Studienergebnisse, Ursachen und Behandlung der Basedow-Krankheit

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M.A. Dirk de Pol, Veröffentlicht am: 18.07.2023, Lesezeit: 8 Minuten

Die Basedow-Krankheit ist eine Autoimmunerkrankung, die zu einer Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) oder einer überaktiven Schilddrüse führt (1). Sie wird durch Antikörper verursacht, die den Rezeptor des thyreotropen Hormons (TSH) aktivieren und so eine übermäßige Produktion von Schilddrüsenhormonen bewirken (2). Die Basedow-Krankheit betrifft etwa 1 von 200 Menschen und tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern (3).  Es gibt keine präzisen Daten zur Prävalenz von Morbus Basedow in Deutschland. In Ländern mit angemessener Jodversorgung wird die Prävalenz bei Frauen auf zwei bis drei Prozent geschätzt, während sie bei Männern etwa ein Zehntel dieser Rate beträgt. Die jährliche Inzidenzrate neuer Fälle liegt bei einem pro 1000 Einwohner. 

Was sind Ursachen und Risikofaktoren bei Basedow?

Die genaue Ursache der Basedow-Krankheit ist unbekannt, aber sie ist wahrscheinlich eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Auslösefaktoren (4). Morbus Basedow ist eine komplexe Autoimmunerkrankung, die sowohl genetische als auch äußere Faktoren involviert. Durch ein besseres Verständnis von Morbus Basedow können Betroffene und Mediziner effektive Strategien zur Bewältigung und Behandlung entwickeln.

Genetische Prädisposition und äußere Einflüsse

Morbus Basedow wird durch eine Kombination von genetischer Veranlagung und äußeren Einflüssen verursacht. Auf der genetischen Ebene besteht ein Defekt des Immunsystems, der das Risiko für die Entwicklung der Erkrankung erhöht. Äußere Faktoren wie psychosozialer oder emotionaler Stress, körperliche Belastungen sowie Umwelteinflüsse wie Rauchen oder Virusinfektionen können diesen genetischen Defekt verstärken. Es ist jedoch noch nicht bekannt, welche spezifischen Auslöser die Erkrankung letztendlich in Gang setzen.

Die Rolle des Immunsystems und die Entstehung einer Autoimmunerkrankung

Bei Morbus Basedow bricht die Selbsttoleranz des Körpers gegenüber Schilddrüsenantigenen zusammen, was zur Entstehung einer Autoimmunerkrankung führt. Der Körper produziert Autoantikörper, die sich gegen das Schilddrüsengewebe richten. Diese Autoantikörper, die zur Immunglobulin-G-Klasse gehören, binden an den Rezeptor für das thyreotrope Hormon (TSH), das von der Hypophyse zur Regulation der Schilddrüsenfunktion gebildet wird. Die TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) besitzen eine intrinsische Aktivität am TSH-Rezeptor, wodurch sie die Follikelzellen der Schilddrüse stimulieren. Dadurch wird die Jodaufnahme in die Schilddrüse gesteigert und die Produktion sowie Freisetzung der Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) erhöht. Dies führt zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) und häufig zu einer Vergrößerung der Schilddrüse (Struma).

Unterschiedliche Ausprägungen von TSH-Rezeptor-Antikörpern

Es gibt verschiedene Typen von TSH-Rezeptor-Antikörpern mit unterschiedlichen Wirkungen. Neben den stimulierenden Antikörpern können auch nicht-stimulierende oder blockierende Antikörper auftreten. Veränderungen im Verhältnis dieser Antikörper zueinander können den klinischen Verlauf der Erkrankung beeinflussen.

Histopathologische Merkmale und assoziierte Autoimmunerkrankungen

Histopathologisch sind lymphozytäre Infiltrate in der Schilddrüse, den Augenmuskeln und dem Unterhautgewebe charakteristisch für Morbus Basedow. Des Weiteren ist Morbus Basedow mit dem HLA-DR3-Antigen assoziiert. Es wird häufig zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen beobachtet, darunter Typ-1-Diabetes, Typ-A-Gastritis, Myasthenia gravis, Lupus erythematodes, Morbus Werlhof, Vitiligo, Morbus Addison und chronische Polyarthritis. Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Genotypen, wie beispielsweise MICA A5.1/A5.1, das Auftreten der Erkrankung begünstigen können, während andere Genotypen, wie MICA A6/A9, eher eine schützende Wirkung haben könnten.

