Diagnosestellung
Die Endometriose ist eine hormonabhängige Erkrankung, die extrem selten bei präpubertären Mädchen und selten bei postmenopausalen Frauen vorkommt. Sie wird am häufigsten bei Frauen zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr diagnostiziert.[4] Die Patientinnen sind bei Diagnosestellung im Mittel 28 Jahre alt.[5] Die Diagnose kann jedoch manchmal bereits wenige Monate nach der ersten Regelblutung,[6] in Einzelfällen auch vor der ersten Regelblutung[7][8][9] gestellt werden.
Sexuelle Dysfunktion: Die Hälfte der jungen Frauen ist sexuell unzufrieden und gestresst
Medianes Zeitintervall bis zur Diagnosestellung[10] | Dauer bis zur Diagnose |
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Frauen < 19 Jahre | 12,1 Jahre |
Frauen > 30 Jahre | 3,0 Jahre |
Patientinnen mit Kinderwunsch | 4,0 Jahre |
Patientinnen mit Unterbauchbeschwerden | 7,0 Jahre |
Die Endometriose wird häufig erst spät diagnostiziert.[11][12] Durchschnittlich vergehen 3 bis 11 Jahre zwischen ersten Symptomen und dem Stellen der Diagnose.[13][4][14][15][16] In diesem Zeitintervall haben etwa 50 Prozent der betreffenden Frauen fünf oder mehr Ärzte aufgesucht.[12] Je jünger die Patientinnen bei den ersten Anzeichen sind, desto mehr Zeit vergeht, bis die Endometriose diagnostiziert wird.[4][10]
Gründe für die verzögerte Diagnosestellung sind die unspezifischen Symptome, die wie Menstruationsbeschwerden (Dysmenorrhoe) teilweise von Mädchen, Frauen und Ärzten als normal angesehen werden. Daher werden Beschwerden verzögert berichtet und von Ärzten teilweise falsch gedeutet, wobei eine Vielzahl von Differentialdiagnosen als mögliche Ursache von Beschwerden infrage kommt.
Unspezifische Behandlungen wie die Gabe hormoneller Verhütungsmittel können die Beschwerden lindern und damit die korrekte Diagnostik ebenfalls verzögern. Ultraschalluntersuchungen werden als alleinige Untersuchung bei Unterbauchbeschwerden eingesetzt, obwohl damit lediglich Endometriosezysten der Eierstöcke sicher zu entdecken sind.[17][18][19][20]
Lokalisation
Die Endometriose befindet sich meist am Bauchfell im unteren Bauchraum bzw. kleinen Becken. Häufig sind dabei der Douglas-Raum, die Bänder zwischen Gebärmutter und Kreuzbein und die Eierstöcke betroffen. Eine Ausbreitung auf die Scheidenwand und den Darm sowie das Bindegewebe zwischen Scheide und Darm sind nicht selten. Weiterhin findet sich die Erkrankung in der Gebärmuttermuskulatur, dem Wurmfortsatz sowie am Zwerchfell. Auch die Vulva, der Damm und der Bauchnabel können betroffen sein. Sehr selten befällt die Endometriose die Lunge,[8] Skelettmuskulatur[21] und das Gehirn.[1]
Im Bauchraum wird zwischen einer oberflächlichen peritonealen Endometriose, die nur das Bauchfell betrifft, und der sogenannten tiefen infiltrierenden Endometriose unterschieden, die in Strukturen wie Harnblasen- und Darmwand oder Harnleiter hineinwächst.[10]
Nach Operationen können sich Endometrioseherde auch in Narben finden, beispielsweise nach Kaiserschnitten.[22]
Häufigkeit verschiedener Endometrioselokalisationen[10]befallene Struktur | Häufigkeit des Befalls in Prozent |
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Ligamentum sacrouterinum | 60 |
Eierstöcke | 52 |
Douglas-Raum | 28 |
Harnblase | 15 |
Ligamentum latum | 16 |
Mastdarm | 12 |
Mesosalpinx | 10 |
Ligamentum rotundum | 5 |
Eileiter | 2 bis 8 |
Appendix vermiformis | 2 |
Entstehung
Ursachen
