Forschung: Vogelgesang verringert Ängste und verbessert die psychische Gesundheit

Psychische Gesundheit, Umwelt und Gesundheit

Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 27. Oktober 2022, Lesezeit: 10 Minuten

Mental Health

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben herausgefunden, dass Vogelgesang Ängste und irrationale Gedanken (Paranoia, Wahnvorstellungen) reduziert. 

Die Wissenschaftler untersuchten in einem Online-Experiment mit 295 Probanden, wie sich Verkehrslärm und Vogelgezwitscher auf die Stimmung, Paranoia und kognitive Funktionen auswirken. 

Die Testpersonen hörten entweder sechs Minuten lang typischen Verkehrslärm oder Vogelgezwitscher mit einer unterschiedlichen Anzahl verschiedener Verkehrsgeräusche oder Vogelgesänge. 

Vor und nachdem sie die Tonaufnahmen angehört hatten, bewerteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Fragebögen ihre psychische Gesundheit und führten kognitive Tests durch.

Aus den vorliegenden Forschungsergebnissen geht hervor, dass das Hören von Vogelgezwitscher bei gesunden Teilnehmerinnen und Teilnehmern Ängste und Paranoia reduziert. 

Verkehrslärm verschlechtert im Allgemeinen depressiven Zustände

Der Vogelgesang schien in diesem Experiment keine Auswirkungen auf depressive Zustände zu haben. Der Verkehrslärm dagegen verschlechterte im Allgemeinen die depressiven Zustände, insbesondere wenn der Audio-Clip viele verschiedene Arten von Verkehrsgeräuschen enthielt. 

Dass Vogelgesang einen positiven Einfluss auf die Stimmung hat, ist bereits bekannt, aber soweit den Autoren bekannt ist, ist diese Studie die erste, die einen Effekt auf paranoide Stimmungszustände nachweisen konnte. 

Diese Wirkung war unabhängig davon, ob der Vogelgesang von zwei oder mehr verschiedenen Vogelarten stammte. Ferner fanden die Forscher heraus, dass weder Vogelgezwitscher noch Verkehrslärm die kognitiven Leistungen beeinflussten.

Nach Ansicht der Forscher ist die Erklärung für die beschriebenen Effekte, dass Vogelgezwitscher ein subtiler Hinweis auf eine intakte natürliche Umgebung ist und die Aufmerksamkeit von Stressfaktoren ablenkt, die ansonsten eine akute Bedrohung signalisieren könnten. 

Anhand der Ergebnisse lassen sich den Studienautoren zufolge interessante Wege für weitere Forschungen und Anwendungen aufzeigen, wie zum Beispiel die aktive Einflussnahme auf Hintergrundgeräusche in verschiedenen Situationen oder die Untersuchung ihres Einflusses auf Patienten mit diagnostizierten Angststörungen oder Paranoia.

Außerdem könnte Vogelgezwitscher auch zur Vorbeugung psychischer Störungen eingesetzt werden. 

Nach Ansicht von Emil Stobbe vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wäre das Anhören einer Tonaufnahme mit Vogelgezwitscher eine einfache, leicht zugängliche Behandlungsmöglichkeit. 

Ferner ist davon auszugehen, dass die in der Studie gezeigten Effekte zeigen draußen in der Natur noch stärker sind, erklärte die Leiterin der Forschungsgruppe Simone Kühn.

Wie eine andere Studie des Max-Planck-Instituts zeigte, reduziert ein einstündiger Spaziergang in der Natur die mit Stress verbundene Gehirnaktivität.

Die Forschungsergebnisse der vorliegenden Studie wurden in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

Vogelgesang steigert das menschliche Wohlbefinden

Immer mehr Forschungsergebnisse zeigen, dass die Zeit, die der Mensch in der Natur verbringt, zu seiner psychischen Gesundheit beiträgt. 

Zwar haben zahlreiche Forschungen ergeben, dass Menschen von einem Aufenthalt in der Natur profitieren und dass der Aufenthalt in der Natur positive Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden hat, aber nur wenige Studien haben untersucht, warum. 

  • Ein Team von Wissenschaftlern der California Polytechnic State University hat untersucht, inwieweit die natürlichen Geräusche, die Menschen während ihres Aufenthalts in der Natur hören, zu diesem Wohlbefinden beitragen.

