Forschung: Welche Atemübung die Beta-Amyloid-Werte senkt

Alzheimer-Demenz-Forschung, Gesundheitsnews, Medizin und Forschung, University of California

Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 19.06.2023, Lesezeit: 10 Minuten

Wissenschaftler der USC Leonard Davis School of Gerontology haben einen einfachen Weg gefunden, die Herzfrequenzvariabilität zu erhöhen und die Konzentration des Amyloid-beta-Peptids im Blut zu senken – und damit das Risiko, an Alzheimer zu erkranken.

  • Die Atemübung ist einfach durchzuführen: fünf Sekunden lang einatmen und fünf Sekunden lang ausatmen. Diese Atemübung sollte vier Wochen lang zweimal täglich 20 Minuten lang wiederholt werden.

Die Auswirkungen dieser Atemübungen waren den Forschungsergebnissen zufolge erheblich: Während des vierwöchigen Versuchs erhöhte sich die Herzfrequenzvariabilität (HRV) der Probanden in jeder Übungsphase, und die Amyloid-beta-Peptidwerte im Blut sanken.

Was sagt die Herzfrequenzvariabilität aus?

Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) ist ein Maß für die neurovegetative Aktivität und autonome Funktion des Herzens und charakterisiert die zeitliche Änderung von Herzschlag zu Herzschlag (RR-Intervall).

Die Herzfrequenz (HF) gibt vor allem Auskunft über die Quantität (Intensität) der kardiovaskulären Belastung (Herz-kreislaufbelastung).

Während beim Ruhepuls der Grundsatz lautet, je niedriger, desto gesünder, ist es bei den Werten für die Herzfrequenzvariabilität genau umgekehrt: Je größer der Unterschied zwischen den Abständen unserer Herzschläge, desto besser.

Auch moderates Ausdauertraining, Meditation, ausreichender und regelmäßiger Schlaf sowie eine gesunde und ausgewogene Ernährung fördern die Herzfrequenzvariabilität.

Dagegen belasten ein erhöhtes Körpergewicht, Rauchen (auch Passivrauchen), Stress und Bewegungsmangel oder übermäßiges Training das Herz und senken die Herzfrequenzvariabilität.

Atemweise, Herzfrequenz, Nervensystem und Proteinabbau im Gehirn

Die Studie könnte nach Ansicht der Wissenschaftler eine Möglichkeit aufzeigen, wie Erwachsene unabhängig von ihrem Alter ihre Amyloid-beta-Werte senken können: durch Atemübungen, die die Werte des mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebrachten Amyloid-beta-Peptids (Aβ) im Blut senken.

Professorin Mara Mather von der USC Leonard Davis School of Gerontology erklärt diesen Effekt damit, dass die Atemweise die Herzfrequenz beeinflusst, die wiederum unser Nervensystem und die Art und Weise beeinflusst, wie das Gehirn Proteine produziert und abbaut (Die USC Leonard Davis School of Gerontology ist eine der siebzehn akademischen Abteilungen der University of Southern California in Los Angeles).

Die Rolle des sympathischen Nervensystems (Sympathikus)

Solange der Mensch wach und aktiv ist, nutzt er normalerweise sein sympathisches Nervensystem (Sympathikus).

Der Sympathikus ist Teil des unwillkürlichen (vegetativen) Nervensystems. Es wirkt leistungssteigernd und wird zum Beispiel in Stress- und Notfallsituationen aktiviert.

Unter dem Einfluss des Sympathikus erhöht sich die Herz- und Atemfrequenz, der Blutdruck steigt und die Skelettmuskulatur wird angespannt und gut durchblutet.

Dieses Nervensystem, dass auch als „Kampf- oder Fluchtsystem“ bezeichnet wird, dient auch dazu, Sport zu treiben, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und sogar bleibende Erinnerungen zu schaffen.

Wenn der Sympathikus aktiviert ist, variiert die Zeit zwischen den Herzschlägen nicht sehr stark. Bei Aktivierung des Parasympathikus hingegen steigt die Herzfrequenz beim Einatmen und sinkt beim Ausatmen.

  • Bei jungen Menschen – oder bei sehr fitten älteren Menschen – gleitet der Körper leicht zwischen dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem hin und her.

