Beckenboden trainieren: Welche Übungen die Beckenbodenmuskulatur stärken

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Medizin Doc Redaktion, aktualisiert am 22. Mai 2023, Lesezeit: 11 Minuten

Probleme mit dem Beckenboden können sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten. Für Betroffene gibt es Beckenbodentraining und Beckenbodenübungen zur Stärkung des Beckenbodens, die nicht invasiv sind.

  • Ein starker Beckenboden schützt vor Inkontinenz und verbessert die Lebensqualität.

Beckenboden und Beckenbodenmuskulatur

Der Beckenboden ist ein Geflecht aus Muskeln und Bändern. Er wird von den Hüftknochen und der Schambeinfuge begrenzt und stützt neben der Gebärmutter und der Scheide bei der Frau, der Prostata beim Mann, der Harnblase und dem Enddarm auch innere Organe wie den Darm.

Die Beckenbodenmuskulatur, auch Levator ani genannt, erstreckt sich vom Schambein bis zum Steißbein und bildet den „Boden“ des Beckens. Durch kleine Öffnungen in dieser Muskelgruppe verlaufen die Harnröhre, die Scheide und der Enddarm.

  • Der Levator ani hilft, den Druck in der Harnröhre aufrechtzuerhalten, damit der Urin nicht abfließt.

Die Muskeln und Bänder des Beckenbodens stützen nicht nur die Bauch- und Beckenorgane, sondern spielen auch eine wichtige Rolle beim Wasserlassen, beim Stuhlgang, bei der Aufrechterhaltung der Sexualfunktion sowie bei Geburt und Entbindung.

Durch das Altern, Geburten, Operationen oder bestimmte Krankheiten kann der Levator ani geschädigt oder geschwächt werden. Eine Stärkung dieses Muskels kann die mit einer überaktiven Blase verbundenen Kontraktionen verringern und dazu beitragen, Blase, Gebärmutter und Enddarm in ihrer richtigen Position zu halten.

Bei welchen Problemen Beckenbodentraining hilft

Laut dem Urologen Dr. Rotimi Nettey, Assistant Professor am Scott Department of Urology des Baylor College of Medicine, hilft die Beckenbodentherapie bei der Behandlung von Verletzungen oder Störungen, die die Funktion des Beckenbodens beeinträchtigen.

Zu den Erkrankungen, die mit einer Beckenbodentherapie behandelt werden können, gehören Blasenschwäche, Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz, Verstopfung, sexuelle Funktionsstörungen oder einem Vorfall der Beckenorgane (Beckenorganprolaps, Störungen des Halteapparats der Beckenorgane).

  • Ein Beckenorganvorfall ist eine Lockerung oder Schwächung der Bänder, des Bindegewebes und der Muskulatur im Bereich des Beckens, die zu einem Vorfall (Prolaps) der Harnblase, der Harnröhre, des Dünndarms, des Mastdarms oder der Gebärmutter in die Scheide führt.

Grundsätzlich können alle Menschen von einer Beckenbodentherapie profitieren. Bei Männern kann eine Beckenbodentherapie zum Beispiel bei sexuellen Funktionsstörungen, Beckenschmerzen, vorzeitigem Samenerguss oder Inkontinenz nach einer Prostataoperation eingesetzt werden.

  • Bei einem Großteil der Frauen kommt es nach einer Schwangerschaft und einer vaginalen Geburt zu einer Schädigung des Beckenbodens.

Obwohl vielen Frauen empfohlen wird, während der Schwangerschaft einen Beckenbodentherapeuten aufzusuchen, können Beckenbodentraining und Beckenbodenübungen auch nach der Geburt und weit darüber hinaus hilfreich sein.

Auch Frauen, die unter Inkontinenz, einem Vorfall der Beckenorgane (eine Senkung oder ein Austreten eines oder mehrerer Beckenorgane), Problemen beim Stuhlgang, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder sexuellen Funktionsstörungen leiden, können von einer Beckenbodentherapie profitieren.