Die Ursachen für die Entstehung der Endometriose sind nicht vollständig geklärt. Es gibt zahlreiche Erklärungsmodelle, die jedoch bislang nicht zu beweisen sind. Die Transplantationstheorie nach Sampson geht davon aus, dass lose Gebärmutterschleimhautzellen bei der retrograden Menstruation durch die Eileiter, aber auch über das Blut und über die Lymphgefäße sowie bei Operationen verschleppt werden und sich an anderer Stelle ansiedeln. Bei der Metaplasietheorie nach Meyer entstehen Endometrioseherde an Ort und Stelle aus embryonalen Bauchhöhlenzellen, dem sogenannten Zölomepithel. Die Induktionstheorie stellt eine Kombination aus der Transplantations- und Metaplasietheorie dar. Genetische Faktoren scheinen ebenfalls eine Rolle bei der Erkrankung zu spielen.[23] Umweltgifte wie PCB, DDT oder Dioxine können unter anderem ähnlich wie Östrogene wirken und damit möglicherweise das endokrine System bereits während der vorgeburtlichen Phase stören. Immunologische Ursachen werden ebenfalls diskutiert.[24] Die Archimetratheorie von Leyendecker sieht die Endometriose als Folge einer Adenomyosis oder deren Frühmanifestationen und somit als eine Erkrankung der Archimetra an. Dieses Konzept stützt sich auf spezifische Veränderungen des normalen Endometriums bei Frauen mit Endometriose, auf archimetrale Funktionsstörungen wie Hyper- und Dysperistaltik sowie auf eine archimetrale Infiltration in die Gebärmuttermuskulatur (Myometrium).[25][26] Das Archimetrakonzept wurde von Leyendecker zur Tissue Injury And Repair-Theorie. (TIAR) weiterentwickelt. Danach führt eine gesteigerte Peristaltik der Gebärmuttermuskulatur zu kleinsten Verletzungen in dieser (Autotraumatisierung). Im Reparationsmechanismus werden lokal Östrogene freigesetzt, welche wiederum die Peristaltik verstärken. Daraus könnte ein Teufelskreis entstehen.[27][28] Es gibt allerdings auch Hinweise, dass ein Zusammenhang mit erhöhten Östrogenen für die Adenomyosis besteht, nicht jedoch für andere Endometrioselokalisationen.[29]
Keine der vorliegenden Theorien kann jedoch bislang das komplexe Bild der Endometriose erklären. Vielmehr muss man ein multimodales Konzept aus den bisher bekannten Theorien annehmen, in dem eine Vielzahl von verschiedenen Faktoren zusammenwirkt.[5] So sah Weinschenk eine Störung des vegetativen Nervensystems als Auslöser der fehlerhaften Peristaltik.[30][31]
Theorien zur EndometrioseentstehungTheorie/Ursache | Beschreibung | Belege |
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Transplantationstheorie | - Während der Menstruation fließt Blut (und damit auch endometriales Gewebe) retrograd über die Tuben in den Bauchraum (was aber bei 90 % aller Frauen der Fall ist).
- Das aktive Endometrium implantiert sich bei Patientinnen mit Endometriose im Peritoneum (möglicherweise, weil es sich vorwiegend um die Basalis, bei gesunden Frauen dagegen eher um die Funktionalis handelt).[24]
| - das Endometrioserisiko ist bei Frauen mit starken und langen Menstruationsblutungen (und damit größeren Blutansammlungen im Bauch) erhöht[32]
- bei Patientinnen mit Endometriose ist eine verstärkte Gebärmutterperistaltik mit Erhöhung des intrauterinen Drucks beobachtet worden, wodurch die retrograde Menstruation verstärkt wird[32]
- eine Endometriose kann bei Pavianen durch Verschluss des Gebärmutterhalses induziert werden[32]
- bei Hymenalatresie (und dadurch ausschließlich retrograder Menstruation) ist eine Endometriose nachzuweisen[24][32]
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Metaplasietheorie | - pluripotentes Zölomepithel aus dem Bereich der Urogenitalfalte wandelt sich unter bestimmten Bedingungen in Müller-Gangepithel um und bildet Endometrioseherde[32]
| - Endometriose tritt gelegentlich bei Frauen mit nur rudimentärer Gebärmutter und damit fehlender Gebärmutterschleimhaut auf (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) und bei Männern, die mit hohen Östrogendosen behandelt wurden[32]
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Induktionstheorie | - Retrograde Menstruation wirkt als Stimulus für das Mesothel zur Bildung und Implantation von endometrialen Zellen[32]
