Studie: Wie das Gehirn Sprache von Lärm unterscheidet

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung

Torsten Lorenz, aktualisiert am 21. Dezember 2020, Lesezeit: 4 Minuten

In einer wissenschaftlichen Studie haben Forscher der Lehigh University erstmals den physiologischen Nachweis erbracht, dass ein allgegenwärtiges Neuromodulationssystem – eine Gruppe von Neuronen, die die Funktion von spezialisierteren Neuronen regulieren – die Schallverarbeitung in einer wichtigen auditorischen Region des Gehirns stark beeinflusst.

Dieser Neuromodulator, Acetylcholin, kann sogar dem Hauptschaltkreis des auditorischen Gehirns helfen, Sprache von Lärm zu unterscheiden.

Während der Einfluss dieser Modulatoren bislang überwiegend auf der Ebene des Neokortex, wo die komplexesten Berechnungen des Gehirns stattfinden, untersucht wurde, ist er auf den grundlegenderen Ebenen des Gehirns nur selten untersucht worden.

Die vorliegende Forschungsarbeit wurde von R. Michael Burger, Professor für Neurowissenschaften an der Lehigh University und Chao Zhang von der Lehigh University zusammen mit den Forschern Nichole Beebe und Brett Schofield von der Northeast Ohio Medical University und Michael Pecka von der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt.

Durch diese Studie wird wahrscheinlich das Augenmerk des Fachgebiets auf die Frage gelenkt, auf welche Weise neuronale Schaltkreise wie dieser, der weithin als „einfach“ gilt, in Wirklichkeit hochkomplex sind und wie höhere Hirnregionen einem modulierenden Einfluss unterliegen, so die Forscher.

Die Wissenschaftler führten elektrophysiologische Experimente und Datenanalysen durch, um zu zeigen, dass die Zufuhr des Neurotransmitters Acetylcholin, eines allgegenwärtigen Neuromodulators im Gehirn, die Kodierung akustischer Informationen durch den medialen Nukleus des Trapezkörpers (MNTB) beeinflusst, der wichtigsten Quelle für die Hemmung mehrerer Schlüsselkerne im unteren auditorischen System.

MNTB-Neuronen wurden bisher als rechnerisch einfach angesehen, angetrieben durch eine einzige große exzitatorische Synapse und beeinflusst durch lokale inhibitorische Eingänge. Das Forscherteam konnte zeigen, dass zusätzlich zu diesen Eingangssignalen eine Acetylcholin-Modulation die neuronale Unterscheidung von Tönen und Geräuschreizen verbessert, was zur Verarbeitung wichtiger akustischer Signale wie Sprache beitragen kann. Ferner beschreiben die Forscher neue anatomische Projektionen, die Acetylcholin-Eingänge zum MNTB liefern.

R. Michael Burger, Professor für Neurowissenschaften an der Lehigh University untersucht den Schaltkreis von Neuronen, die miteinander „verdrahtet“ sind, um die spezialisierte Funktion der Berechnung der Orte, von denen Töne im Raum ausgehen, auszuführen. Er beschreibt die Neuromodulatoren als breitere, weniger spezifische Schaltkreise, die die hochspezialisierten überlagern.

Durch diese Modulation scheinen nach Ansicht von Burger diese Neuronen schwache Signale im Rauschen erkennen zu können. Man kann sich diese Modulation so vorstellen, als würde man die Position einer Antenne verschieben, um das Rauschen eines Radiosenders zu beseitigen.

In der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit zeigen die Forscher, dass modulatorische Schaltkreise eine tiefgreifende Wirkung auf die Neuronen in den Schaltkreisen zur Schalllokalisierung haben, und zwar auf einer sehr niedrigen, grundlegenden Ebene des auditorischen Systems.

Des Weiteren haben die Forscher im Rahmen dieser Studie zum ersten Mal eine Reihe von völlig unbekannten Verbindungen im Gehirn zwischen den modulatorischen Zentren und diesem wichtigen Bereich des auditorischen Systems identifiziert.

Nach Ansicht von Burger und Zhang könnten diese Forschungsergebnisse ein neues Licht auf den Beitrag der Neuromodulation zu grundlegenden Berechnungsprozessen in den Schaltkreisen des auditorischen Hirnstamms werfen. Ferner haben sie auch Auswirkungen auf das Verständnis, wie andere sensorische Informationen im Gehirn verarbeitet werden.

Die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler wurden in einem Artikel mit dem Titel Endogenous Cholinergic Signaling Modulates Sound-evoked Responses of the Medial Nucleus of the Trapezoid Body“ beschrieben, der in dem Fachblatt Journal of Neuroscience veröffentlicht wurde.

