ADHS-Forschung: Genauere Diagnose von Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung, Psychische Gesundheit

Torsten Lorenz, aktualisiert am 6. Januar 2022, Lesezeit: 6 Minuten

Die Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Erwachsenen basiert auf den Kriterien Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Da die Ursachen von ADHS eine biologische Grundlage haben, könnte die Entdeckung von Biomarkern bei der Diagnose und Behandlung dieser Störung helfen.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität Genf, des Zentrums für Biomedizinische Bildgebung und des Universitätsspitals Genf haben sich auf ein neues elektroenzephalographisches Verfahren, die sogenannten Mikrozustände, konzentriert, um die neurologischen Signaturen von ADHS zu identifizieren.

Zustand zerebraler Aktivität

Mit der Mikrostaten-Technik werden die kombinierten räumlichen und zeitlichen Aspekte der zerebralen Aktivität untersucht. Mithilfe dieser Technik entdeckten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass ein bestimmter Zustand zerebraler Aktivität, der mit Schlaf und Aufmerksamkeit in Verbindung gebracht wird, bei Menschen mit ADHS länger anhielt.

Die Ergebnisse der Studie wurden in dem Fachblatt Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging veröffentlicht wurden, liefern den Beweis für einen robusteren ADHS-Biomarker und tragen somit dazu bei, die Psychiatrie zu einer präziseren medizinischen Disziplin zu machen.

Fünf Prozent der Erwachsenen sind von ADHS betroffen, was es zu einer der häufigsten psychischen Störungen macht. Derzeit stützt sich die klinische Diagnose einzig auf Fragebögen, die sich hauptsächlich auf die Symptome Unaufmerksamkeit und Impulsivität konzentrieren.

Ursachen von ADHS

Die Ursachen von ADHS sind zwar noch nicht genau bekannt, Neurowissenschaftler vermuten jedoch, dass sie eine biologische und genetische Ursache haben, was darauf hindeutet, dass es Biomarker geben könnte, die bei der Diagnose von ADHS helfen könnten.

Das Erforschen des menschlichen Gehirns ist ein schwieriges Unterfangen, da es nicht möglich ist, direkt in das Gehirn einzugreifen, um seine zellulären und molekularen Mechanismen zu untersuchen.

Daher werden nicht-invasive Untersuchungsmethoden wie Gehirnscans oder Elektroenzephalogramme (EEG) eingesetzt. Bei letzterem Test wird ein Netz von Elektrodensensoren auf der Kopfhaut der Testperson angebracht, um die von großen neuronalen Netzwerken erzeugten elektrischen Felder zu messen.

Jüngste Studien haben bei Patientinnen und Patienten mit ADHS eine abnorme EEG-Aktivität festgestellt, was darauf schließen lässt, dass eine abnorme Entwicklung des Gehirns die Ursache für ADHS sein könnte.

Allerdings variieren die Daten von Studie zu Studie zu stark, was sie zu unzuverlässigen Markern für ADHS macht. Diese Schwankungen sind laut Tomas Ros von der Université de Genève entweder auf die große Heterogenität der Ursachen von ADHS zurückzuführen oder auf den Umstand, dass herkömmliche EEG-Analysen kein geeignetes Instrument zur Untersuchung des Problems sind, da sie die räumlich-zeitlichen Aspekte der zerebralen Zustände nicht berücksichtigenZ

Zerebrale „Mikro“-Zustände

Die Aktivität des Gehirns wechselt im Ruhezustand schrittweise von einem Zustand in einen anderen, was sich in unterschiedlichen räumlichen Anordnungen im elektrischen Feld des EEGs äußert.

Neurowissenschaftler sprechen meist von fünf „Mikro“-Zuständen oder Hauptkonfigurationen, die mit den Buchstaben A bis E bezeichnet werden. Diese verschiedenen Zustände bleiben für etwa hundert Millisekunden stabil und wechseln von einem zum anderen, daher der Name Mikrozustände.

Ein EEG kann diese Mikrozustände erkennen, und ihre Häufigkeit, Dauer und Reihenfolge des Auftretens können aus den Aufzeichnungen herausgelesen werden.

Mit diesem Ansatz fanden die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Unterschiede zwischen erwachsenen Patientinnen und Patienten mit und ohne ADHS.

Der zerebrale Mikrozustand A scheint bei Patientinnen und Patienten, bei denen ADHS diagnostiziert wurde, von kürzerer Dauer zu sein. Durch den Vergleich dieser Beobachtung mit den Daten aus klinischen Fragebögen konnte laut Victor Férat, Forscher am Functional Brain Mapping Laboratory und Erstautor der Studie, festgestellt werden, dass dieser Zustand umgekehrt mit den Symptomen der Unaufmerksamkeit korreliert.

Die Studienautoren stellten fest, dass der Mikrozustand D bei Patientinnen und Patienten mit ADHS länger anhielt und dass dies mit einer erhöhten Schlafstörung, einem typischen Symptom von ADHS, einherging.

Da wissenschaftliche Forschungsergebnisse in der Praxis wiederholt werden müssen, haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Analysen mit einer anderen Gruppe von Patientinnen und Patienten wiederholt, um die Verallgemeinerbarkeit ihrer Ergebnisse zu überprüfen.

Zusammen mit Prof. Martijn Arns, Leiter des Brainclinics-Instituts in den Niederlanden, wurde die erste Datensammlung von sechsundsechzig Patientinnen und Patienten mit der Diagnose ADHS und sechsundsechzig Personen einer Kontrollgruppe durch eine separate Kohorte von zweiundzwanzig ADHS-Patientinnen und Patienten und zweiundzwanzig Kontrollpersonen validiert, die am Universitätsspital Genf (HUG) unter der Leitung von Prof. Nader Perroud, Mitautor der Studie, erfasst wurden.

Die Ergebnisse für den Mikrozustand D kannten wiederholt werden, nicht aber die für den Mikrozustand A. Der Mikrozustand D scheint demnach ein reproduzierbarer Gehirn-Biomarker für ADHS zu sein.

Zudem scheint er in dieser Gruppe mit Schlafstörungen verbunden zu sein, einem zentralen Aspekt von ADHS. Diese Ergebnisse stellen somit ein wertvolles Instrument für Forschung, Diagnose und sogar Behandlung dar.

Dieser Biomarker könnte zum Beispiel während eines Gehirntrainings mit Neurofeedback in Echtzeit überwacht werden, so die Forscher.

Diese vorliegende Studie wurde vom National Center of Competence in Research Synapsy (NFS-Synapsy) unterstützt, einem Forschungszentrum, das in den letzten zwölf Jahren Psychiatrie und Neurowissenschaften miteinander verbunden hat, um die neuronalen Grundlagen verschiedener psychologischer Störungen zu verstehen, in der Absicht, bessere Möglichkeiten für die Diagnose und Behandlung von ADHS zu schaffen.

ADHS vs. ADS: Ein Erfahrungsbericht, wie es ist ADHS zu haben

(Quelle: Leeroy will’s wissen!)

Quellen

  • National Center of Competence in Research Synapsy / Victor Férat et al., EEG-Mikrozustände als neuartige funktionelle Biomarker für die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen, Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging (2021). DOI: 10.1016/j.bpsc.2021.11.006

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