| - Kombination aus Transplantations- und Metaplasietheorie[32]
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Genetik | - genetische Ursachen der Endometriose sind wahrscheinlich[23][32][33]
- bisher ist es aber noch nicht gelungen, spezielle „Endometriosegene“ zu identifizieren,[32][33] jedoch signifikante Veränderungen in Expression verschiedener Gene[24][34]
| - weibliche Verwandte ersten Grades von Frauen mit schwerer Endometriose haben gegenüber Verwandten gesunder Frauen ein deutlich höheres Risiko, ebenfalls an Endometriose zu erkranken[23][24][32]
- der Schweregrad der Endometriose bei familiärer Häufung ist größer, was für einen polygenen Erbgang spricht[23]
- aus Zwillingsstudien an Patientinnen mit Endometriose wurde errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, an Endometriose zu erkranken, zu 51 % auf genetische Faktoren zurückzuführen ist[32]
- berücksichtigt man alle Schweregrade der Endometriose, hat die Schwester einer erkrankten Patientin gegenüber der Normalpopulation ein 2- bis 9-fach erhöhtes Risiko, an Endometriose zu erkranken, berücksichtigt man nur Frauen mit schwerer Endometriose, ist das Risiko 15-fach höher[32]
- Hox-Gene werden im Endometrium von Frauen mit Endometriose verstärkt exprimiert[23][35]
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Umweltgifte | - eine Beteiligung von Umweltöstrogenen („Endokrine Disruptoren“), aber auch von Schadstoffen und Chemikalien des täglichen Lebens (z. B. Kosmetika) wird vermutet[32][36]
| - tierexperimentell konnte mittels Protonen-Ganzkörperbestrahlung, Dioxine, Xenoestrogenen und verschiedenen Chemikalien (z. B. aus Kosmetika, Nagelpolituren, Gegenständen aus Plastik) das Wachstum typischer Endometrioseherde induziert werden[36]
- nachdem beim Sevesounglück in Italien eine große Anzahl von Frauen auf Dioxine untersucht worden war, bestätigte sich, dass die Frauen mit den höheren Dioxinwerten im Blut später häufiger eine Endometriose entwickelten als die mit fehlender Belastung[36]
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Immunologische Ursachen | - es scheint eine gestörte Aktivität der natürlichen Killerzellen mit unzureichendem Abbau des retrograd menstruierten Gewebes zu bestehen
- Makrophagen im Bauchfell fördern das Wachstum von Endometrioseherden durch Sekretion von Wachstumsfaktoren und Zytokinen[32]
| - die zellvermittelte und humorale Immunität sind bei Endometriosepatientinnen verändert
- die Zahl der Immunzellen in der Bauchhöhlenflüssigkeit ist erhöht
- ob die immunologischen Veränderungen die Endometriose verursachen oder ob sie durch die Endometriose verursacht werden, ist nicht geklärt[32]
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Tissue Injury And Repair-Theorie (TIAR) | - eine gesteigerte Peristaltik der Gebärmuttermuskulatur führt zu kleinsten Verletzungen in der Muskulatur
- beim Reparationsmechanismus werden lokal Östrogene freigesetzt, welche wiederum die Peristaltik verstärken[28]
| - gesteigerte und fehlerhafte Peristaltik der Gebärmuttermuskulatur sowie eine lokal erhöhte Östrogenkonzentration ist bei Endometriosepatientinnen nachweisbar[28]
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Konzept der Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems | - die gesteigerte Peristaltik der Gebärmuttermuskulatur wird durch eine Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems verursacht[30]
| - Prostaglandin F2α ist erhöht, muskelrelaxierendes Prostacyclin ist erniedrigt
- starke Reizung afferenter vegetativer Nervenfasern mit positivem Feedback-Mechanismus[30]
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Zell- und molekularbiologische Konzepte | - Adhaesionsmoleküle (Cadherine) werden verändert/vermindert gebildet
