Studie erklärt, wie sich Gehirnzellen organisieren und verbinden

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M.A. Dirk de Pol, aktualisiert am 24. Januar 2024, Lesezeit: 5 Minuten

In einer neuen Studie, die am 17. Januar 2024 in Nature Physics veröffentlicht wurde, haben Physiker und Neurowissenschaftler der University of Chicago, Harvard und Yale ein überraschend einfaches Modell vorgestellt, das erklärt, wie die Konnektivität zwischen Neuronen organisiert und hergestellt wird.

Um was geht es?

Die Studie stellt die herkömmliche Annahme in Frage, dass die neuronale Konnektivität ausschließlich durch die biologischen Merkmale eines einzelnen Organismus bestimmt wird. Stattdessen legt die Studie nahe, dass Konnektivität aus allgemeinen Prinzipien der Vernetzung und Selbstorganisation entsteht. Die Auswirkungen dieser Entdeckung gehen über den Bereich der Biologie hinaus und werfen möglicherweise Licht auf nichtbiologische Netzwerke wie soziale Interaktionen.

Neuronale Konnektivität verstehen

Neuronen, die Bausteine des Gehirns, kommunizieren und interagieren miteinander über ein komplexes Netzwerk von Verbindungen, sogenannte Synapsen. Während die schiere Anzahl der Verbindungen zufällig erscheinen mag, haben Forscher beobachtet, dass Netzwerke von Gehirnzellen durch eine kleine Anzahl von Verbindungen gekennzeichnet sind, die deutlich stärker sind als der Rest. Diese als „Heavy-Tailed“-Verteilung bekannte Verteilung von Verbindungen bildet die Grundlage der Schaltkreise, die es Organismen ermöglichen, zu denken, zu lernen, zu kommunizieren und sich zu bewegen.

Das Rätsel der Konnektivität

Bisher waren sich Wissenschaftler nicht sicher, ob dieses komplexe Konnektivitätsmuster auf spezifische biologische Prozesse zurückzuführen ist, die für verschiedene Organismen einzigartig sind, oder ob es ein Ergebnis grundlegender Prinzipien der Netzwerkorganisation ist. Um dieses Rätsel zu lösen, machten sich Stephanie Palmer, PhD, außerordentliche Professorin für Physik und Organismenbiologie und Anatomie an der UChicago, Christopher Lynn, PhD, Assistenzprofessor für Physik an der Yale University, und Caroline Holmes, PhD, eine Postdoktorandin an der Harvard University, auf den Weg eine umfassende Analyse von Konnektomen – Karten von Gehirnzellverbindungen.

Enthüllung des Modells

Um zu verstehen, wie Neuronen Verbindungen herstellen, entwickelten die Forscher ein Modell, das auf der Hebbschen Dynamik basiert. Die Hebsche Dynamik wurde 1949 vom kanadischen Psychologen Donald Hebb geprägt und geht davon aus, dass „Neuronen, die gemeinsam feuern, sich miteinander vernetzen“. Mit anderen Worten: Je mehr zwei Neuronen gleichzeitig aktiviert werden, desto stärker wird ihre Verbindung. Bemerkenswerterweise entdeckten die Forscher, dass diese Hebbian-Dynamik starke Verbindungsstärken erzeugt, die mit den beobachteten Mustern in verschiedenen Organismen übereinstimmen.

Allgemeine Prinzipien der Vernetzung

Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass die Organisation der neuronalen Konnektivität nicht durch die Biologie von Fruchtfliegen, Mäusen oder Würmern bestimmt wird, sondern vielmehr durch allgemeine Prinzipien der Vernetzung. Dies deutet darauf hin, dass ähnliche Organisationsprinzipien auch für nicht-biologische Netzwerke gelten könnten, beispielsweise für soziale Interaktionen. Das von den Forschern entwickelte Modell bietet eine unerwartete Erklärung für ein weiteres Netzwerkphänomen namens Clustering. Clustering beschreibt die Tendenz von Zellen, Verbindungen mit anderen Zellen aufzubauen, mit denen sie Verbindungen teilen. Dieses Phänomen wird nicht nur im Gehirn beobachtet, sondern auch in sozialen Situationen, in denen Personen, die von einem gemeinsamen Bekannten vorgestellt werden, mit größerer Wahrscheinlichkeit Freunde werden.

Berücksichtigung von Zufälligkeiten

Während das Modell wertvolle Einblicke in die Prinzipien liefert, die der neuronalen Konnektivität zugrunde liegen, ist es wichtig, die Rolle von Zufälligkeit und Rauschen in Gehirnschaltkreisen anzuerkennen. Neuronen können sich untereinander trennen und neu vernetzen, schwache Verbindungen können unterbrochen werden und an anderer Stelle können stärkere Verbindungen entstehen. Diese Zufälligkeit dient als Überprüfung der in den Daten beobachteten hebbischen Organisation. Ohne dieses Element der Zufälligkeit würden starke Verbindungen das Netzwerk dominieren. Die Forscher verfeinerten ihr Modell, um Zufälligkeiten einzubeziehen, was zu einer verbesserten Genauigkeit führte.

Über das Gehirn hinausgehen

Die Implikationen dieser Studie gehen weit über den Bereich der Neurowissenschaften hinaus. Da die in dieser Forschung entdeckten Prinzipien der Vernetzung und Selbstorganisation nicht auf das Gehirn beschränkt sind, hofft das Team, seine Erkenntnisse in zukünftigen Arbeiten auf andere Arten von Netzwerken anwenden zu können. Der interdisziplinäre Charakter dieser Studie, die theoretische Physik, Big-Data-Analyse und Kenntnisse über biochemische und evolutionäre Netzwerke kombiniert, unterstreicht die gemeinsamen Anstrengungen, die erforderlich sind, um unser Verständnis komplexer Systeme zu verbessern.

Fazit

Die von Physikern und Neurowissenschaftlern der University of Chicago, Harvard und Yale durchgeführte Studie hat ein überraschend einfaches Modell enthüllt, das erklärt, wie Gehirnzellen sich organisieren und verbinden. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Konnektivität zwischen Neuronen auf allgemeinen Prinzipien der Vernetzung und Selbstorganisation beruht und nicht ausschließlich durch die biologischen Merkmale eines einzelnen Organismus bestimmt wird.

Dieses Modell liefert nicht nur wertvolle Einblicke in die Organisation neuronaler Konnektivität, sondern bietet auch potenzielle Anwendungen für nichtbiologische Netzwerke. Die in dieser Studie vorgestellte interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstreicht die Bedeutung vielfältigen Wissens und Fachwissens für die Weiterentwicklung unseres Verständnisses komplexer Systeme. Während wir weiterhin die Geheimnisse des Gehirns entschlüsseln, öffnet diese Forschung neue Türen für die Erforschung der Prinzipien, die unsere Gedanken, Verhaltensweisen und Interaktionen bestimmen.

Quelle

  1. Christopher W. Lynn, Caroline M. Holmes, Stephanie E. Palmer. Heavy-tailed neuronal connectivity arises from Hebbian self-organization. Nature Physics, 2024; DOI: 10.1038/s41567-023-02332-9

ddp


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Wichtiger Hinweis: Der Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

 

 

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