Diabetes-Meilenstein: Transgene Kuh produziert menschliches Insulin

Diabetes-Forschung 2024, Ernährung und Gesundheit, Gesundheitsnews, Medizin und Forschung

M.A. Dirk de Pol, Veröffentlicht am: 15.03.2024, Lesezeit: 10 Minuten

In einer bahnbrechenden Entwicklung im Bereich der Diabetesbehandlung haben Forscher der University of Illinois Urbana-Champaign und der Universidade de São Paulo einen bedeutenden Meilenstein erreicht. Sie haben erfolgreich eine transgene Kuh geschaffen, die in der Lage ist, menschliches Insulin in ihrer Milch zu produzieren. Dieser Durchbruch hat das Potenzial, die Insulinproduktion zu revolutionieren und letztendlich das Problem des Medikamentenmangels und hoher Kosten für Menschen mit Diabetes anzugehen.

Der Fortschritt der transgenen Technologie

Die transgene Technologie beinhaltet die Einführung spezifischer Gene von einem Organismus in einen anderen, was zur Expression gewünschter Merkmale oder zur Produktion spezifischer Substanzen führt. In diesem Fall haben die Forscher ein Segment menschlicher DNA, das für Proinsulin, den Protein-Vorläufer des aktiven Insulins, kodiert, in die Zellkerne von Kuhembryonen eingeführt. Diese Embryonen wurden dann in normale Kühe in Brasilien implantiert, was zur Geburt eines transgenen Kalbes führte.

Gezielte Expression im Milchdrüsengewebe

Um die Produktion von menschlichem Insulin in der Milch der Kuh zu gewährleisten, setzten die Forscher fortschrittliche gentechnische Verfahren ein. Sie verwendeten einen DNA-Konstrukt, das spezifisch für das Milchdrüsengewebe war und eine gezielte Expression der menschlichen DNA ermöglichte. Dieser strategische Ansatz stellt sicher, dass das Blut und andere Gewebe der Kuh kein menschliches Insulin enthalten und die Produktion ausschließlich in der Milchdrüse stattfindet.

Die Milchdrüse als Protein-Fabrik

Die Milchdrüse, von Mutter Natur geschaffen, hat eine außergewöhnliche Fähigkeit, Proteine äußerst effizient zu produzieren. Matt Wheeler, Professor am Department of Animal Sciences der University of Illinois Urbana-Champaign, erklärt:

Mutter Natur hat die Milchdrüse als Fabrik entworfen, um Protein wirklich, wirklich effizient herzustellen. Wir können dieses System nutzen, um ein Protein zu produzieren, das Hunderten von Millionen Menschen weltweit helfen kann.

Erfolgreiche Produktion von Insulin in der Milch

Nachdem die transgene Kuh die Reife erreicht hatte, versuchten die Forscher, sie mit Hilfe der üblichen künstlichen Befruchtungstechniken zu befruchten. Sie hatten jedoch keinen Erfolg bei einer erfolgreichen Schwangerschaft. Stattdessen stimulierten sie ihre erste Laktation mit Hormonen. Obwohl die Milchmenge geringer war als erwartet, wurde das Vorhandensein von menschlichem Proinsulin und Insulin nachgewiesen.

Potenzial für Massenproduktion

Während die genaue Menge an Insulin, die in einer typischen Laktation produziert wird, noch bestimmt werden muss, schätzen die Forscher, dass eine einzige Kuh potenziell eine erhebliche Menge an Insulin produzieren könnte. Wenn eine Kuh 1 Gramm Insulin pro Liter produzieren könnte und eine typische Holsteinkuh 40 bis 50 Liter Milch pro Tag produzieren kann, ist das Potenzial für die Insulinproduktion immens. Jedes Gramm Insulin entspricht 28.818 Einheiten, was die Produktionsfähigkeiten der Milchdrüse wirklich bemerkenswert macht.

Zukünftige Implikationen und Ausblick

Das Forschungsteam plant, die transgene Kuh erneut zu klonen und den Prozess weiter zu verfeinern, um in der nächsten Generation größere Erfolge bei Schwangerschaft und vollständigen Laktationszyklen zu erzielen. Zusätzlich zielen sie darauf ab, transgene Bullen zu erschaffen, die sich mit den weiblichen Tieren paaren können, um eine speziell für die Insulinproduktion vorgesehene Herde zu etablieren. Mit der Fähigkeit, Insulin in größerem Maßstab zu produzieren, könnten transgene Kühe potenziell bestehende Methoden, wie transgene Hefen und Bakterien, ohne die Notwendigkeit von hochtechnischen Einrichtungen oder Infrastrukturen, überflügeln.