- die Gewebeintegrität ist gestört, Zellen können sich aus dem Gewebeverband ablösen
- ein Eindringen in andere Gewebe und Metastasierung sind dadurch möglich[37]
| - Endometriosezellen zeigen teilweise Eigenschaften bösartiger Tumore[37]
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Aromatase-Konzept | - hormonelle Veränderungen begünstigen Zellproliferation, -migration, Blutgefäßneubildung und Invasivität[37]
| - die Aromatasekonzentration in Endometriosegewebe ist erhöht und führt zu einer verstärkten lokalen Östrogenbildung, die wiederum die Bildung von Prostaglandin E2 stimuliert[37]
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Risikofaktoren
Hauptrisikofaktor ist die Menstruation selbst. Frauen mit frühem Einsetzen der Menstruation und später Menopause haben ein erhöhtes Risiko. Frauen, welche ihre Regelblutung durch die ständige Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva unterdrücken, haben ein geringeres Risiko, an Endometriose zu erkranken.[38] Bei Frauen mit einem kurzen Zyklus unter 28 Tagen und einer regelmäßigen Blutungsdauer über sieben Tagen fand sich ein erhöhtes Risiko. Auch Frauen, deren Familienmitglieder bereits erkrankt sind, zeigen ein höheres Auftreten der Erkrankung. Als weitere Risikofaktoren gelten späte erste Schwangerschaft,[5] Eingriffe an der Gebärmutter[39][40] und Übergewicht.[5][10] Allerdings wird auch ein Zusammenhang mit niedrigem Body-Mass-Index und der Körperfettverteilung diskutiert.[12][41][42][43][44]
Symptome
Leitsymptome der Endometriose sind mit dem Menstruationszyklus verbundene krampfartige Schmerzen von steigender Intensität (Dysmenorrhoe), aber auch chronische Bauch- und Rückenschmerzen kommen vor. Von einigen Wissenschaftlern wird die Dysmenorrhoe dabei nicht als Folge, sondern als Frühsymptom der Endometriose angesehen.[30][31] Bei Befall des Douglas-Raums können auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder schmerzhafter oder erschwerter Stuhlgang (Dyschezie) auftreten.[5] Ebenso sind Schmerzen beim Harnlassen beschrieben.[38][45] Die Regelschmerzen korrelieren dabei weder mit der Größe der Endometrioseherde noch mit einer speziellen anatomischen Lage. Die Entstehung der Dauerschmerzen ist mit einer starken Ausdehnung der Herde vergesellschaftet. Man geht davon aus, dass tief eindringende Endometrioseinseln kleinste Nerven im Beckenraum entweder durch Kompression oder durch Infiltration reizen.[46] Die Regelblutung kann verstärkt und verlängert sein.[10] Eine Harnstauung kann auf eine tiefe infiltrierende Endometriose hindeuten.[47] Bei rund der Hälfte der Patientinnen verursacht die Krankheit jedoch keine oder nur geringe Symptome.[5]
Mögliche Beschwerden bei Endometriose in abnehmender Häufigkeit[19][48]Symptome | Häufigkeit in Prozent |
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Dysmenorrhoe | ca. 95 |
Unterbauchschmerzen | ca. 85 |
Übelkeit | ca. 82 |
Darmsymptome | ca. 78 |
verlängerte und verstärkte Menstruation | ca. 65 |
Beschwerden beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) | ca. 60 |
Kopfschmerz, Schwindel | n/a |
Magenbeschwerden | n/a |
unerwünschte Kinderlosigkeit | n/a |
häufige Infekte | n/a |
subfebrile Temperaturen | n/a |
Endometriosebedingte Sterilität