(Quellen: JNeurosci: The Journal of Neuroscience / Lehigh University / Funder: NIH/NIDCD, NIH)

Der Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Die Erinnerung an bestimmte Episoden ist die Grundlage des autobiografischen Gedächtnisses, aber bislang ist nicht klar, wie das Gehirn die Erfahrung strukturiert, um sie langfristig zu speichern. Ein Team der Fakultät für Psychologie der Universität Barcelona und des Bellvitge Biomedical Research Institute (BELLVITGE) hat nun einen…
Was passiert unter Stress und welche Folgen können Stresssituationen für den Menschen haben haben? Stress ist ein normaler Bestandteil des Lebens und kann ein nützliches Instrument zur Bewältigung schwieriger Situationen sein. Schwerer Stress oder traumatische Erlebnisse können jedoch erhebliche negative Auswirkungen auf die körperliche und geistige…
University of Connecticut – Wirkung von Melatonin: Wie wirkt Melatonin im Körper? Melatonin ist als Schlafmittel und zur Überwindung des Jetlag bekannt. Aber wie Melatonin im Gehirn funktioniert, ist bisher nicht wirklich bekannt. Wirkung von Melatonin im Gehirn Nun konnten Forscher an der UConn Health (University…
Verhaltensänderung, Entscheidungsfindung und schnelleres Lernen: Noradrenalin, ein körpereigener Botenstoff, der als Stresshormon und Neurotransmitter wirkt, ist für die Reaktionen des Menschen auf unsichere Situationen verantwortlich. Noradrenalin hilft dem Menschen dabei, schnell zu lernen und sein Verhalten anzupassen, wie eine Studie von Wissenschaftlern der University of Cambridge…
Forscher am Dartmouth College in den USA haben in einer wissenschaftlichen Studie die „Lautstärkeregelung“ im Gehirn identifiziert, die das Lernen und das Gedächtnis unterstützt. Die Entdeckung könnte bei der Behandlung neurologischer Störungen wie zum Beispiel Alzheimer, Parkinson und Epilepsie helfen. ÜBERSICHT1 Studie findet „molekularen Regler“ im…
Neurowissenschaft: Wie Angst im Gehirn entsteht: Wenn ein Mensch von einer unheimlichen Kreatur erschreckt wird, kann es sein, dass das Gehirn seine angstverarbeitenden Schaltkreise aktiviert und das Herz rasen lässt, um der Bedrohung zu entkommen. Es ist auch die Aufgabe der angst-verarbeitenden Schaltkreise des Gehirns, dafür…
Wirkung von Yoga auf das Gehirn: Studie untersucht Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und kognitivem Altern. Bereits seit Jahrzehnten wissen Forscher, dass Aerobic das Gehirn stärkt und zum Wachstum neuer Neuronen beiträgt, aber nur wenige Studien haben untersucht, wie Yoga das Gehirn beeinflusst. Ein Überblick über die…
Alzheimer- und Parkinson-Forschung – Alle neurodegenerativen Erkrankungen haben einen gemeinsamen Nenner: das Auftreten von Proteinklumpen im Gehirn wie Amyloid-beta-Plaques bei der Alzheimer-Krankheit und Alpha-Synuklein-Aggregate bei der Parkinson-Krankheit. Die Grundursache für diese Ansammlung war schwer zu lokalisieren, aber Wissenschaftler der Rockefeller Universität haben einen wahrscheinlichen Verursacher identifiziert,…
Heute Abend, während du schläfst, wird etwas Erstaunliches in deinem Gehirn passieren. Deine Neuronen werden ruhig. Ein paar Sekunden später fließt Blut aus deinem Kopf. Dann strömt eine wässrige Flüssigkeit namens Liquor in das Gehirn und wird in rhythmischen, pulsierenden Wellen durch das Gehirn gespült. Eine…

Lärmbelastung: Welche Krankheiten durch Lärm entstehen können

Lärmbelastung: Welche Krankheiten durch Lärm entstehen können

Lärmbelastungen: Arbeitsplatz, Freizeit und Nachbarschaft - Ein internationales Forscherteam kommt in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet...

Forscher bringen Schlaganfall-Risiko mit Umgebungslärm in Verbindung

Forscher bringen Schlaganfall-Risiko mit Umgebungslärm in Verbindung

Mit jedem Anstieg des Außenlärms um 10 Dezibel (dBA) erhöht sich das Schlaganfallrisiko für Menschen über 45 Jahren um ......

Windturbinen-Lärm beeinträchtigt Traumschlaf (REM-Schlaf)

REM-Schlaf: Windturbinen-Lärm beeinträchtigt den Traumschlaf

REM-Schlaf zu kurz durch Lärm von Windturbinen? Die Forscher wollten herausfinden, ob Menschen, die dem Lärm von Windkraftanlagen ausgesetzt sind, mit ......

Auto

Ein neuer Sensor löst Alarm aus, wenn Kinder in Autos zurückgelassen wurden

Wissenschaftler haben einen kleinen, kostengünstigen Sensor entwickelt, um Kinder und Haustiere zu retten, die in Fahrzeugen zurückgelassen wurden ......

Nach den Ergebnissen einer aktuellen Studie, die von Wissenschaftlern der Penn State University geleitet wurde, kann eine geringe sexuelle Befriedigung im mittleren Lebensalter als Frühwarnindikator für eine künftige kognitive Verschlechterung dienen. Die Studie, die an Hunderten von Männern im Alter von 56 bis 68 Jahren durchgeführt…
Genetische Risikofaktoren, Body-Mass-Index und Typ-2-Diabetes-Risiko: Bedeutet ein niedriger Body-Mass-Index ein geringeres Diabetes-Risiko? Ein niedrigerer Body-Mass-Index (BMI) ist bei Menschen unabhängig von genetischen Risikofaktoren, unterschiedlicher Familienanamnese und Gewicht konsistent mit einem geringeren Typ-2-Diabetes-Risiko verbunden. Dies geht aus einer Studie von Manuel Rivas von der Stanford University und…