Ähnlich wie Physiotherapie bei Knie- oder Schulterverletzungen helfen kann, arbeitet die Beckenbodentherapie mit der Beckenbodenmuskulatur, um diese nach einer Verletzung oder Zerstörung zu regenerieren, so der Urologe Dr. Rotimi Nettey.

Die häufigste Verletzung des Beckenbodens tritt während der Schwangerschaft auf, da die Gebärmutter direkt auf verschiedene Muskeln und Nervengruppen drücken kann.

  • Die Muskulatur wird durch die ständige Beanspruchung überlastet, da man sich auf sie als Stütze verlässt. Bei einer vaginalen Geburt werden die Bänder und Muskeln des Beckenbodens verletzt, was zu Rissen oder Zerreißungen dieser Strukturen führen kann.

Beckenbodengymnastik hilft, die Kontrolle wiederzuerlangen und diese Muskelgruppen zu rehabilitieren (regenerieren). Nach einer Geburt kann die Kontrolle über die Blasen- und Stuhlfunktion beeinträchtigt sein.

  • Durch geeignete Behandlungen kann die Kontrolle über die Inkontinenz und den Stuhlgang wiedererlangt werden.

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, den Beckenboden zu trainieren. Der Beckenboden kann sowohl im Stehen als auch im Sitzen oder Liegen gestärkt werden.

Die Beckenbodentherapie hilft den Patientinnen und Patienten, so der Urologe, weil sie selbst durchgeführt werden kann, sobald sie einen Therapeuten aufsuchen, der das in der Therapie Gelernte vertiefen kann.

Beckenbodentraining ist für die Patientinnen und Patienten nützlich und ungefährlich und im Vergleich zu anderen angebotenen Therapien praktisch nicht invasiv.

Welche Beckenbodenübungen für wen am besten geeignet sind, bespricht man am besten mit der Ärztin, dem Arzt oder der Physiotherapeutin.

Patientinnen und Patienten, die sich für eine Beckenbodentherapie interessieren, sollten sich an ihren Urologen oder Gynäkologen wenden.

Atmung und Beckenbodengymnastik

Beim Beckenbodentraining ist die richtige Atemtechnik sehr wichtig, da Zwerchfell und Beckenboden eng miteinander verbunden sind:

Beim Einatmen senkt sich das Zwerchfell und die Bauchorgane werden nach unten gedrückt. Dadurch dehnt sich der Beckenboden aus und wird nach unten gedrückt.

Beim Ausatmen hebt sich das Zwerchfell wieder, die Beckenbodenmuskulatur zieht sich zusammen und der Beckenboden hebt sich wieder.

Das Zusammenspiel von Atmung und Zwerchfellbewegung ist wichtig, damit sich die Beckenbodenmuskulatur sowohl kräftig anspannen als auch ausreichend entspannen kann, was auch einer Zwerchfellentzündung vorbeugt.

Beispiele für das Training der Beckenbodenmuskulatur

Ein regelmäßiges Training der Beckenbodenmuskulatur ist für jeden empfehlenswert – unabhängig von Geschlecht und Alter.

Dabei gilt: Je früher mit dem Training begonnen wird, desto kräftiger wird die Muskelstruktur mit zunehmendem Alter.

Mögliche Kontraindikationen sind:

  • Gesundheitszustand nach Operationen,
  • Entzündungen im Beckenbereich
  • eine Fraktur im Beckenbereich.

Die Übungen sind verhältnismäßig einfach. Sie können daher auch zu Hause oder unterwegs durchgeführt werden. Eine besondere Vorbereitung ist nicht erforderlich.

  • Das Beckenbodentraining kann auch während anderer Aktivitäten (z.B. während der Arbeit) durchgeführt werden.

Die Beckenbodenübungen können auch in verschiedenen Positionen durchgeführt werden. Am besten eignet sich die liegende oder stehende Position.

Für Frauen gibt es ein spezielles Gerät, die sogenannten Geisha-Kugeln, mit denen sie die Übungen durchführen können. Die Kugeln werden in die Scheide eingeführt und bewirken eine Anspannung der Kegelmuskulatur.

