Université Laval: Warum sich schwere Depressionen bei Frauen und Männern unterschiedlich auswirken

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Torsten Lorenz, aktualisiert am 10. Januar 2022, Lesezeit: 4 Minuten

Ein Forscherteam der Universität Laval in Quebec City, Kanada, hat möglicherweise herausgefunden, warum sich schwere Depressionen bei Frauen und Männern unterschiedlich auswirken.

Bei Frauen identifizierten sie außerdem einen potenziellen Biomarker (lösliches E-Selektin) für Depressionen, der möglicherweise zur Früherkennung und Diagnose von Depressionen eingesetzt werden könnte.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen untersuchten die Gehirne von Menschen mit Depressionen zum Zeitpunkt des Todes und entdeckten Veränderungen, die sich bei jedem Geschlecht in anderen Teilen des Gehirns befinden.

Es gibt große Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wenn es um Depressionen geht, erklärt Caroline Ménard, Professorin an der medizinischen Fakultät der Universität Laval und Wissenschaftlerin am Cervo Brain Research Centre.

Bei Frauen tritt die Krankheit der Forscherin zufolge doppelt so häufig auf, die Symptome sind anders, und die Reaktion auf Antidepressiva ist nicht dieselbe wie bei Männern. Ziel der Forscher war es, herauszufinden, warum.

Bereits in einer früheren Forschungsarbeit konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass lang anhaltender sozialer Stress bei männlichen Mäusen die Blut-Hirn-Schranke schwächt, die das Gehirn vom peripheren Blutkreislauf trennt.

Diese Veränderungen waren auf den Verlust des Proteins Claudin-5 zurückzuführen und zeigten sich im Nucleus accumbens, einem Teil des Gehirns, der mit Belohnung und der Kontrolle von Emotionen in Verbindung gebracht wird.

Dieselben Beobachtungen machten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch in den Gehirnen von Männern, die zum Zeitpunkt ihres Todes an Depressionen litten.

Bei der Wiederholung des Experiments an weiblichen Mäusen stellten die Forschenden an der Université Laval fest, dass die durch den Verlust von Claudin-5 verursachten Veränderungen der Hirnschranke im präfrontalen Kortex zu finden waren.

Diese Ergebnisse wurden auch bestätigt, als sie die Gehirne von Frauen untersuchten, die zum Zeitpunkt ihres Todes an einer Depression litten. Bei Männern hingegen war die Blut-Hirn-Schranke des präfrontalen Kortex nicht betroffen.

Der präfrontale Kortex ist laut Professorin Ménard sowohl an der Stimmungsregulation als auch an der Wahrnehmung von Ängsten und der Selbstwahrnehmung beteiligt.

Bei chronisch gestressten männlichen Mäusen und bei Männern mit Depressionen war dieser Teil des Gehirns nicht verändert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass chronischer Stress die Hirnschranke je nach Geschlecht unterschiedlich verändert, so die Forscherin.

Bei weiteren Untersuchungen entdeckten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einen Blutmarker, der mit der Gesundheit der Hirnschranke in Verbindung steht.

Der Marker, lösliches E-Selektin, ist ein Entzündungsmolekül, das im Blut von gestressten weiblichen Mäusen in höheren Konzentrationen gefunden wurde. Er ist auch in Blutproben von Frauen mit Depressionen vorhanden, nicht aber bei Männern.

Heute werden Depressionen immer noch anhand von Fragebögen diagnostiziert, so die Forscher. Die Forscher an der Université Laval sind die ersten, die die Bedeutung der neurovaskulären Gesundheit bei Depressionen nachgewiesen haben und lösliches E-Selektin als Biomarker für Depressionen vorschlagen.

Dieser Biomarker könnte möglicherweise zur Früherkennung und Diagnose von Depressionen eingesetzt werden. Auch die Wirksamkeit bestehender oder in der Entwicklung befindlicher Behandlungen könnte damit gemessen werden. Vorher müssen den Forschern zufolge jedoch klinische Studien mit großen Stichproben durchgeführt werden, um die Zuverlässigkeit des Biomarkers zu bestätigen.

Die vorliegende Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Quellen: Université Laval / Vascular and blood-brain barrier-related changes underlie stress responses and resilience in female mice and depression in human tissue, Nature Communications (2022). DOI: 10.1038/s41467-021-27604-x

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