Die Fruchtbarkeit (Fekundabilität) gesunder Frauen liegt zwischen 0,15 und 0,20 erfolgreichen Schwangerschaften pro Monat und nimmt mit dem Alter ab. Bei unbehandelten Frauen mit Endometriose liegt die Fekundabilität zwischen 0,02 und 0,10 und damit unter der Gesunder. Es wird geschätzt, dass 30 bis 50 % der Frauen mit Endometriose unfruchtbar (infertil) sind.[49] Bisher ist jedoch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Endometriose und Sterilität identifiziert worden, wenn nicht organische Veränderungen im Bereich der Eileiter und Eierstöcke vorliegen. Die Endometriose ist jedoch häufig mit Sterilität verbunden.[50] Mechanische Faktoren durch Verwachsungen der Eileiter sind als Ursache akzeptiert.[51] Ein durch die gesteigerte Gebärmutterperistaltik zu schneller und zu unregelmäßiger Transport von Spermien und ein zu hoher intrauteriner Druck können die Befruchtung wie auch die Einnistung der Eizelle verhindern.[30] Weitere Faktoren können eine gestörte Eierstock- und Eileiterfunktion, ein gestörtes Follikelwachstum, eine vorzeitige Umwandlung nicht geplatzter Eibläschen in Gelbkörper (Luteinisierter Unrupturierter Follikel-, auch LUF-Syndrom), eine Hyperprolaktinämie, Gelbkörperinsuffizienz, immunologische Fehlregulation, Autoantikörper und eine veränderte Zusammensetzung der Bauchhöhlenflüssigkeit mit vermehrten aktivierten Makrophagen, Zytokinen, Prostaglandinen sein.[52] Die operative Entfernung von Endometrioseherden bei Kinderwunschpatientinnen erhöht die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Schwangerschaft. Bei Wiederauftreten einer Endometriose, insbesondere nach bereits mehreren operativen Eingriffen, ist die künstliche Befruchtung zur Erfüllung des Kinderwunsches einer erneuten Operation überlegen.[11]
Endometriose und Schwangerschaft
Bevor Medikamente wie GnRHAnaloga zur Verfügung standen, galt eine Schwangerschaft als natürliche Behandlungsmethode der Endometriose.[53] Eine Schwangerschaft gilt heute nur noch als ein möglicher korrigierender Faktor für die Weiterentwicklung der Endometriose. Es kommt zu einer 9 Monate dauernden Amenorrhoe und gegebenenfalls auch einem längeren Ausbleiben der Menstruationsblutung durch das Stillen (Laktationsamenorrhoe). Bei ausgetragener Schwangerschaft erfolgt eine ausgeprägte Dezidualisierung der Endometriose und nach der Geburt zu einer Apoptose. Eine Heilung der Endometriose durch eine Schwangerschaft ist nicht möglich.[10] Die Daten der Nurses’ Health Study II zeigten, dass Frauen, die länger gestillt haben, das Risiko einer Endometriose verringern.[54]
Andererseits scheint eine Endometriose einen negativen Einfluss auf eine Schwangerschaft zu haben, da Frauen mit Endometriose häufiger eine Präeklampsie, Blutungen in der Schwangerschaft, eine vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia, oder einen vorzeitigen Blasensprung bekommen. Das Risiko für kindliche Komplikationen, wie Frühgeburtlichkeit oder Wachstumsretardierung, ist erhöht.[55]
Endometriose bei Männern
Normalerweise erkranken Männer nicht an Endometriose. Eine Behandlung mit hohen Dosen Östrogens wegen Prostatakrebs kann jedoch in Einzelfällen zu einer Endometriose führen, was als Beleg für die Metaplasietheorie der Endometrioseentstehung gesehen wird.[56][57][58][59]
Endometriose bei Tieren
Eine Adenomyosis ist bei verschiedenen Säugetieren wie Pavianen,[61][62][63] Brazzameerkatzen,[64] Schimpansen,[65] Orang-Utans,[66] Rhesusaffen,[67] Hunden,[68][69] Katzen[70] und Mäusen[71] beschrieben worden. Die Endometriose an anderen Lokalisationen scheint jedoch auf Primaten beschränkt zu sein.[71][72]
Bei Primaten besteht nach einer Schnittentbindung das Risiko einer Endometriose in der Bauchhöhle durch verstreute Endometriumfragmente.[73] Tierexperimentelle Untersuchungen konnten nach Schnittentbindungen bei Schafen eine Adenomyosis in der Gebärmutternarbe nachweisen.[74]
Bei Pavianen wurde in Zusammenhang mit der Endometriose eine eingeschränkte Fruchtbarkeit gefunden.[75][76] Sie gelten daher als gutes Tiermodell für die Erforschung der Erkrankung und der damit verbundenen Fertilitätsprobleme beim Menschen.[60][77] Als weitere Tiermodelle werden Rhesusaffen[78] und Mäuse[71] genutzt.