Quelle: YouTube/Uniklinik RWTH Aachen

Spezielle Beckenbodenübungen für zu Hause und unterwegs

Kegelübung zur Stärkung des Beckenbodens

Die Kegelübung ist wahrscheinlich die bekannteste Beckenbodenübung. Sie besteht aus einer isometrischen Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur, wobei die Muskeln angespannt, aber nicht in ihrer Länge verändert werden.

Um eine Kegelübung durchzuführen, sind folgende Schritte erforderlich:

Zuerst spannt man die Beckenbodenmuskulatur für 5 Sekunden an. Es ist wichtig, während dieser Anspannung weiter zu atmen.

Nach 5 Sekunden Anspannung die Muskeln 5 Sekunden lang langsam und vollständig entspannen.
Diese Übung 10 Mal wiederholen, mindestens 3 Mal pro Tag.

Es kann vorkommen, dass die Beckenbodenmuskulatur während dieser Übung ermüdet. In diesem Fall die Übung unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen.

Die Bauch-, Bein- und Gesäßmuskeln sollten bei dieser Übung nicht angespannt werden.

Mit zunehmender Übungszahl sollte die Halte- und Anspannungsdauer der Beckenbodenmuskulatur verlängert werden. Beginnen Sie mit 5 Sekunden und steigern Sie die Zeit langsam von Woche zu Woche, bis Sie 10 Sekunden halten und entspannen.

Umgekehrte Kegelübung

Eine ermüdete Beckenbodenmuskulatur und ein unausgeglichener intraabdomineller Druck können zu einer hypertonen Beckenbodenmuskulatur führen.

Die umgekehrte Kegelübung ist eine Technik zur bewussten Entspannung der Beckenbodenmuskulatur. Dabei lenkt man die geistige Aufmerksamkeit auf die Beckenbodenmuskulatur und versucht, sie bewusst zu entspannen.

Das Gefühl der Entspannung des Beckenbodens ist vergleichbar mit dem Moment der Entleerung der Blase nach dem Toilettengang.

Um eine umgekehrte Kegelbewegung auszuführen, sind folgende Schritte notwendig:

Zuerst den Beckenboden leicht anspannen, um zu spüren, wie sich die Anspannung der Muskeln anfühlt.

Entspannen Sie sich und lassen Sie die Muskelanspannung wieder los, um den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung zu spüren.

Dann versuchen Sie sich vorzustellen, dass sich die Muskeln zwischen Schambein und Steißbein verlängern, indem Sie das Schambein sanft in Richtung Decke bewegen (wenn Sie auf dem Rücken liegen) und das Steißbein sanft in Richtung der Oberfläche bewegen, auf der Sie liegen.

Stellen Sie sich vor, wie sich die Beckenbodenmuskeln verlängern und mehr Platz im Beckenboden schaffen. Atmen Sie während der Übung normal.

Bei der umgekehrten Kegelübung ist es wichtig, das Becken und die Wirbelsäule ruhig zu halten. Diese Beckenbodenübungen können sowohl im Sitzen als auch im Stehen durchgeführt werden.

Hypopressive Übungen

Hypopressive Übungen (HPE) senken den intraabdominalen Druck und erhöhen gleichzeitig den Tonus der Beckenbodenmuskulatur und der tiefen Bauchmuskulatur ohne willentliche Aktivierung.

Es handelt sich um eine Serie von 33 aufeinanderfolgenden hypopressiven Übungen, die jeweils in verschiedenen Positionen (stehend, kniend, im Vierfüßlerstand, sitzend und auf dem Rücken liegend) durchgeführt werden, kombiniert mit einem hypopressiven Manöver, bei dem die Frauen eine exspiratorische Apnoe (Atemanhalten am Ende der Ausatmung) durchführen, während sie den Bauch einziehen und den Brustkorb öffnen.

Aktivierung des transversus abdominis

Die Aktivierung des transversus abdominis (TrA) erleichtert nachweislich die Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur und umgekehrt.

Die Aktivierung des transversus abdominis führt auch zu einer erhöhten Aktivität der Beckenbodenmuskulatur, ohne diese direkt zu trainieren.