Auch wenn die erholsamen Eigenschaften der Natur wahrscheinlich mehrere Sinne einbeziehen, ist diese Studie die erste, in der ein einzelner Sinn (der Klang) experimentell manipuliert und seine Bedeutung für die menschlichen Erfahrungen in der Natur nachgewiesen wurde.

Die Forschenden der California Polytechnic State University versteckten auf zwei Wegabschnitten im Boulder Open Space and Mountain Park in Colorado Lautsprecher, die den Gesang verschiedener Vögel abspielten. 

Sie spielten abwechselnd Vogelgesang und schalteten die Lautsprecher auf jedem Wegabschnitt in wöchentlichen Blöcken aus. Die Wanderer wurden befragt, nachdem sie diese Abschnitte durchlaufen hatten.

  • Wanderer, die die Vogelstimmen hörten, berichteten von einem größeren Wohlbefinden als diejenigen, die sie nicht hörten. 

Aus den Umfrageergebnissen ging hervor, dass sowohl die Geräusche selbst als auch die Wahrnehmung der Artenvielfalt das Wohlbefinden der Menschen steigern können.

Im ersten Abschnitt des Weges berichteten die Wanderer, die mehr Vogelgezwitscher hörten, lediglich, dass sie sich besser fühlten, aber nicht, dass sie glaubten, dass mehr Vögel an diesem Teil des Weges lebten. 

Die Forscher fanden heraus, dass diese Wahrnehmung von mehr Vogelarten dafür verantwortlich war, dass sich die Wanderer besser fühlten.

Die Tatsache, dass nur 7 bis 10 Minuten mit diesen Geräuschen das Wohlbefinden der Menschen verbessert haben, hat die Forscher überrascht und unterstreichen die Wichtigkeit, die natürliche Geräuschkulisse innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten zu verbessern. 

Je weniger Lärmbelästigung durch den Menschen, desto mehr Wohlbefinden könnten die Menschen erfahren, da sie natürliche Geräusche, wie beispielsweise Vogelgesang, besser wahrnehmen können, so die Forscher.

Die Ergebnisse der Studie wurden in den Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.

Das Hören oder Sehen von Vögeln wirkt sich positiv auf die psychische Gesundheit aus

Eine Studie des King’s College London hat herausgefunden, dass das Sehen oder Hören von Vögeln mit einer Verbesserung des psychischen Wohlbefindens verbunden ist, die bis zu acht Stunden anhalten kann.

  • Diese Verbesserungen des psychischen Wohlbefindens zeigten sich auch bei Menschen, bei denen eine Depression diagnostiziert wurde, was auf die potenzielle Rolle von Vögeln beziehungsweise Vogelgesang bei der Unterstützung von betroffenen Menschen mit psychischen Erkrankungen hinweist.

Für die Studie, die in wer wissenschaftlichen Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde, wurde die Smartphone-Anwendung Urban Mind verwendet, um die Echtzeitberichte von Menschen über ihr psychisches Wohlbefinden in Verbindung mit ihren jeweiligen Mitteilungen/Berichten über das Sehen oder Hören von Vögeln und Vogelgesang zu sammeln.

Nach Aussage von Ryan Hammoud, Forschungsassistent am Institute of Psychiatry, Psychology & Neuroscience des King’s College London gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege für die positiven Auswirkungen von Vogelgezwitscher auf die psychische Gesundheit und allgemein, wenn man sich in der Natur aufhält.

Es gibt jedoch nur wenige Studien, die den Einfluss von Vögeln auf die psychische Gesundheit in Echtzeit und in einer realen Umgebung untersucht haben, so Ryan Hammoud.

  • Mit der Urban Mind App haben die Forschenden zum ersten Mal den direkten Zusammenhang zwischen dem Sehen oder Hören von Vögeln und einer positiven Stimmung nachweisen können. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen, dass diese Erkenntnisse zeigen, wie wichtig der Schutz und die Schaffung von vogelfreundlichen Umgebungen sind – nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch für unsere psychische Gesundheit des Menschen.

An der Studie nahmen zwischen April 2018 und Oktober 2021 1.292 Personen teil, die 26.856 Bewertungen über die App Urban Mind abgaben, die vom King’s College London, den Landschaftsarchitekten J&L Gibbons und der Kunststiftung Nomad Projects entwickelt wurde.

Die Teilnehmenden wurden weltweit rekrutiert, wobei die meisten in Großbritannien, der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika lebten.

