Forschung: Alterungsprozesse im Gehirn erkennen

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung, University of California

Torsten Lorenz, aktualisiert am 8. Januar 2023, Lesezeit: 9 Minuten

Wie altert das Gehirn?

Die Forschung hat gezeigt, dass das Alter des Gehirns eines Menschen ein besserer und genauerer Vorhersagewert für Gesundheitsrisiken und zukünftige Krankheiten ist als das Geburtsdatum des Menschen.

Alterungsprozesse im Gehirn erkennen

Mit einem neuen Modell der künstlichen Intelligenz (KI), das von Wissenschaftlern der University of Southern California entwickelte Magnetresonanztomographie (MRT)-Gehirnscans analysiert, könnte der kognitive Verfall, der mit neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer einhergeht, viel früher erkannt werden als mit bisherigen Methoden.

  • Der Grad der Alterung des Gehirns gilt als zuverlässiger Biomarker für das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen.
  • Ein solches Risiko erhöht sich, wenn das Gehirn eines Menschen Merkmale aufweist, die „älter“ erscheinen als für das Alter der Person zu erwarten wäre.

Bewertung des Risikos neurokognitive Erkrankungen

Durch den Einsatz der Deep-Learning-Fähigkeiten des neuartigen KI-Modells der Forscher zur Analyse der Scans können sie auch weniger auffällige Merkmale der Hirnanatomie aufspüren, die sonst nur sehr schwer zu erkennen sind und mit dem kognitiven Verfall in Zusammenhang stehen.

  • Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfassten die MRT-Aufnahmen des Gehirns von 4 681 kognitiv normalen Versuchspersonen, von denen einige im späteren Leben einen kognitiven Rückgang oder die Alzheimer-Krankheit entwickelten.

Auf der Grundlage dieser Daten erstellten die Forscher ein KI-Modell, ein so genanntes neuronales Netz, um das Alter der Probanden anhand ihrer MRTs des Gehirns vorherzusagen.

Dazu trainierten die Forschenden das Netzwerk, um detaillierte anatomische Hirnkarten zu erstellen, die subjektspezifische Muster des Alterns erkennen lassen.

Anschließend verglichen sie das wahrgenommene (biologische) Gehirnalter mit dem tatsächlichen (chronologischen) Alter der Studienteilnehmer.

Um so größer der Unterschied zwischen den beiden ist, desto schlechter sind die kognitiven Werte der Teilnehmer, die das Alzheimer-Risiko widerspiegeln.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Modell der Wissenschaftler das tatsächliche (chronologische) Alter kognitiv normaler Versuchsteilnehmer mit einem durchschnittlichen absoluten Fehler von 2,3 Jahren vorhersagen kann, was etwa ein Jahr genauer ist als ein bestehendes, preisgekröntes Modell zur Schätzung des Gehirnalters, das eine andere Architektur eines neuronalen Netzes verwendet.

Laut Andrei Irimia, Assistant Professor an der USC Leonard Davis School of Gerontology und korrespondierender Autor der Studie, kann interpretierbare KI ein leistungsfähiges Instrument zur Bewertung des Risikos für Alzheimer und andere neurokognitive Erkrankungen werden.

  • Umso früher es gelingt, Menschen mit hohem Alzheimer-Risiko zu identifizieren, desto früher können Ärzte mit Behandlungsoptionen, Überwachung und Krankheitsmanagement eingreifen.

Was die KI nach Aussage der Forschenden besonders leistungsfähig macht, ist ihre Fähigkeit, subtile und komplexe Merkmale des Alterns zu erkennen, die andere Methoden nicht erfassen können und die für die Identifizierung des Risikos einer Person viele Jahre vor der Entwicklung der Krankheit entscheidend sind.

Gehirne altern je nach Geschlecht unterschiedlich

Das neue Berechnungsmodell offenbart auch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Art und Weise, wie die Alterung in den verschiedenen Gehirnregionen verläuft.

  • So altern bestimmte Teile des Gehirns bei Männern schneller als bei Frauen, und umgekehrt.

Männliche Patienten, die ein höheres Risiko für motorische Beeinträchtigungen aufgrund der Parkinson-Krankheit haben, altern schneller im motorischen Kortex des Gehirns, einem Bereich, der für die motorischen Funktionen verantwortlich ist.