Die Aktivierung des transversus abdominis kann durch die Körperposition, die Erhöhung der Haltezeiten und die Erhöhung der Übungseinheiten gesteigert werden.

Der Musculus transversus abdominis (TrA) ist der tiefste der sechs Bauchmuskeln. Er verläuft zwischen den Rippen und dem Becken und umhüllt den Rumpf von vorne nach hinten. Die Fasern dieses Muskels verlaufen horizontal, ähnlich wie bei einem Rückenstützgürtel.

Die Aktivierung kann zunächst in Körperpositionen mit geringer Belastung beginnen, z. B. in Rückenlage, im Vierfüßlerstand, im Sitzen oder im Stehen.

Die Aktivierung des Transversus abdominis (TrA) kann durch zusätzliche Arm- und/oder Beinbewegungen und Bewegungen wie Gehen oder Balancieren auf einem Kippbrett gefördert werden. Das Kippbrett ist eine hervorragende Übung für den transversus abdominis (TrA).

Biofeedback als Hilfsmittel beim Beckenbodentraining

Viele Frauen nehmen ihren Beckenboden nicht ausreichend wahr und können ihn daher nicht willentlich aktivieren. Auch manchen Männern fällt es schwer, ihre Beckenbodenmuskulatur gezielt anzusprechen.

Für ein effektives Beckenbodentraining gibt es daher wirksame Hilfsmittel, die die Wahrnehmung des Beckenbodens erleichtern und die Kräftigung der Muskulatur fördern.

Biofeedback ist eine instrumentengestützte Maßnahme, die es den Betroffenen ermöglicht, die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur in Echtzeit zu beobachten.

Biofeedback kann eingesetzt werden, um schwache Beckenbodenmuskeln zu stärken und hypertone Beckenbodenmuskeln zu entspannen.

Die Biofeedback-Übungen bestehen, ähnlich wie die Kegelübungen, aus abwechselnden Phasen von Anspannung und Entspannung. Biofeedback kann die Sensibilität und die neuromuskuläre Kontrolle der Beckenbodenmuskulatur verbessern.

  • Bei der Anwendung von Biofeedback sollte der Therapeut vor Beginn der Übung die Grundaktivität der Beckenbodenmuskulatur messen.

Myofascial Release (MFR) – Faszienmanipulation

Beckenbodentherapeutinnen und -therapeuten wenden eine Vielzahl von Techniken an, darunter Entspannungs- und Rückbildungsübungen, die für Patientinnen und Patienten mit überaktiver Blase oder verspanntem Beckenboden hilfreich sein können, sowie Myofascial Release (MFR) für Patientinnen und Patienten mit Beckenbodenschmerzen oder Biofeedback-Therapie.

Die Behandlung mit Myofascial Release ist eine individuelle Körpertherapie. Durch gezielte Manipulation (Lösen) von tiefliegenden Bindegewebsverspannungen wird versucht, über das Fasziensystem ausgleichend auf den gesamten Organismus einzuwirken und dem Körper zu mehr Ausgeglichenheit und Leistungsfähigkeit zu verhelfen.

Quellen

  • National Health Service (UK)
  • Baylor College of Medicine
  • Memorial Sloan-Kettering Cancer Center
  • University of California, San Francisco Medical Center
  • Bharucha AE. Pelvic floor: anatomy and function. Neurogastroenterology & Motility. 2006 Jul;18(7):507-19.
  • Navarro-Brazález B, Prieto-Gómez V, Prieto-Merino D, Sánchez-Sánchez B, McLean L, Torres-Lacomba M. Effectiveness of Hypopressive Exercises in Women with Pelvic Floor Dysfunction: A Randomised Controlled Trial. J Clin Med. 2020 Apr 17;9(4):1149, DOI: 10.3390/jcm9041149
  • Capelini MV, Riccetto CL, Dambros M, Tamanini JT, Herrmann V, Muller V. Pelvic floor exercises with biofeedback for stress urinary incontinence. Int Braz J Urol. 2006 Jul-Aug;32(4):462-8; discussion 469, DOI: 10.1590/s1677-55382006000400015

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