Zu den Risikofaktoren gehören:

  • Familienanamnese – Wenn ein Angehöriger ersten Grades an Basedow-Krankheit erkrankt ist, erhöht sich das Risiko um das bis zu 20-Fache (5). Genetische Faktoren im Zusammenhang mit dem Immunsystem spielen wahrscheinlich eine Rolle.
  • Geschlecht – Frauen haben ein 5- bis 10-fach höheres Risiko, an Basedow-Krankheit zu erkranken als Männer, möglicherweise aufgrund autoimmuner Effekte von Östrogen (6).
  • Alter – Am häufigsten zwischen 30 und 50 Jahren, kann aber jeden treffen.
  • Stress – Belastende Lebensereignisse können den Krankheitsbeginn auslösen.
  • Schwangerschaft – Die Basedow-Krankheit kann während oder nach der Schwangerschaft aufgrund immunologischer Veränderungen auftreten.
  • Rauchen – Zigarettenrauchen erhöht das Risiko für das Auftreten einer Augenerkrankung (Orbitopathie) bei Basedow-Krankheit.
  • Virusinfektionen – Virusinfektionen können Antikörper auslösen, die kreuzreaktiv mit der Schilddrüse reagieren.

Was sind die Symptome der Basedow-Krankheit?

Die häufigsten Symptome der Basedow-Krankheit sind (7):

  • Unerklärter Gewichtsverlust trotz normalem oder gesteigertem Appetit
  • Schneller Herzschlag, Herzklopfen, unregelmäßiger Herzschlag
  • Hitzeintoleranz, vermehrtes Schwitzen
  • Müdigkeit, Muskelschwäche
  • Schlafstörungen
  • Durchfall oder häufiger Stuhlgang
  • Seltener: Zittern der Hände, Muskelschwund, Haarausfall, brüchige Nägel

Basedow-Orbitopathie

Bis zu 50 % der Patienten mit Basedow-Krankheit entwickeln Augenprobleme, die als Basedow-Orbitopathie bezeichnet werden (8). Dies tritt auf, wenn Antikörper kreuzreaktiv mit Augenmuskeln und -geweben reagieren. Symptome:

  • Trockene, gereizte, hervorgewölbte Augen
  • Lichtempfindlichkeit, Doppeltsehen
  • Augenschmerzen, -rötung, -schwellung
  • Schwierigkeiten, die Augen vollständig zu schließen
  • Sehverlust bei schweren Fällen

Haut- und Knochenanomalien

Einige Patienten entwickeln zusätzliche Haut- und Knochenanomalien:

  • Basedow-Dermopathie – Verdickung und Rötung der Haut, meist an Schienbeinen und Füßen
  • Basedow-Akropachie – Schwellung von Händen und Füßen durch Entzündung und Trommelschlegelfinger/-zehen

Diagnose der Basedow-Krankheit

Bei Verdacht auf Basis der Symptome können folgende Untersuchungen die Diagnose bestätigen:

  • Schilddrüsenfunktionstests – Patienten mit Basedow-Krankheit haben erniedrigtes TSH und erhöhte T3- und T4-Spiegel, was auf eine Überfunktion hinweist.
  • Antikörpertestung – Bluttests auf stimulierende TSH-Rezeptor-Antikörper, die die Schilddrüse angreifen. Hohe Werte bestätigen die Autoimmunerkrankung.
  • Radiojod-Aufnahmetest – Beurteilt die Jodaufnahme der Schilddrüse. Erhöhte Aufnahme deutet auf Hyperthyreose hin.
  • Schilddrüsensonografie – Zeigt eine vergrößerte Schilddrüse mit erhöhtem Blutfluss.
  • Augenuntersuchung – Ein Ophthalmologe untersucht auf Anzeichen einer Orbitopathie.

Behandlung der Basedow-Krankheit

Die Behandlungsziele sind, die Hormonproduktion zu hemmen, Symptome zu lindern und möglichst eine Remission zu erreichen. Die wichtigsten Therapien:

  • Antithyreoidale Medikamente – Methimazol und Propylthiouracil blockieren die Hormonsynthese, um die Hyperthyreose zu kontrollieren. Sie heilen die Krankheit nicht.
  • Radiojodtherapie – Radioaktives Jod zerstört nach und nach Teile der Schilddrüse, um die Hormonproduktion zu reduzieren. Über 80 % entwickeln eine Hypothyreose und benötigen lebenslang Schilddrüsenhormon (9).
  • Chirurgie – Die teilweise oder vollständige Schilddrüsenentfernung heilt die Hyperthyreose. Wird eingesetzt, wenn andere Therapien versagen oder der Patient eine definitive Behandlung wünscht.
  • Betablocker – Hilfreich zur Kontrolle von Herzfrequenz und Tremor bis zur Besserung der Hyperthyreose.
  • Kortikosteroide – Zur Linderung schwerer Augenentzündungen bei Orbitopathie.

