Hereditäres Angioödem – eine seltene Erbkrankheit

Genetik, Krankheiten und Krankheitsbilder, Seltene Erkrankungen

Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 23. Februar 2024, Lesezeit: 8 Minuten

Hereditäres Angioödem (HAE) ist eine seltene genetische Erkrankung, die durch Schwellungsattacken in verschiedenen Körperregionen gekennzeichnet ist. Diese Erkrankung betrifft sowohl Männer als auch Frauen und kann zu lebensbedrohlichen Situationen führen.

Was ist ein hereditäres Angioödem?

Ein hereditäres Angioödem (HAE) ist eine vererbte Erkrankung, bei der es zu Flüssigkeitseinlagerungen und Schwellungen (Ödeme) der Unterhaut kommt. Diese Schwellungen treten in Attacken auf und können verschiedene Körperregionen betreffen, einschließlich der Haut, der Schleimhaut und des Magen-Darm-Trakts. HAE ist eine seltene Erkrankung, die durch einen Gendefekt verursacht wird und in verschiedenen Typen auftreten kann.

Es gibt verschiedene Typen von HAE, die sich in Bezug auf die zugrunde liegende genetische Veränderung und die Symptome unterscheiden. Die häufigsten Typen sind:

HAE Typ I: Bei diesem Typ produziert die Leber zu geringe Mengen an C1-Inhibitor, einem Protein, das für die Regulation von Entzündungsreaktionen verantwortlich ist. Dieser Typ macht etwa 85 Prozent der Fälle aus.

HAE Typ II: Bei diesem Typ ist der C1-Inhibitor zwar in ausreichenden Mengen vorhanden, aber er funktioniert nicht richtig. Etwa 15 Prozent der HAE-Fälle werden durch diesen Typ verursacht.

HAE Typ III: Dieser Typ ist äußerst selten und betrifft hauptsächlich Frauen. Die genetische Veränderung, die zu HAE Typ III führt, betrifft andere Gene als bei den anderen Typen.

Häufigkeit der Erkrankung

Die genaue Häufigkeit von HAE ist nicht bekannt, da es sich um eine seltene Erkrankung handelt. Experten schätzen jedoch, dass weltweit etwa 1 von 50.000 Menschen von HAE betroffen ist. In Europa leben schätzungsweise 10.000 bis 50.000 Menschen mit dieser Erkrankung. In der Schweiz wird die Anzahl der Betroffenen auf etwa 160 geschätzt.

HAE kann in jedem Alter auftreten, aber die meisten Menschen zeigen die ersten Symptome im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt. Es ist jedoch auch möglich, dass HAE erst später im Leben diagnostiziert wird. Die Erkrankung betrifft sowohl Männer als auch Frauen gleichermaßen.

Ursachen und Auslöser von HAE

Die Ursache von HAE liegt in einem Gendefekt auf dem Chromosom 11. Dieser Defekt führt dazu, dass entweder zu wenig C1-Inhibitor produziert wird (HAE Typ I) oder der produzierte C1-Inhibitor nicht richtig funktioniert (HAE Typ II). Dadurch wird zu viel Bradykinin produziert, ein Peptid, das die Durchlässigkeit der Blutgefäße erhöht und Entzündungsreaktionen auslöst.

Die genetische Veränderung, die zu HAE führt, wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass eine betroffene Person eine 50-prozentige Chance hat, die Erkrankung an ihre Kinder weiterzugeben, wenn sie das veränderte Gen trägt. Es ist jedoch auch möglich, dass sich das Gen spontan verändert, ohne eine familiäre Vorgeschichte von HAE.

Die Schwellungsattacken bei HAE können durch verschiedene Auslöser begünstigt werden, darunter mechanische Trigger wie Stöße oder Druck, Infektionen, psychischer Stress und bestimmte Medikamente.

Symptome von HAE

Die Symptome von HAE variieren je nach Körperregion, in der die Schwellungen auftreten. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Schwellungen im Gesicht, an den Händen, Armen, Beinen und Füßen
  • Schwellungen im Magen-Darm-Trakt, die zu Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen führen können
  • Schwellungen im Kehlkopf, die zu Atemnot und Erstickungsgefahr führen können

Die Schwellungsattacken können plötzlich auftreten und mehrere Tage anhalten. Sie können auch spontan abklingen, ohne eine spezifische Behandlung. Bei einigen Menschen mit HAE können die Schwellungen chronisch werden und zu dauerhaften Veränderungen der Haut und des Gewebes führen.

Es ist wichtig zu beachten, dass HAE-Symptome von Person zu Person variieren können. Einige Menschen können nur gelegentliche Schwellungsattacken haben, während andere häufiger und schwerere Symptome erleben.

Diagnose von HAE

Die Diagnose von HAE kann eine Herausforderung sein, da die Symptome mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Ein erfahrener Arzt wird eine gründliche Anamnese durchführen, um die Krankheitsgeschichte des Patienten zu verstehen, und verschiedene diagnostische Tests durchführen, um HAE von anderen Erkrankungen abzugrenzen.

Zu den diagnostischen Tests gehören:

  • Messung der C1-Inhibitor-Aktivität im Blut
  • Bestimmung des C4-Spiegels im Blut
  • Genetische Tests zur Identifizierung des veränderten Gens

Die Diagnose von HAE ist wichtig, um eine angemessene Behandlung einzuleiten und lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden.

Was sind die Behandlung von HAE?