Fazit

Die erfolgreiche Erschaffung einer transgenen Kuh, die in der Lage ist, menschliches Insulin in ihrer Milch zu produzieren, markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Behandlung von Diabetes. Diese Errungenschaft hat das Potenzial, Medikamentenknappheit zu lindern und die hohen Kosten für Insulin für Menschen mit Diabetes zu reduzieren. Mit weiteren Fortschritten und regulatorischen Genehmigungen könnten transgene Kühe zu einer verlässlichen und nachhaltigen Quelle der Insulinproduktion werden und möglicherweise die globale Nachfrage nach diesem lebensrettenden Medikament decken.

FAQ

Was ist transgene Technologie?

Transgene Technologie ist ein Bereich der Gentechnik, der sich mit der Einführung fremder Gene in das Genom eines Organismus befasst. Diese fremden Gene stammen normalerweise von einer anderen Art und werden in das Genom des Wirtsorganismus eingefügt, um neue, gewünschte Merkmale zu erzeugen oder die Produktion spezifischer Substanzen zu ermöglichen. In der Praxis bedeutet dies, dass Wissenschaftler ein bestimmtes Gen oder mehrere Gene isolieren, die für ein bestimmtes Protein oder Merkmal kodieren. Dieses Gen wird dann in das Genom eines anderen Organismus eingefügt, zum Beispiel einer Pflanze, eines Tieres oder eines Mikroorganismus. Die transgenen Organismen, die durch diesen Prozess entstehen, können dann Eigenschaften aufweisen, die in ihrer natürlichen Form nicht vorhanden sind. Ein bekanntes Beispiel für die Anwendung der transgenen Technologie ist die Erzeugung von genetisch veränderten Pflanzen, die gegen Schädlinge resistent sind oder eine höhere Toleranz gegenüber Umweltstress wie Trockenheit oder salzigen Böden haben. Im medizinischen Bereich werden transgene Tiere verwendet, um menschliche Proteine für Therapien zu produzieren, wie im Beispiel der transgenen Kuh, die so verändert wurde, dass sie menschliches Insulin in ihrer Milch produziert. Im Fall der transgenen Kuh, die menschliches Insulin produziert, fügten Forscher ein Segment menschlicher DNA, das für Proinsulin kodiert, in Kuhembryos ein.

Die gentechnische Grundlage transgener Tiere basiert auf der Übertragung von fremden Genen oder genetischem Material in das Genom eines Tieres. Dieser Prozess wird typischerweise als Genübertragung oder Transformation bezeichnet und führt dazu, dass das Tier und seine Nachkommen Eigenschaften oder Fähigkeiten ausprägen, die durch das eingeführte Gen kodiert werden. Das Transgen ist das Stück DNA, das ein oder mehrere Gene von Interesse enthält. Diese Gene können aus einer anderen Art stammen oder künstlich synthetisiert werden. Sie werden so konstruiert, dass sie in den Wirtsorganismen funktionieren, was oft bedeutet, dass regulatorische Sequenzen für die richtige Genexpression (wie Promotoren und Enhancer) ebenfalls in das Transgen integriert werden müssen. Um das Transgen in die Zellen des Empfängertieres einzuführen, wird oft ein Vektor benötigt. Dies kann ein Virus sein, das genetisch so modifiziert wurde, dass es keine Krankheiten verursacht, oder ein Plasmid, eine kleine, ringförmige DNA, die unabhängig von den Chromosomen der Zelle existieren kann. In einigen Fällen kann das Transgen auch direkt ohne Vektor über Methoden wie Mikroinjektion oder Elektroporation eingeführt werden.

Nach der Einführung des Transgens werden die Tiere daraufhin überprüft, ob das Transgen erfolgreich in ihr Genom integriert wurde. Dies geschieht mittels molekularbiologischer Methoden wie PCR (Polymerase-Kettenreaktion), Southern Blotting oder DNA-Sequenzierung. Transgene Tiere, die das Transgen erfolgreich in ihr Genom integriert haben, werden weiter gezüchtet, um stabile Linien zu etablieren. Diese werden dann hinsichtlich der Expression des Transgens und der damit verbundenen phänotypischen Veränderungen analysiert.

Was sind traditionelle Insulinproduktionsmethoden?

Traditionelle Methoden der Insulinproduktion begannen mit der Extraktion von Insulin aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen. Diese Methode wurde in den 1920er Jahren entwickelt, nachdem Frederick Banting, Charles Best und James Collip die Möglichkeit entdeckt hatten, Insulin zu isolieren und für die Behandlung von Diabetes einzusetzen.