  • Die Ergebnisse zeigen auch, dass bei Frauen die typische Alterung in der rechten Gehirnhälfte relativ langsamer verläuft.

Die vorliegende Forschungsarbeit wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Ein neues Verständnis der Gehirnfunktionalität könnte bei der Behandlung von Gedächtnisstörungen helfen

Forschungsergebnisse der University of Toronto in Kanada liefern wertvolle Erkenntnisse darüber, wie das Gehirn bei der Speicherung von Erinnerungen funktioniert – und sie könnten bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Gedächtnisstörungen helfen.

Laut Alexander Barnett, Assistant Professor an der University of Toronto, hat ein wichtiger Teil des Gehirns, der für das Gedächtnis zuständig ist – der Hippocampus -, möglicherweise dynamischere Interaktionen mit dem Rest des Gehirns als bisher angenommen.

  • Ganz besonders gilt dies für die Ereignisgrenzen – den Beginn und das Ende einer Erinnerung.

Nach Barnetts Worten erreicht die Aktivität des Hippocampus an den Ereignisgrenzen tatsächlich zuverlässige Spitzenwerte. Noch bemerkenswerter ist, dass der Hippocampus in diesen Momenten mit anderen Regionen des Gehirns kommuniziert.

Das Gedächtnis der Menschen ist umso besser, je mehr es mit diesen Regionen kommuniziert, und es ist wirklich spezifisch für diese Grenzzeitpunkte des Ereignisses.

Eine gemeinsame Studie von Barnett und Forschern der University of California (UC Davis) hat ergeben, dass die erhöhte Aktivität des Hippocampus an den Grenzen von Ereignissen eine Schlüsselrolle dabei spielen könnte, genau zu erkennen, wann Menschen mit Gedächtnisstörungen Schwierigkeiten haben.

Bei dem Hippocampus handelt es sich um ein seepferdchenförmiges Bündel von Neuronen, das tief im Schläfenlappen des Gehirns liegt.

Durch Signale von anderen Neuronen im Gehirn ist der Hippocampus für die Bildung des episodischen Langzeitgedächtnisses von wesentlicher Bedeutung – bei Menschen mit Gedächtnisstörungen ist er jedoch oft von anderen Bereichen des Gehirns abgeschnitten.

  • Früher nahmen die Forschenden an, dass der Hippocampus ständig Informationen vom Rest des Gehirns erhalten muss, um neue Erinnerungen zu bilden.

Das Verhältnis zwischen dem Hippocampus und dem Neocortex – dem Teil des Gehirns, der Kognition, Emotionen und Sinneswahrnehmungen verarbeitet – wurde dabei übersehen.

Der Hippocampus muss mit Informationen versorgt werden, damit er seine Aufgabe erfüllen kann. Wenn die Verbindung unterbrochen ist, ist es fast so, als ob er nicht die Informationen erhält, die er braucht, um neue Erinnerungen zu speichern, so Barnett von der University of Toronto.

Barnetts Forschung konzentriert sich darauf, wie sich Veränderungen in der Netzwerkkommunikation auf Menschen mit Gedächtnisstörungen auswirken. Anhand der funktionellen MRT untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Gehirnaktivität und kombinierten diese Forschung mit neuen Theorien aus der kognitiven Psychologie, um das Kurz- und Langzeitgedächtnis zu verstehen.

  • Zum besseren Verständnis der Konnektivität zwischen dem Hippocampus und den neokortikalen Regionen untersuchten die Forscher zwei Gruppen.

Beide Testgruppen sahen sich denselben 15-minütigen Zeichentrickfilm an. Die eine Gruppe wurde aufgefordert, durch Anklicken eines Knopfes anzugeben, wann ihrer Meinung nach ein bedeutungsvolles Ereignis beendet war und wann ein anderes begann – sozusagen als Markierung der Ereignisgrenzen.

Die zweite Teilnehmergruppe sah sich denselben Zeichentrickfilm ohne Anweisungen an, während sie mit dem MRT gescannt wurde.

Es zeigte sich, dass beide Gruppen während des gesamten Films die gleichen Ereignisgrenzen anzeigten. Die MRT-Scans der zweiten Gruppe zeigten, dass die Aktivität des Hippocampus an den Ereignisgrenzen zunahm.