Rolle des parasympathischen Nervensystem

Der Parasympathikus zählt zum unwillkürlichen (vegetativen) Nervensystem. Allgemein auch als „Ruhenerv“ bezeichnet, ist er unter anderem für die Verlangsamung der Herz- und Atemfrequenz sowie für Entspannung und Regeneration zuständig.

Der Parasympathikus sorgt also dafür, dass der Körper zur Ruhe kommt, die Nahrung gut verdaut wird und man gut schläft. Wenn diese Aktivitäten stattfinden, sind die Schwankungen zwischen den Herzschlägen größer.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass mit zunehmendem Alter die Fähigkeit, auf das parasympathische Nervensystem zuzugreifen, und damit auch die Schwankungen der Herzfrequenz drastisch abnehmen.

So wurde in einer Studie aus dem Jahr 2020 festgestellt, dass die Herzfrequenzvariabilität im Alter zwischen 20 und 60 Jahren um durchschnittlich 80 Prozent abnimmt. Diese Erkenntnisse könnten zum Teil erklären, warum wir mit zunehmendem Alter schlechter schlafen.

Laut Mara Mather, Leiterin des Emotion & Cognition Lab an der Leonard Davis School of Gerontology, ist bekannt, dass das sympathische und das parasympathische Nervensystem die Produktion und den Abbau von Alzheimer-Peptiden und -Proteinen beeinflussen.

Aufbau des Versuchsanordnung

Wie diese physiologischen Veränderungen im Alter zu den Faktoren beitragen, die die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit begünstigen oder nicht begünstigen, wurde bisher nur wenig erforscht.

Mather und ihre Forscherkollegen von der University of Southern California, der UC Irvine und der University of California (UCLA) ließen die Studienteilnehmer zweimal täglich 20 Minuten lang Biofeedback-Übungen durchführen. Dabei waren sie ein kleines Herzfrequenzmessgerät (Herzfrequenzmonitor) am Ohr, der mit einem Laptop verbunden war.

  • Die eine Hälfte der Probanden wurde gebeten, an ruhige Dinge zu denken, zum Beispiel an eine Szene am Strand oder einen Spaziergang im Park, oder ruhige Musik zu hören.

Währenddessen sollten sie ihre Herzfrequenz, die auf dem Bildschirm des Laptops angezeigt wurde, im Auge behalten und darauf achten, dass die Herzfrequenz während der Meditation möglichst konstant blieb.

Die andere Gruppe von Teilnehmern wurde gebeten, ihre Atmung im Rhythmus eines auf dem Laptop-Bildschirm angezeigten Quadrats zu halten – wenn das Quadrat nach oben ging, atmeten sie ein, und wenn das Quadrat nach unten ging, atmeten sie aus.

Außerdem überwachten sie ihre Herzfrequenz, die beim Einatmen auf Spitzenwerte anstieg und beim Ausatmen auf den Ausgangswert zurückging. Ziel war es, die durch die Atmung verursachten Herzfrequenzschwankungen zu erhöhen.

Wirkung der Atemübung auf Beta-Amyloid (Aβ)-Werte

Die Forscher entnahmen den Teilnehmenden vor Beginn des Experiments und erneut nach vier Wochen Biofeedback-Training Blutproben.

Anschließend untersuchten die Forscherinnen und Forscher das Blut der Teilnehmenden aus beiden Gruppen auf Amyloid-beta-Peptide. Zwei Peptide, Amyloid-beta 40 und 42, wurden besonders untersucht.

  • Die Anhäufung von Amyloid-beta im Gehirn durch vermehrte Produktion und/oder verminderten Abbau wird als Auslöser der Alzheimer-Krankheit angesehen.

Bei gesunden Erwachsenen, die noch keine Anzeichen einer Amyloidablagerung im Gehirn aufweisen, zeigte eine Metaanalyse, dass höhere Konzentrationen von Amyloid-Beta 40 und 42 im Blut ein höheres Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit vorhersagen.

Die von Mather und Kollegen durchgeführte Studie zeigte, dass die Plasmakonzentrationen beider Peptide in der Gruppe abnahmen, die langsam atmete und versuchte, ihre Herzfrequenzvariabilität (HRV) durch verstärkte Vibrationen zu erhöhen.