Die bei Pferden und verschiedenen anderen Haustierarten bekannte Erkrankung Endometrose, eine chronisch-degenerative Erkrankung des Endometriums, steht in keinem Zusammenhang mit der Endometriose.[79][80]
Pathologie
Die Endometriose ist eine gutartige Erkrankung. Aufgrund des unterschiedlichen Verhaltens und unterschiedlicher Befunde bei der feingeweblichen Untersuchung wird die Endometrioseerkrankung in verschiedene Unterformen eingeteilt:[47][81]
- die Endometriose des Peritoneums
- die Endometriose der Eierstöcke
- die tiefe infiltrierende Endometriose
- die Adenomyosis
Außerdem unterscheidet man nach klinischen, feingeweblichen und gegebenenfalls biochemischen Gesichtspunkten in aktive und inaktive Endometrioseherde.[47]
Kriterien zur Beurteilung des Aktivitätsgrades einer Endometriose[82]Makroskopie |
Peritonealendometriose aktiv rote Herde bläschenförmige Auflagerungen | Peritonealendometriose inaktiv schwarze, braune Herde weißliche Bauchfellverdickungen | Ovarialendometriose aktiv dünnwandige Zysten bläulich, eingeblutet, rot | Ovarialendometriose inaktiv dickwandige Zysten fibrotisch, braun, schwarz |
Mikroskopie |
Epithel aktiv endometrioid hoch differenziert hormonelle Veränderungen eutroph viele Mitosen | Epithel inaktiv eingeengt, würfelförmig niedrig differenziert nicht hormonell verändert atrophisch einige/keine Mitosen | Stroma aktiv Ödem, Entzündung Erythrozyten viele Kapillaren eutroph – | Stroma inaktiv kondensiert, Fibrose Siderophagen wenige/keine Kapillaren kondensiert – |
Biochemie |
Nachweis von Antikörpern gegen körpereigenes (autologes) Endometrium |
Klinisches Erscheinungsbild
Bei einer Endometriose auf dem Bauchfell unterscheidet man zwischen roten, weißen und schwarzen Herden[83] bzw. zwischen pigmentierten und nicht pigmentierten (atypischen) Herden.[84][85] Die roten und nicht pigmentierten Herde werden als frühe Formen der Endometriose angesehen. Sie gelten als besonders aktiv, da sie ausgeprägte Zeichen der Zellproliferation aufweisen.[86] Die typischen blau-schwarzen Herde, meist mit einem weißen Saum, sind eher alte und meist nicht mehr aktive Befunde.[47]
In der Gebärmuttermuskulatur stimuliert die Endometriose eine Hyperplasie der Muskulatur, so dass die Wanddicke der Gebärmutter zunimmt. Außerdem kommt es zur Bildung kleiner zystischer Hohlräume. Aufgrund dieser Reaktion wird die Erkrankung hier Adenomyosis genannt. Dabei können Endometrioseherde auch in Myomen vorkommen, die dann Adenomyome genannt werden.[87]
In den Eierstöcken bilden sich über einen längeren Zeitraum ebenfalls zystische Hohlräume. Diese werden Endometriome oder auch, nach dem Inhalt (eingedicktes altes Blut), als Teer- oder Schokoladenzysten bezeichnet. Dabei handelt es sich eigentlich um eine oberflächliche Endometriose, bei der sich zunächst ein Endometrioseherd an der Oberfläche bildet, welcher sich nach und nach in den Eierstock einstülpt.[47]
Bei der tiefen infiltrierenden Endometriose finden sich ausgeprägte knotige Veränderungen, insbesondere im Bereich der Bänder, wie dem Ligamentum sacrouterinum, sowie im Spatium rectovaginale zwischen Scheide und Enddarm. Diese Veränderungen können in umliegende Organe, wie die Harnblase und das Rektum, sowie tief in das Retroperitoneum hineinwachsen. Dabei kann es bei einer ausgeprägten retroperitonealen Endometriose zu einer Einengung der Harnleiter mit einem Stau des Urins bis hin zur Hydronephrose kommen.[47]
Mikroskopisches Bild
Feingeweblich finden sich kleine Gewebeinseln, die aus Stroma bestehen und typische endometriale Drüsen einschließen. Das Drüsengewebe kann dabei hormonelle Veränderungen wie an der normalen Gebärmutterschleimhaut aufweisen.[87] Außerdem können sich Hämosiderin-beladene Makrophagen, sogenannte Siderophagen, finden.[47]
Bei der Adenomyosis finden sich endometriales Stroma und Drüsen in die glatte Muskulatur der Gebärmutterwand eingelagert.