Über die App wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dreimal täglich gefragt, ob sie Vögel sehen oder hören können, gefolgt von Fragen zum psychischen Wohlbefinden, damit die Forscherinnen und Forscher einen Zusammenhang zwischen beiden feststellen und abschätzen konnten, wie lange dieser Zusammenhang auf die Stimmung und das Wohlbefinden der Befragten anhält.

In der Studie „Smartphone-based ecological momentary assessment reveals mental health benefits of birdlife“ wurden auch Informationen über bestehende Diagnosen von psychischen Erkrankungen erhoben. 

Dabei zeigte sich, dass das Hören oder Sehen von Vögeln sowohl bei gesunden Menschen als auch bei Menschen mit Depressionen mit einer Verbesserung des psychischen Wohlbefindens verbunden war. 

  • Die Forscherinnen und Forscher konnten mit der Studie zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Vögeln und psychischem Wohlbefinden nicht durch Umweltfaktoren wie Bäume, Pflanzen (Grünflächen) oder Wasserläufe erklärt werden kann.

Der Begriff Ökosystemleistungen wird oft verwendet, um die Vorteile bestimmter Aspekte der natürlichen Umwelt für unsere körperliche und geistige Gesundheit zu beschreiben. Es ist jedoch schwierig, diese Vorteile wissenschaftlich zu belegen. 

Diese Studie liefert nach Aussage von Andrea Mechelli, Professor für Frühintervention in der psychischen Gesundheit am IoPPN des King’s College London eine wissenschaftliche Faktenbasis für die Schaffung und Unterstützung artenreicher Räume, die Vögel beherbergen, da diese stark mit der psychischen Gesundheit des Menschen verbunden sind. 

Die Forschungsergebnisse unterstützen außerdem die Umsetzung von Maßnahmen, die den Menschen mehr Möglichkeiten bieten, mit der Vogelwelt (Natur) in Kontakt zu kommen, insbesondere für Menschen, die an psychischen Erkrankungen wie Depressionen leiden.

Der Aufenthalt an Flüssen und Kanälen hebt die Stimmung bis zu 24 Stunden

Laut einer weiteren Studie von Forscherinnen und Forschern des King’s College London hat die Kombination von blauen und grünen Flächen und Wildtieren einen größeren Einfluss auf das Wohlbefinden als der Aufenthalt in einer Umgebung, die nur von Grünflächen geprägt ist.

Die Wissenschaftler nutzten Urban Mind, eine Smartphone-basierte App, um Tausende von Echtzeit-Audits über den Standort und das psychische Wohlbefinden der Teilnehmer zu sammeln.

  • Die Ergebnisse der Studie zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt an Wasserstrassen, Kanälen und Flüssen und dem psychischen Wohlbefinden sowie eine positive Erfahrung in Bezug auf das Gefühl von Sicherheit und sozialer Integration im Vergleich zu allen anderen Arten von Umgebungen (wie drinnen oder einer städtischen Umgebung oder in der Nähe von Grünflächen).

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen zudem, dass der Aufenthalt an Flüssen und Kanälen mit einer stärkeren Verbesserung des psychischen Wohlbefindens einhergeht. 

  • Dieser Effekt blieb auch bestehen, wenn man die individuellen Unterschiede aufgrund von Alter, Geschlecht, Bildung, ethnischer Zugehörigkeit und der Diagnose einer psychischen Erkrankung der Studienteilnehmer mit einbezog. 
  • Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten außerdem, dass sich ihr psychisches Wohlbefinden noch bis zu 24 Stunden nach dem Besuch verbessert hatte.

Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht.

Quellen

  • King’s College London
  • Max-Planck-Gesellschaft
  • California Polytechnic State University
  • E. Stobbe et al, Birdsongs alleviate anxiety and paranoia in healthy participants, Scientific Reports (2022). DOI: 10.1038/s41598-022-20841-0
  • Sonja Sudimac et al, How nature nurtures: Amygdala activity decreases as the result of a one-hour walk in nature, Molecular Psychiatry (2022). DOI: 10.1038/s41380-022-01720-6
  • Danielle M. Ferraro et al, The phantom chorus: birdsong boosts human well-being in protected areas, Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences (2020). DOI: 10.1098/rspb.2020.1811
  • Smartphone-based ecological momentary assessment reveals mental health benefits of birdlife‘, Scientific Reports (2022)
  • The mental health benefits of visiting canals and rivers: An ecological momentary assessment study, PLoS ONE (2022)

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