ÜBERSICHT
Menschen ohne Fingerabdrücke
Unter Adermatoglyphie versteht man das Fehlen von Papillarlinien an den Finger- und Zehenkuppen sowie an den Handflächen und Fußsohlen.
Die Muster dieser charakteristischen Linien in der Haut der Handinnenflächen (Papillarleisten oder auch Dermatoglyphen genannt) bilden Kringel, Bögen und Schleifen, die die Grundlage für die einzigartigen Fingerabdrücke jedes Menschen bilden.
- Da kein Mensch dem anderen gleicht, werden Fingerabdrücke seit langem zur Identifizierung von Personen verwendet.
Menschen mit Adermatoglyphie haben diese Muster jedoch nicht und können daher nicht anhand ihrer Fingerabdrücke identifiziert werden.
Häufigkeit der Erkrankung
Wie viele Menschen haben Adermatoglyphie?
Adermatoglyphie ist eine seltene Erkrankung. Bisher sind weltweit nur fünf betroffene Familien mit dieser genetischen Störung bekannt.
Der jüngste bekannte Fall einer über vier Generationen autosomal dominant vererbten Form der Störung in einer Schweizer Familie wurde 2011 von Forschenden in Basel dokumentiert. In einem anderen Fall einer irisch-amerikanischen Familie konnte die Störung über fünf Generationen zurückverfolgt werden.
Eine anscheinend neue Form des völligen Fehlens von Hautrippenmustern wurde als autosomal dominantes Merkmal über fünf Generationen in einer irisch-amerikanischen Familie vererbt.
- Den Betroffenen fehlten dermatoglyphische Muster, Schweißporen und die Fähigkeit, an den volaren Bereichen der Fingerspitzen, Handflächen und Fußsohlen zu schwitzen.
- Außerdem wiesen sie bei der Geburt angeborene Milien und Blasen an den Fingerspitzen und Fußsohlen, abnorme Nägel, einzelne Querfalten in den Handflächen, eine erhöhte Hitzetoleranz und im Erwachsenenalter schmerzhafte Risse um die Fingernägel bei kaltem Wetter auf.
Quelle: YouTube/Galileo
Symptome bei Adermatoglyphie
Bei einigen Familien tritt die Adermatoglyphie ohne entsprechende Anzeichen und Symptome auf.
In anderen Familien ist das Fehlen der charakteristischen Linien (Dermatoglyphen) in der Haut der Handinnenseite und der Fußsohle mit anderen Merkmalen verbunden, die typischerweise die Haut betreffen.
- Dazu gehören kleine Milien im Gesicht (Grießkörner), Blasenbildung an Stellen, die Hitze oder Reibung ausgesetzt sind, und eine verminderte Anzahl von Schweißdrüsen an Händen und Füßen.
Adermatoglyphie ist auch ein Merkmal mehrerer seltener Syndrome, die als ektodermale Dysplasien klassifiziert werden, darunter das Naegeli-Franceschetti-Jadassohn-Syndrom/Dermatopathia pigmentosa reticularis, das Haut, Haare, Schweißdrüsen und Zähne betrifft.
Ursachen von Adermatoglyphie
Adermatoglyphie wird durch Mutationen im SMARCAD1-Gen verursacht.
Dieses Gen enthält die Information für die Produktion von zwei Versionen des SMARCAD1-Proteins: eine Volllängenversion, die in mehreren Geweben aktiv (exprimiert) ist, und eine kürzere Version, die nur in der Haut exprimiert wird.
- Studien haben gezeigt, dass das SMARCAD1-Protein in voller Länge die Aktivität einer Vielzahl von Genen reguliert, die an der Aufrechterhaltung der Stabilität der genetischen Information von Zellen beteiligt sind.
Über die Funktion der hautspezifischen Version des SMARCAD1-Proteins ist wenig bekannt, aber es scheint eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Dermatoglyphen zu spielen.
Dermatoglyphen werden vor der Geburt gebildet und bleiben ein Leben lang unverändert. Die Aktivität dieses Proteins ist wahrscheinlich einer von mehreren Faktoren, die das einzigartige Fingerabdruckmuster jedes Menschen bestimmen.
Die Mutationen im SMARCAD1-Gen, die Adermatoglyphen verursachen, betreffen nur die hautspezifische Version des SMARCAD1-Proteins. Diese Mutationen verringern die Gesamtmenge dieses Proteins in den Hautzellen.
Auch wenn noch unklar ist, wie diese genetischen Veränderungen Adermatoglyphie verursachen, vermuten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass ein Mangel an der hautspezifischen Version des SMARCAD1-Proteins Signalwege stört, die für die normale Entwicklung und Funktion der Haut, einschließlich der Bildung von Dermatoglyphen, notwendig sind.
Dermatoglyphie ist eine autosomal-dominant vererbte Genmutation, was bedeutet, dass eine Kopie des veränderten SMARCAD1-Gens in jeder Zelle ausreicht, um die Krankheit auszulösen. In vielen Fällen hat ein Betroffener ein Elternteil mit dieser Erkrankung.
Dermatopathia (Definition)
Die Dermatopathia pigmentosa reticularis ist ebenfalls eine sehr seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung aus der Gruppe der ektodermalen Dysplasien mit netzartiger Hyperpigmentierung, Alopezie und Nageldystrophie.
Zusätzlich können eine Adermatoglyphie, Störungen der Schweißproduktion (Hypohidrose oder Hyperhidrose) sowie eine Verhornungsstörung (Hyperkeratose) der Hand- und Fußflächen auftreten.
Ursache dieser Erkrankung sind Mutationen im KRT14-Gen auf Chromosom 17, Position 17q21.2, das Keratin kodiert.
- Differentialdiagnose: Abzugrenzen sind andere allelische Erkrankungen, die auf Mutationen im KRT14-Gen beruhen, wie das Naegeli-Syndrom und die Epidermolysis bullosa simplex in verschiedenen Formen.
Quellen
- MedizinDoc mit Material von National Institutes of Health (NIH), National Health Service (NHS) und The National Library of Medicine
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Reed T, Schreiner RL. Absence of dermal ridge patterns: genetic heterogeneity. Am J Med Genet. 1983 Sep;16(1):81-8. doi: 10.1002/ajmg.1320160113. PMID: 6638074.
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