Alzheimer: Rolle des Lymphsystems im Gehirn bei Alzheimer

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Torsten Lorenz, aktualisiert am 01.12.2021, Lesezeit: 5 Minuten

Alzheimer-Forschung: Die Verbesserung des Lymphsystems des Gehirns bei der Verabreichung von Immuntherapien könnte einer neuen Studie an Mäusen zufolge zu besseren klinischen Ergebnissen bei Alzheimer-Patienten führen.

Die Studienergebnisse, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden, legen nahe, dass Behandlungen wie die Immuntherapien BAN2401 oder Aducanumab wirksamer sein könnten, wenn das Lymphsystem des Gehirns das Amyloid-beta-Protein, das sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ansammelt, besser ableiten kann.

Laut Dr. Richard J. Hodes, Direktor des National Institute on Aging (NIA), brachte eine breite Palette von Forschungsarbeiten zu Immuntherapien in der Entwicklung zur Behandlung von Alzheimer durch gezieltes Angreifen von Amyloid-beta bisher keine konsistenten Ergebnisse.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bedürfen zwar noch weiterer Bestätigung, aber die hier festgestellte Verbindung zwischen einem gut funktionierenden Lymphsystem im Gehirn und der Fähigkeit, die Anhäufung von Amyloid-beta zu verringern, könnte nach Meinung von Hodes ein wichtiger Schritt nach vorn bei der Verfolgung dieser Wirkstoffklasse sein.

Die abnorme Anhäufung von Amyloid-beta ist ein Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit. Das Lymphdrainagesystem des Gehirns, das Zelltrümmer und andere Abfälle abtransportiert, spielt eine wichtige Rolle bei dieser Ansammlung.

Eine Studie aus dem Jahr 2018 zeigte einen Zusammenhang zwischen beeinträchtigten Lymphgefäßen und vermehrten Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn alternder Mäuse, was darauf hindeutet, dass diese Gefäße eine Rolle beim altersbedingten kognitiven Abbau und bei Alzheimer spielen könnten.

Das Lymphsystem besteht aus Gefäßen, die neben den Blutgefäßen verlaufen und die Immunzellen und Abfallstoffe zu den Lymphknoten transportieren. Die Lymphgefäße reichen bis in die Hirnhäute, die Membranen, die das Gehirn und das Rückenmark umgeben.

In dieser neuen Studie wollte das Forscherteam herausfinden, ob eine Veränderung der Lymphdrainage im Gehirn die Amyloid-beta-Konzentration und den Erfolg von Antikörperbehandlungen gegen Amyloid-beta beeinflussen könnte. Anhand eines Mausmodells für Alzheimer im Frühstadium entfernten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einen Teil der Lymphgefäße im Gehirn einer Gruppe von Mäusen.

Sie behandelten diese Mäuse sowie eine Kontrollgruppe mit Injektionen von monoklonalen Antikörpertherapien, einschließlich einer Mausversion von Aducanumab.

Mäuse mit einem weniger gut funktionierenden Lymphsystem wiesen eine größere Ansammlung von Amyloid-beta-Plaques und anderen Immunzellen auf, die Entzündungen verursachen, was ein weiterer Faktor in der Entstehung der Alzheimer-Krankheit ist. Als die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Immunzellen in den Gehirnen menschlicher Alzheimer-Patienten mit denen der Mäuse verglichen, deren meningeales Lymphsystem geschädigt war, stellten sie außerdem fest, dass die genetischen Fingerabdrücke bestimmter Immunzellen im Gehirn, der Mikroglia, bei Menschen mit der Krankheit und Mäusen mit defekten Lymphgefäßen sehr ähnlich waren.

Diese Mäuse schnitten auch bei einem Test zur Lern- und Gedächtnisleistung schlechter ab, was darauf hindeutet, dass eine gestörte Lymphdrainage im Gehirn zu kognitiven Beeinträchtigungen beiträgt und die Schwierigkeiten für Antikörper, die gegen Amyloid-beta gerichtet sind, erhöht.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen untersuchten auch, ob eine Stärkung des Lymphsystems des Gehirns diese Veränderungen umkehren könnte. Sie injizierten Mäusen Amyloid-beta-Antikörper-Therapien zusammen mit einem Wachstumsfaktor, der die Funktion der meningealen Lymphgefäße des Gehirns verbessert.

Die behandelten Mäuse zeigten nicht nur geringere Anhäufungen von Amyloid-beta, sondern auch eine Vergrößerung einiger Teile des Lymphsystems in den Hirnhäuten.

Nach Ansicht von Dr. Molly V. Wagster vom National Institute on Aging lassen die vorliegenden Studienergebnisse vermuten, dass die Unterstützung des Lymphsystems in der Hirnhaut bei Menschen mit Alzheimer – und der Beginn der Behandlung in einem frühen Stadium der Krankheit, wenn dieses System noch intakt ist – zu besseren Ergebnissen führen könnte.

Die Forschung zeigt auch, dass die Mikroglia der Maus – „Müllsammelzellen“ im Gehirn – denen des Menschen sehr viel ähnlicher sind, wenn die Lymphgefäße entfernt werden, und dass die Gene, die in der Mikroglia bei einer Lymphstörung hochreguliert werden, mit verschiedenen Aspekten der Entstehung der Alzheimer-Krankheit zusammenhängen.

Dr. Jonathan Kipnis von der Washington University School of Medicine in St. Louis erklärte, dass diese Daten zeigen, dass es möglich sein könnte, Strategien zu entwickeln, um Mikroglia und das Blutgefäßsystem des Gehirns, die beide in der Krankheitsentwicklung von Alzheimer eine wichtige Rolle spielen, therapeutisch zu beeinflussen, indem man das Lymphgefäßsystem der Hirnhaut moduliert.

Diese und darauf aufbauende Forschungsergebnisse könnten zu gezielten Behandlungen führen, die den Abtransport von Amyloid-beta und anderen Substanzen durch das Lymphsystem verbessern und damit das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen, so die Forschenden. Die Forschung wurde maßgeblich vom National Institute on Aging (NIA) finanziert und alle Studiendaten sind für die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft frei zugänglich.

Quellen: Washington University School of Medicine / Nature / National Institute on Aging / Da Mesquita et al. Meningeale Lymphgefäße verändern Alzheimer-Krankheit und Immuntherapie. Nature. 2021 Apr 28 doi: 10.1038/s41586-021-03489-0.

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