Zur Überprüfung des Gedächtnisses haben die Forscher in der Regel Techniken angewandt, bei denen die Versuchsteilnehmer aufgefordert wurden, sich eine Liste von Wörtern zu merken und aufzusagen. Doch dieser Ansatz war möglicherweise unzureichend.

Nach Angaben von Barnett hilft das episodische Gedächtnis, das heißt die Erinnerung an alltägliche Ereignisse, unserem Gehirn dabei, zu wissen, was wir in bestimmten Situationen zu erwarten haben, etwa wenn wir zum Abendessen ausgehen.

  • Bisher ging man in der Wissenschaft davon aus, dass der Hippocampus immer mit dem Rest des Gehirns zusammenarbeitet, um episodische Erinnerungen zu speichern.

Aus dieser Studie geht jedoch hervor, dass der Hippocampus nur dann Erinnerungen kodieren muss, wenn neue Ereignisse eintreten.

Es wäre unnötig, dass der Hippocampus ständig neue Informationen kodiert und nicht nur in besonderen Momenten, in denen er mit dem Rest des Gehirns kommunizieren muss, um neue Erinnerungen zu bilden, sagt Barnett.

Mithilfe der Forschungsergebnisse aus dieser Studie können die Wissenschaftler Verhaltensmaßnahmen festlegen, mit denen die Aufmerksamkeit der Patienten an den Grenzen von Ereignissen erhöht werden kann.

Eine Frage lautet den Forschern zufolge: Machen wir das die ganze Zeit, oder versuchen wir, uns auf diese ganz bestimmten Momente zu konzentrieren, wenn wir glauben, dass neue Ereignisse im Langzeitgedächtnis gespeichert werden?

Wenn es gelingt, die normale Funktionsweise des Gehirns zu verstehen, kann dies vielleicht dazu beitragen, das Gedächtnis in Bevölkerungsgruppen mit Gedächtnisproblemen zu verbessern, so die Autoren der Studie.

Wie funktioniert das Gehirn?

Die Funktionsweise des Gehirns ist vergleichbar mit der eines großen Computers. Es verarbeitet alle Informationen, die es von den Sinnen und dem Körper erhält, und sendet entsprechende Signale an den Körper zurück.

  • Doch das Gehirn kann noch viel mehr als eine Maschine: Menschen können mit ihrem Gehirn denken und Gefühle empfinden, und es ist die Wurzel der menschlichen Intelligenz.

Ein menschliches Gehirn ist ungefähr so groß wie zwei geballte Fäuste und wiegt etwa 1,5 Kilogramm. Von außen sieht es ein bisschen aus wie eine große Walnuss, mit Falten und Spalten. Das Hirngewebe setzt sich aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) und einer Billion Stützzellen zusammen, die das Gewebe stabilisieren.

Es gibt verschiedene Abschnitte des Gehirns, die jeweils eigene Funktionen haben: das Großhirn, das Zwischenhirn (einschließlich Thalamus, Hypothalamus und Hypophyse), das Stammhirn (mit Mittelhirn, Pons und Medulla) sowie das Kleinhirn.

Quellen

  • University of California, Davis
  • Faculty of Arts & Science, University of Toronto
  • USC Leonard Davis School of Gerontology
  • USC Viterbi School of Engineering
  • Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative
  • Chenzhong Yin et al, Anatomically interpretable deep learning of brain age captures domain-specific cognitive impairment, Proceedings of the National Academy of Sciences (2023). DOI: 10.1073/pnas.2214634120

