Chronischer Juckreiz: Forscher entdecken Juckreiz-auslösende Mechanismen

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Torsten Lorenz, aktualisiert am 27.07.2022, Lesezeit: 5 Minuten

Chronischer Juckreiz: Wissenschaftlern an der Georgia Institute of Technology ist ein Durchbruch in der Forschung gelungen, der verschiedene Behandlungen für Menschen mit chronischem Hautjucken ermöglichen könnte.

Zwischen 10 und 20 Prozent der Menschen in den westlichen Industrieländern leiden an Dermatitis, einer häufigen entzündlichen Erkrankung der Haut, die Juckreiz verursacht.

Juckreiz ist ein ernstzunehmendes klinisches Problem, das oft durch tiefer liegende Erkrankungen der Haut, der Leber oder der Nieren verursacht wird.

Unterschiede im Juckreiz

Aufgrund des begrenzten Verständnisses der Juckreiz-Mechanismen gibt es für die Mehrheit der Patienten bisher keine wirksame Behandlung, erklärt Liang Han, Assistant Professor an der School of Biological Sciences des Georgia Institute of Technology.

Bis vor kurzem hielten Neurowissenschaftler die Mechanismen des Hautjucken für gleich. Aber das Forschungsteam an der Georgia Tech entdeckte kürzlich Unterschiede im Juckreiz bei nicht behaarten und behaarten Bereichen der Haut und eröffneten damit neue Forschungsgebiete.

Die vorliegende Forschungsarbeit, die in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlicht wurde, könnte neue, effektivere Behandlungsmöglichkeiten für Patienten ermöglichen, die unter anhaltendem Hautjucken leiden.

Juckreiz entsteht nicht nur unter der Haut

Den Forschern zufolge gibt es zwei verschiedene Arten von Reizen durch das Nervensystem, die über sensorische Nerven in der Haut das Juckreizgefühl auslösen – chemische und mechanische. In der vorliegenden Forschungsarbeit identifizierten die Wissenschaftler eine spezifische Neuronenpopulation, die den Juckreiz der unbehaarten Haut steuert – der glatteren, härteren Haut, die sich an den Handflächen und Fußsohlen befindet.

Juckreiz in diesen Bereichen stellt für Betroffene ein größeres Problem dar und ist erstaunlich häufig. Allein in den USA gibt es schätzungsweise 200.000 Fälle pro Jahr von Dyshidrose, einer Hauterkrankung, bei der sich juckende Blasen nur an den Handflächen und Fußsohlen bilden.

Eine weitere chronische Hauterkrankung, die palmoplantare Pustulose (eine Form der Schuppenflechte, die entzündete, schuppige Haut und starken Juckreiz an den Handflächen und Fußsohlen verursacht), betrifft jedes Jahr bis zu 1,6 Millionen Menschen in den USA.

Fähigkeit zur Blockierung und Aktivierung von Juckreiz-verursachenden Neuronen

Da sich viele der biologischen Mechanismen, die dem Juckreiz zugrunde liegen – wie Rezeptoren und Nervenbahnen – bei Mäusen und Menschen ähneln, basieren die meisten Studien zum Theman Juckreiz auf Tests an Mäusen. Mit Hilfe von Labor-Mäusen waren die Forscher der Georgia Tech in der Lage, diese Neuronen gezielt zu aktivieren oder zu blockieren.

Die Forschungsergebnisse zeigen erstmals, dass die tatsächlichen Neuronen, die Juckreiz senden, unterschiedliche Gruppierungen darstellen. Neuronen, die sich in der behaarten Haut befinden, aber keinen Juckreiz in der unbehaarten Haut wahrnehmen, sind eine Gruppe, während eine andere den Juckreiz in der unbehaarten Haut wahrnimmt, so die Forscher.

Um diesen Unterschied nachzuweisen, verwendete die Wissenschaftler ein neues Untersuchungsverfahren, oder Assay, das der menschlichen allergischen Kontaktdermatitis nachempfunden ist, so die Forscher.

Bei der bisherigen Methode hätte man juckende Chemikalien in die Haut von Mäusen injizieren müssen, aber der größte Teil der Haut einer Maus ist mit Haaren bedeckt. Die Forscher mussten sich daher auf die glatte, kahle Haut an den Füßen und Händen der Mäuse konzentrieren. Die Verwendung von genetisch veränderten Mäusen half auch, die richtigen sensorischen Neuronen zu identifizieren, die für das Jucken der kahlen Haut verantwortlich sind.

Durch die Aktivierung eines bestimmten Neuronen-Sets, das den Juckreiz auslöst, konnten die Wissenschaftler beobachten, dass sich das Beißverhalten wieder einstellte, so die Forscher, die sich darauf beziehen, wie Mäuse normalerweise mit juckender Haut umgehen.

Einer Gruppe von Labormäusen wurde eine Chemikalie verabreicht, um gezielt eine ganze Reihe von Neuronen auszuschalten. Die Forscher konzentrierten sich auf drei zuvor bekannte Neuronen-Mechanismen, die mit dem Juckreiz-Empfinden bei behaarter Haut zusammenhängen, und fanden heraus, dass zwei der Neuronen, MrgprA3+ und MrgprD+, keine entscheidende Rolle beim Juckreiz bei nicht behaarter Haut spielen, das dritte Neuron, MrgprC11+, jedoch schon.

Die Entfernung dieses Neurons reduzierte sowohl den akuten als auch den chronischen Juckreiz an den Fußsohlen und Handflächen der Testmäuse.

Potenzial für neue Therapien gegen chronischen Juckreiz

Die Autoren der Studie hoffen, dass die Untersuchungsergebnisse zu Behandlungen führen, die diese Juckreiz-auslösenden Neuronen ausschalten, vielleicht durch Blockierung in der menschlichen Haut.

Quellen

  • Georgia Institute of Technology
  • PANS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America / H. Steele, et al. „MrgprC11+ sensory neurons mediate glabrous skin itch.“ (PNAS, 2021) https://doi.org/10.1073/pnas.2022874118

vgt

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