherapie versus Schlafhygiene bei Schlafstörungen: Wissenschaftler der NUS Yong Loo Lin School of Medicine haben in einer wissenschaftlichen Untersuchung herausgefunden, dass zur Verbesserung der Schlafqualität eine auf Achtsamkeit basierende Therapie effektiver ist als ein aktives Schlafhygiene-Programm.
Schlafprobleme beziehungsweise Schlafstörungen sind ein weit verbreitetes Phänomen. Bis zu 50 Prozent der Erwachsenen in Singapur berichten über unzureichenden oder unbefriedigenden Schlaf.
Auch in Deutschland leiden immer mehr Menschen unter Schlafproblemen. Seit 2010 sind laut des DAK-Gesundheitsreports von 2017 die Schlafstörungen bei Berufstätigen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren um zwei Drittel angestiegen. Einer repräsentativen Untersuchung zufolge fühlen sich 80 Prozent der Arbeitnehmer davon betroffen ( https://www.dak.de/dak/bundesthemen/muedes-deutschland-schlafstoerungen-steigen-deutlich-an-2108960.html#/ )
Die Schlafqualität verschlechtert sich zudem tendenziell mit zunehmendem Alter. Schlafmangel und Schlaflosigkeit sind modifizierbare Risikofaktoren für zahlreiche Erkrankungen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie kognitive Beeinträchtigungen.
Bislang wird Schlaflosigkeit zumeist entweder mit Medikamenten oder psychologischen Maßnahmen behandelt. Allerdings haben selbst Behandlungen, wie die kognitive Verhaltenstherapie, ihre Grenzen – bis zu 40 Prozent der Patienten verspüren keine Linderung ihrer Schlaflosigkeitssymptome, nachdem sie sich einer solchen Therapie unterzogen haben, so die Autoren der Studie.
Auf der Suche nach alternativen Ansätzen zur Behandlung von Schlaflosigkeit wandte sich Studienleiter Assistant Professor Julian Lim von der Yong Loo Lin School of Medicine der National University of Singapore (NUS) der achtsamkeitsbasierten Behandlung zu.
Achtsamkeit ist das bewusste Wahrnehmen von Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen von Moment zu Moment und die Fähigkeit, diese Erfahrungen zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten oder auf sie zu reagieren. Achtsamkeitsübungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit als Mittel zum Stressabbau, zur Behandlung von psychischen Problemen und zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens, was auch wissenschaftlich belegt ist.
Die randomisierte, kontrollierte Studie der Forscher verglich eine achtsamkeitsbasierte Therapie für Schlaflosigkeit (MBTI) mit einem aktiven Schlafhygiene-, Schulungs- und Bewegungsprogramm (SHEEP), um zu sehen, ob ersteres die Schlafergebnisse bei älteren Erwachsenen mit Schlafbeschwerden verbessern kann.
Insgesamt 127 Teilnehmer im Alter von 50 bis 80 Jahren wurden nach dem Zufallsprinzip auf die beiden Programme aufgeteilt – 65 erhielten eine achtsamkeitsbasierte Therapie für Schlaflosigkeit (MBTI), während 62 das SHEEP-Programm durchliefen. Beide Behandlungsmethoden bestanden aus acht wöchentlichen Sitzungen, die jeweils zwei Stunden dauerten.
Der MBTI-Kurs beinhaltete formale Achtsamkeitsübungen wie achtsames Essen, Sitzmeditation, achtsame Bewegung und Bodyscans. Es folgte eine Gruppendiskussion über die Erfahrungen der vergangenen Woche sowie die Anwendung von Praktiken und Prinzipien der Achtsamkeit, die sich direkt auf die Schlafprobleme der Probanden bezogen. Außerdem wurden den Testpersonen gute Schlafgewohnheiten und Verhaltensstrategien beigebracht, die sie zur Verbesserung ihres Schlafes einsetzen können.
Der SHEEP-Kurs hingegen vermittelte den Teilnehmern Informationen über die Schlafbiologie, die Selbstbeobachtung des Schlafverhaltens und lehrte sie, Veränderungen in ihren Gewohnheiten und ihrer Umgebung vorzunehmen, die die Schlafqualität verbessern können. Die Teilnehmer erlernten und praktizierten auch schlaffördernde Übungen wie Zwerchfellatmung, morgendliche und abendliche Dehnungsbewegungen und progressive Muskelentspannung.
Obwohl sich die Schlafqualität insgesamt verbesserte, erwies sich achtsamkeitsbasierte Therapie für Schlaflosigkeit (MBTI) in der Studie als effektiver bei der Reduzierung der Schlaflosigkeitssymptome im Gegensatz zum SHEEP-Programm. Zusätzlich führte die MBTI-Methode zu beobachtbaren Verbesserungen, wenn der Schlaf mit Hilfe von Aktivitätsmonitoren, die am Handgelenk getragen wurden, objektiv gemessen wurde, und durch Aufzeichnung der elektrischen Gehirnaktivität, während die Studienteilnehmer zu Hause schliefen.
Diese objektiven Messungen zeigten, dass die MBTI-Teilnehmer weniger Zeit brauchten, um einzuschlafen, und weniger Zeit während der Nacht wach waren.
Schlaflosigkeit steht in engem Zusammenhang mit Hyperarousal, also dem Unvermögen, das „Kampf-oder-Flucht“-System abzuschalten, wenn es Zeit ist zu schlafen, so die Forscher.
Sie beginnt typischerweise aufgrund eines auslösenden stressigen Ereignisses und bleibt bestehen, da manche Menschen im weiteren Verlauf schlechte Schlafgewohnheiten und störende Gedanken über den Schlaf entwickeln.
Mit verhaltensbezogenen Strategien spricht die MBTI-Therapie die schlechten Schlafgewohnheiten den Forschern zufolge direkt an, beispielsweise indem sie die Menschen ermutigt, das Bett zu verlassen, wenn sie Schwierigkeiten beim Einschlafen haben, um die assoziative Verbindung zwischen dem Bett und gutem Schlaf wiederherzustellen, sowie mit Achtsamkeitstechniken, um die Menschen mit flexibleren Strategien auszustatten, mit störenden oder aufwühlenden Gedanken umzugehen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie der NUS Yong Loo Lin School of Medicine wurden in der Fachzeitschrift Psychological Medicine unter dem Titel „Mindfulness-based therapy for insomnia for older adults with sleep difficulties: a randomized clinical trial“ veröffentlicht.
(Quellen: Centre for Sleep and Cognition, Yong Loo Lin School of Medicine, National University of Singapore, Singapore / Psychological Medicine)
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