Warum sinken die Werte der Amyloid-beta-Peptide, wenn die Herzfrequenzvariabilität steigt?

Aus der vorliegenden Studie können dazu einige allgemeine Hypothesen abgeleitet werden:

Die Abnahme der Amyloid-beta-Werte scheint nach den vorliegenden Daten eher auf eine verminderte Produktion zurückzuführen zu sein, was aber nicht ausschließt, dass der Körper die Peptide besser abbaut (ausscheidet).

Von den 108 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern war die Hälfte jung (18 bis 30 Jahre) und die Hälfte alt (55 bis 80 Jahre). Sowohl bei den jüngeren als auch bei den älteren Erwachsenen waren die Auswirkungen der Interventionen auf die Plasma-Amyloid-beta-Werte ähnlich.

  • Die Studie dürfte die erste sein, die zeigt, dass Verhaltensmaßnahmen die Konzentration von Amyloid-beta-Peptiden im Blut senken können.

Frühere Forschungen hatten bereits ergeben, dass Schlafentzug und Stress den Amyloid-beta-Spiegel erhöhen können, doch erwies es sich als schwieriger, den Amyloid-beta-Spiegel durch Verhaltensmaßnahmen zu senken.

  • Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

Weitere Effekte von Atemübungen

Die folgenden Atemübungen haben sich als wirksame Methode zur Bewältigung von Stress, Angst und Anspannung erwiesen. Sie können auch beim Einschlafen helfen und das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Zwerchfellatmung/Tiefe Atmung

Bei der tiefen Zwerchfellatmung (Bauchatmung) atmet man langsam und tief ein, füllt die Lungen mit möglichst viel Luft und atmet dann langsam aus. Diese Atemtechnik wird als Zwerchfellatmung bezeichnet, da der Zwerchfellmuskel zum tiefen Einatmen benutzt wird.

Tiefes Atmen baut nachweislich Stress und Angst ab und fördert das allgemeine Wohlbefinden. Forscher haben in einer Studie herausgefunden, dass tiefe Atmung das Angstniveau bei Patientinnen und Patienten, die sich einer Herzkatheteruntersuchung unterziehen, senkt.

Wechselatmung

Die Wechselatmung, auch als Nadi Shodhana bekannt, ist eine Yoga-Atemtechnik, bei der abwechselnd durch die Nasenlöcher geatmet wird, während jeweils ein Nasenloch zugehalten wird.

Diese Atemtechnik verbessert nachweislich die Atemfunktion, baut Stress ab und trägt zu einer allgemeinen Verbesserung der psychischen Verfassung bei. Eine Studie mit gesunden Probanden zeigte, dass die Wechselatmung die Atemfunktionen verbessert und das Stressniveau senkt.

Box-Atmung

Boxatmung, auch bekannt als Quadratatmung, ist eine Atemtechnik, bei der man viermal einatmet, viermal den Atem anhält, viermal ausatmet und viermal den Atem anhält, bevor man wieder einatmet.

Diese Atemübung hilft nachweislich, Stress abzubauen und die Konzentration zu verbessern. In einer Studie mit Militärangehörigen konnte die Boxatmung das Stressniveau senken und die kognitiven Funktionen verbessern .

4-7-8 Atemübung

Atmung: Bei der 4-7-8-Atemtechnik wird bis zur Vier eingeatmet, bis zur Sieben angehalten und bis zur Acht ausgeatmet. Diese Methode hat sich als wirksam erwiesen, um Angst zu reduzieren, Entspannung zu fördern und den Schlaf zu verbessern.

In einer Studie verbesserte die 4-7-8-Atemtechnik die Schlafqualität und reduzierte die Symptome von Schlaflosigkeit bei Patienten mit Schlafstörungen.

Quellen

  • Jungwon Min et al, Modulating heart rate oscillation affects plasma amyloid beta and tau levels in younger and older adults, Scientific Reports (2023). DOI: 10.1038/s41598-023-30167-0
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 Dieser Beitrag wurde auf der Grundlage wissenschaftlicher Fachliteratur und fundierter empirischer Studien und Quellen erstellt und in einem mehrstufigen Prozess überprüft.

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