Die Behandlung von HAE zielt darauf ab, die Schwellungsattacken zu verhindern oder zu lindern und lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die je nach Schwere der Symptome und individuellen Bedürfnissen des Patienten eingesetzt werden können.

Akutbehandlung

Bei akuten Schwellungsattacken können Medikamente wie C1-Inhibitor-Konzentrat, Icatibant oder Ecallantid zur Linderung der Symptome eingesetzt werden. Diese Medikamente wirken, indem sie die Produktion von Bradykinin blockieren oder dessen Wirkung hemmen.

Prophylaktische Behandlung

Bei Menschen mit häufigen und schweren Schwellungsattacken kann eine prophylaktische Behandlung in Betracht gezogen werden. Hierbei werden regelmäßig Medikamente wie C1-Inhibitor-Konzentrat oder bestimmte Hormonpräparate eingenommen, um das Auftreten von Schwellungsattacken zu reduzieren.

Notfallmanagement

Menschen mit HAE sollten ein Notfallmanagementplan haben, der ihnen und ihren Betreuern hilft, im Falle einer schweren Schwellungsattacke angemessen zu reagieren. Dies kann die Verabreichung von Medikamenten zur Selbstbehandlung oder den sofortigen Kontakt mit medizinischem Fachpersonal umfassen.

Es ist wichtig, dass Menschen mit HAE regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei einem erfahrenen Arzt durchführen lassen, um ihre Behandlung zu überwachen und mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen.

Lebensqualität und psychosoziale Unterstützung

HAE kann sich erheblich auf die Lebensqualität der betroffenen Menschen auswirken. Die Schwellungsattacken können schmerzhaft, belastend und einschränkend sein. Es ist wichtig, dass Menschen mit HAE Unterstützung und Informationen erhalten, um ihre Erkrankung besser zu verstehen und mit den Herausforderungen des täglichen Lebens umzugehen.

Es gibt verschiedene Organisationen und Selbsthilfegruppen, die Menschen mit HAE psychosoziale Unterstützung bieten und ihnen helfen, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Der Austausch von Erfahrungen und Informationen kann dazu beitragen, das Verständnis der Erkrankung zu verbessern und die Lebensqualität zu verbessern.

FAQ

Ist HAE heilbar?

Nein, HAE ist derzeit nicht heilbar. Es gibt jedoch verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, um die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Eine frühzeitige Diagnose und angemessene Behandlung können dazu beitragen, die Lebensqualität der betroffenen Personen zu verbessern.

Kann HAE vererbt werden?

Ja, HAE wird autosomal-dominant vererbt, was bedeutet, dass eine betroffene Person eine 50-prozentige Chance hat, die Erkrankung an ihre Kinder weiterzugeben, wenn sie das veränderte Gen trägt. Es ist jedoch auch möglich, dass sich das Gen spontan verändert, ohne eine familiäre Vorgeschichte von HAE.

Welche Auslöser können Schwellungsattacken bei HAE verursachen?

Schwellungsattacken bei HAE können durch verschiedene Auslöser begünstigt werden. Dazu gehören mechanische Trigger wie Stöße oder Druck, Infektionen, psychischer Stress und bestimmte Medikamente. Es ist wichtig, diese Auslöser zu identifizieren und zu vermeiden, um das Risiko von Schwellungsattacken zu verringern.

Wie wird HAE diagnostiziert?

Die Diagnose von HAE kann eine Herausforderung sein, da die Symptome mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Ein erfahrener Arzt wird eine gründliche Anamnese durchführen, um die Krankheitsgeschichte des Patienten zu verstehen, und verschiedene diagnostische Tests durchführen. Dazu gehören die Messung der C1-Inhibitor-Aktivität im Blut, die Bestimmung des C4-Spiegels im Blut und genetische Tests zur Identifizierung des veränderten Gens.

Fazit

Hereditäres Angioödem (HAE) ist eine seltene genetische Erkrankung, die Schwellungsattacken in verschiedenen Körperregionen verursacht. Es gibt verschiedene Typen von HAE, die sich in Bezug auf die zugrunde liegende genetische Veränderung und die Symptome unterscheiden. Die Diagnose von HAE kann eine Herausforderung sein, erfordert jedoch eine gründliche Anamnese und diagnostische Tests. Die Behandlung von HAE zielt darauf ab, Schwellungsattacken zu verhindern oder zu lindern und lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Menschen mit HAE können Unterstützung von Organisationen und Selbsthilfegruppen erhalten, um ihre Lebensqualität zu verbessern und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Es ist wichtig, dass Menschen mit HAE frühzeitig diagnostiziert und angemessen behandelt werden, um ihre Lebensqualität zu verbessern und Komplikationen zu vermeiden. Durch eine Kombination aus medizinischer Behandlung, Vermeidung von Auslösern und psychosozialer Unterstützung können Menschen mit HAE ein erfülltes Leben führen und ihre Erkrankung erfolgreich bewältigen.

Quellen und weiterführende Informationen

  1. Hereditäres_Angioödem, Wikipedia 2024.
  2. Recke A. Fortschritte in Diagnostik und Therapie des hereditären Angioödems. hautnah dermatologie. 2022;38(3):56–66. German. doi: 10.1007/s15012-022-6896-9.
  3. Magerl M, Martinez-Saguer I, Schauf L, Pohl S, Brendel K. The current situation of hereditary angioedema patients in Germany: results of an online survey. Front Med (Lausanne). 2024 Jan 15;10:1274397. doi: 10.3389/fmed.2023.1274397

ddp


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