Die Schritte der traditionellen Insulinproduktion aus tierischen Quellen umfassten verschiedene Ansätze. Bei der Gewinnung der Bauchspeicheldrüsen wurden diese von geschlachteten Rindern oder Schweinen gesammelt. Das Insulin wurde durch verschiedene Reinigungsprozesse aus dem Pankreasgewebe extrahiert. Um Verunreinigungen zu entfernen und die Präparate für den menschlichen Gebrauch sicher zu machen, wurden mehrere chemische Prozesse angewendet. Das gereinigte Insulin musste dann getestet werden, um die Wirksamkeit und Dosierung zu bestimmen. Obwohl dieses tierische Insulin wirksam war, gab es Nachteile. Die Struktur des tierischen Insulins unterscheidet sich geringfügig von der des menschlichen Insulins, was bei einigen Patienten zu Immunreaktionen führen konnte. Zudem gab es ethische und praktische Bedenken bezüglich der Verwendung tierischer Organe sowie das Risiko von Angebotsschwankungen und -knappheiten.

In den 1980er Jahren revolutionierte die rekombinante DNA-Technologie die Insulinproduktion. Man begann, menschliches Insulin mithilfe von Mikroorganismen wie Bakterien (z. B. Escherichia coli) oder Hefen (z. B. Saccharomyces cerevisiae) zu produzieren. Das Gen für menschliches Insulin wird dabei in das Genom eines Bakteriums oder einer Hefe eingeführt. Die modifizierten Mikroorganismen werden dann in großen Bioreaktoren kultiviert, wo sie das Insulin produzieren. Das produzierte Insulin wird als Nächstes aus dem Kulturmedium isoliert und durch verschiedene Reinigungsverfahren aufbereitet. Das gereinigte Insulin wird anschließend in eine für die Verabreichung geeignete Form gebracht, z. B. als Lösung für Injektionszwecke. Die rekombinante DNA-Technologie ermöglichte es, menschliches Insulin in großen Mengen zu produzieren, ohne auf tierische Organe angewiesen zu sein. Dies reduzierte die Immunreaktionen bei Patienten, da das produzierte Insulin identisch mit dem körpereigenen Insulin ist, und ermöglichte es, die Produktion an die weltweite Nachfrage anzupassen.

Wie funktioniert die gezielte Expression im Milchgewebe?

Um die Produktion von menschlichem Insulin in der Kuhmilch zu gewährleisten, verwendeten die Forscher ein spezifisches DNA-Konstrukt für das Milchgewebe. Dieser gezielte Ansatz ermöglicht die Expression der menschlichen DNA nur in der Milchdrüse, was sicherstellt, dass das menschliche Insulin nicht im Blut oder anderen Geweben der Kuh vorhanden ist.

Wie viel Insulin kann eine transgene Kuh produzieren?

Die genaue Menge an Insulin, die eine transgene Kuh produzieren kann, muss noch bestimmt werden. Wenn jedoch eine Kuh 1 Gramm Insulin pro Liter produzieren könnte und eine typische Holstein-Kuh 40 bis 50 Liter Milch pro Tag produziert, ist das Potenzial für die Insulinproduktion bedeutend. Jedes Gramm Insulin entspricht 28.818 Einheiten.

Welche zukünftigen Implikationen hat dieser Durchbruch in der Diabetesbehandlung?

Die erfolgreiche Erschaffung einer transgenen Kuh, die in der Lage ist, menschliches Insulin in ihrer Milch zu produzieren, hat bedeutende zukünftige Implikationen für die Behandlung von Diabetes. Diese Errungenschaft hat das Potenzial, das Problem der Medikamentenknappheit und der hohen Kosten für Insulin anzugehen. Mit weiteren Fortschritten und regulatorischen Genehmigungen könnten transgene Kühe zu einer verlässlichen und nachhaltigen Quelle der Insulinproduktion werden und möglicherweise die globale Nachfrage nach diesem lebensrettenden Medikament decken.

Wie vergleicht sich diese Methode mit anderen Insulinproduktionsmethoden?

Transgene Kühe haben das Potenzial, bestehende Methoden der Insulinproduktion, wie transgene Hefen und Bakterien, zu übertreffen. Im Gegensatz zu diesen Methoden benötigen transgene Kühe keine hochtechnischen Einrichtungen oder Infrastrukturen. Mit ihrer natürlichen Fähigkeit, große Mengen an Proteinen in ihren Milchdrüsen zu produzieren, bieten transgene Kühe eine vielversprechende Alternative zur Insulinproduktion in größerem Maßstab.

Quellen und weiterführende Informationen

  1. Monzani, P. S., et al.(2024) Human proinsulin production in the milk of transgenic cattle. Biotechnology Journal. org/10.1002/biot.202300307
  2. Gentechnisch veränderte Tiere, Wikipedia 2024
  3. Type_2_diabetes, Wikipedia 2024.
  4. Diabetes_mellitus, Wikipedia 2024.

ddp


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