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Eine Studie zeigt, dass körperlich anstrengende Arbeit mit einer höheren Fruchtbarkeit des Mannes verbunden ist. Laut einer neuen Studie des Brigham and Women's Hospital, einem Gründungsmitglied des Mass General Brigham-Gesundheitssystems, haben Männer, die bei der Arbeit häufig schwere Gegenstände heben, eine höhere Spermienzahl. Die Studie, die in der Zeitschrift Human Reproduction veröffentlicht wurde, ist Teil der Kohorte Environment and Reproductive Health (EARTH), einer klinischen Studie, die untersuchen soll, wie sich die Belastung durch Umweltchemikalien und die Wahl des Lebensstils auf die reproduktive Gesundheit auswirken. Nur wenige Studien haben untersucht, wie berufliche Faktoren zu diesen Vorteilen beitragen können, so die Wissenschaftler. Diesen neuen Erkenntnissen zufolge kann körperliche Aktivität am Arbeitsplatz auch mit einer deutlichen Verbesserung des Fortpflanzungspotenzials von Männern verbunden sein. Unfruchtbarkeit ist ein wachsendes Problem, das durch ein breites Spektrum komplizierter Faktoren verursacht werden kann. Dennoch sind etwa vierzig Prozent der Unfruchtbarkeitsfälle auf männliche Faktoren wie Spermienzahl, Spermienqualität und Sexualfunktion zurückzuführen. Vor allem die Spermienzahl und -qualität gelten als Hauptursache für die steigenden Unfruchtbarkeitsraten bei Männern. Eine frühere Analyse unter Leitung des EARTH-Studienteams ergab, dass die Spermienzahl und -qualität bei Männern, die eine Fruchtbarkeitsbehandlung in Anspruch nehmen, zwischen 2000 und 2017 um bis zu 42 % zurückgegangen ist. "Darüber hinaus gibt es immer mehr Belege dafür, dass männliche Unfruchtbarkeit mit häufigen chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen zusammenhängt", sagte Lidia Mnguez-Alarcón, Reproduktions-Epidemiologin an der Brigham's Channing Division of Network Medicine und Co-Investigatorin der EARTH-Studie. Die EARTH-Studie ist eine Zusammenarbeit zwischen der Harvard T. Chan School of Public Health und dem Brigham and Women's Hospital zur Untersuchung der Auswirkungen von Lebensstil und Umweltfaktoren auf die Fruchtbarkeit. Im Rahmen der EARTH-Studie wurden Proben und Umfragedaten von mehr als 1 500 Männern und Frauen gesammelt; die aktuelle Studie konzentrierte sich auf eine Untergruppe dieser Teilnehmer, nämlich 377 männliche Partner von Paaren, die sich in einem Fertilitätszentrum behandeln lassen wollten. Die Forscher fanden heraus, dass Männer, die angaben, bei ihrer Arbeit häufig schwere Gegenstände zu heben oder zu bewegen, eine um 46 % höhere Spermienkonzentration und eine um 44 % höhere Gesamtspermienzahl aufwiesen als Männer mit körperlich weniger anstrengenden Tätigkeiten. Zusätzlich zu den höheren Spiegeln des männlichen Sexualhormons Osteron wiesen Männer, die über mehr körperliche Aktivität am Arbeitsplatz berichteten, auch höhere Spiegel des weiblichen Sexualhormons Östrogen auf. Laut Mnguez-Alarcón sind im Gegensatz zu dem, was einige vielleicht noch aus dem Biologieunterricht in Erinnerung haben, "männliche" und "weibliche" Hormone bei beiden Geschlechtern vorhanden, wenn auch in unterschiedlichen Mengen. In diesem Fall vermuten die Wissenschaftler, dass überschüssiges Osteron in Östrogen umgewandelt wird, ein bekannter Mechanismus zur Aufrechterhaltung eines normalen Spiegels beider Hormone im Körper. Während die aktuelle Studie einen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Fruchtbarkeit bei Männern, die sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, feststellte, bedarf es weiterer Untersuchungen, um festzustellen, ob diese Ergebnisse auf Männer in der Allgemeinbevölkerung übertragbar sind oder nicht. Außerdem hoffen die Forscher, dass künftige Untersuchungen die biologischen Mechanismen aufdecken werden, die dabei eine Rolle spielen. Die reproduktive Gesundheit ist an sich schon wichtig, aber es gibt immer mehr Belege dafür, dass die männliche Unfruchtbarkeit Licht auf allgemeinere Gesundheitsprobleme werfen kann, wie etwa die häufigsten chronischen Krankheiten. Die Entdeckung von Maßnahmen, die Menschen ergreifen können, um ihre Fruchtbarkeit zu verbessern, kommt nicht nur Paaren zugute, die versuchen, schwanger zu werden, sondern uns allen.

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