Glatte und quergestreifte Muskelzellen lassen sich, neben Stroma und Drüsen in den Herden bei der tiefen infiltrierenden Endometriose nachweisen. Diese Herde weisen ausgeprägte proliferative Eigenschaften, dagegen nur geringe hormonelle Veränderungen auf.[47] Eine Arbeitsgruppe der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore berichtete nach der Exom-Analyse von Herden tiefer infiltrierender Endometriose von 24 Frauen über somatische Mutationen in den Zellen der Läsionen bei einem Großteil der Frauen.[88]
Bösartige Endometriose-assoziierte Erkrankungen
Die Veränderung einer Endometriose in eine bösartige Erkrankung ist möglich, aber extrem selten und betrifft dann meist die Eierstöcke.[11] Sie werden häufig früher als andere Eierstockkrebserkrankungen erkannt und weisen meist einen höheren Differenzierungsgrad als diese auf. Sie werden dann wie Eierstockkrebs behandelt, wobei ein schlechteres Ansprechen auf eine Chemotherapie angenommen wird.[89]
Die häufigsten Lokalisationen außerhalb des Genitale sind der Mastdarm, das Colon sigmoideum und das Septum rektovaginale. Die Therapie besteht hier in der Resektion möglichst im Gesunden sowie einer anschließenden Strahlentherapie.[89]
Im Rahmen einer klimakterischen Hormonersatztherapie stellt eine Östrogenmonotherapie bei Endometriosepatientinnen einen potenziellen Risikofaktor für das Auftreten solch bösartiger Erkrankungen dar und wird daher nicht empfohlen.[89]
Klassifikation
Die Klassifizierung der Endometriose wird sehr uneinheitlich gehandhabt. Es wurden viele verschiedene Schemata entwickelt, um eine Vergleichbarkeit der Befundausprägung zu ermöglichen. Dabei werden meist die Lokalisation, die Ausdehnung bzw. die Größe der Herde sowie die endometriosebedingten Folgeschäden als Kriterien herangezogen. Bislang kann keine der Stadieneinteilungen alle Ansprüche erfüllen. Insbesondere besteht keine Übereinstimmung zwischen Stadium und bestehenden Beschwerden der Patientin.[47]
Einteilung nach der Lokalisation
Nach der Lokalisation der Herde wird die Endometriose in drei Formen unterteilt:[90]
- Endometriosis genitalis interna: Endometrioseherde innerhalb des Myometrium (auch Adenomyosis uteri)
- Endometriosis genitalis externa: Endometrioseherde außerhalb des Uterus im kleinen Becken (Ovarien, Liggamenta sacrouterina, Douglas, Blasenperitoneum)
- Endometriosis extragenitalis: Endometrioseherde außerhalb des kleinen Becken
Stadieneinteilung
Am weitesten verbreitet ist heute die Einteilung der American Society for Reproductive Medicine (sogenannte rASRM- oder früher AFS-Stadieneinteilung). Sie hat sich international durchgesetzt und arbeitet mit einem Punktesystem, nach welchem in vier Stadien/Schweregrade von leicht bis schwer unterschieden wird, sowie der zusätzlichen Beschreibung der Aktivität der Endometrioseherde.[83] Allerdings berücksichtigt sie extragenitale Formen der Krankheit nicht, wie es die ältere EEC (Endoscopic Endometriosis Classification)-Stadieneinteilung tut, die auf Kurt Semm zurückgeht und auf einer rein beschreibenden Einschätzung basiert. Auch sie unterteilt in vier Stadien. Die WHO-Klassifikation entspricht dieser Stadieneinteilung. Da die Beschreibung von retroperitonealen und tiefen infiltrierenden Wachstumsformen der Endometriose in allen bislang verwendeten Stadieneinteilungen nicht ausreichend ist, wurde die ENZIAN-Klassifikation entwickelt. Sie versucht, in Analogie zu den onkologischen Stadieneinteilungen des TNM- oder FIGO-Systems, die Erkrankung ebenfalls in vier Schweregrade einzuteilen. Die Abgrenzung der Stadien ergibt sich aus der Ausdehnung der Erkrankung bezogen auf die Fläche und die Tiefe.[91][92] Zur Beurteilung der Chancen auf eine Schwangerschaft bei Endometriose wurde der Endometriosis fertility index (EFI) entwickelt, der, neben der Endometrioseklassifikation nach rASRM, auch die funktionellen Einschränkungen, das Alter der Frau, die Dauer des unerfüllten Kinderwunsches und frühere Schwangerschaften in die Auswertung einbezieht.[28][93] Bei der STCDAP-Klassifikation (Subtle-Typical-Cystic-Deep-Adenomyosis-Pocckets) werden zarte, typische und zystische Herde, eine tiefe Endometriose, die Adenomyosis sowie Peritonealtaschen separat klassifiziert.[94]