Lebensstil und Verlaufskontrollen

Zusätzlich zu den medizinischen Therapien können folgende Maßnahmen hilfreich sein:

  • Stressbewältigung, ausreichend Schlaf, Meditation, Psychotherapie und ggf. Antidepressiva (10). Stress kann Autoimmunerkrankungen verstärken.
  • Regelmäßige moderat-intensive körperliche Aktivität verbessert die Lebensqualität (11). Überanstrengung ist jedoch abträglich.
  • Rauchstopp und Alkoholreduktion bremsen den Krankheitsverlauf.
  • Sonnenbrillen, Augentropfen, hohes Kopfkissen und Vermeidung von Reizstoffen lindern Augenbeschwerden.

Regelmäßige Kontrollen der Schilddrüsenwerte und -untersuchungen sind wichtig, um den Therapieerfolg zu überwachen und Schilddrüsenkrebs auszuschließen. Auch augenärztliche Kontrollen sind entscheidend, um eine Verschlechterung der Orbitopathie und dauerhafte Sehschäden zu verhindern. Patienten mit stabiler Basedow-Krankheit sollten 1- bis 2-mal pro Jahr zum Endokrinologen. Häufigere Kontrollen erfolgen bei Dosisanpassungen (12).

Prognose

Bei adäquater Behandlung ist die Prognose der Basedow-Krankheit in der Regel sehr gut. Allerdings handelt es sich um eine lebenslange Erkrankung ohne bekannte Heilung. Bei den meisten Patienten stabilisieren sich die Schilddrüsenwerte innerhalb von 1 bis 2 Jahren nach Therapiebeginn. Nur 20 bis 30% erreichen nach 1 bis 2 Jahren medikamentöser Therapie eine anhaltende Remission (13). Die Übrigen benötigen eine lebenslange Behandlung oder Radiojodtherapie. Mit regelmäßigen Kontrollen und Lebensstilmaßnahmen können die meisten Patienten trotz Basedow-Krankheit ein normales Leben führen.

Quellen

  1. Bahn et al. Hyperthyroidism and other causes of thyrotoxicosis: management guidelines of the American Thyroid Association and American Association of Clinical Endocrinologists. Thyroid. 2011;21(6):593-646.
  2. Smith & Hegedüs. Graves’ disease. New England Journal of Medicine. 2016; 375(16):1552-1565.
  3. Hollowell et al. Serum TSH, T4, and thyroid antibodies in the United States population (1988 to 1994): National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III). The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. 2002;87(2):489-499.
  4. Effraimidis & Wiersinga. Mechanisms in endocrinology: autoimmune thyroid disease: old and new players. European Journal of Endocrinology. 2014;170(6):R241-R252.
  5. Brix et al. Major role of genes in the etiology of simple goiter in females: a population-based twin study. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. 2001;86(7):3071-3075.
  6. Prummel & Wiersinga. Smoking and risk of Graves’ disease. 1993; 269(4):479-482.
  7. Bahn et al. 2011.
  8. Bartalena et al. The 2016 European Thyroid Association/European Group on Graves‘ Orbitopathy Guidelines for the Management of Graves‘ Orbitopathy. European Thyroid Journal. 2016;5(1):9-26.
  9. Walter et al. Effects of antithyroid drugs on radioiodine treatment: systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Bmj. 2006;334(7592):514.
  10. Girardi et al. Acute mania and Graves‘ disease. General Hospital Psychiatry. 2013;35(6).
  11. Moreira et al. Exercise training provides additional benefits to hypothyroidism treatment: a short review. Rev Bras Med Esporte. 2019;25(4):364-9.
  12. Ross et al. 2016 American Thyroid Association guidelines for diagnosis and management of hyperthyroidism and other causes of thyrotoxicosis. 2016;26(10):1343-421.
  13. Abraham et al. A systematic review of drug therapy for Graves‘ hyperthyroidism. European journal of endocrinology. 2005;152(6):489-98.

Dieser Beitrag wurde auf der Grundlage wissenschaftlicher Fachliteratur und fundierter empirischer Studien und Quellen erstellt und in einem mehrstufigen Prozess überprüft.

Wichtiger Hinweis: Der Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

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