Geburtenkontrollpillen und maskuline Gesichter: Kein Einfluss

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M.D. Redaktion, Veröffentlicht am: 22.10.2025, Lesezeit: 7 Minuten

Eine umfassende neue Studie, veröffentlicht in *Evolution and Human Behavior*, widerlegt die weitverbreitete Annahme, dass hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille die Präferenzen von Frauen für maskuline oder symmetrische männliche Gesichtszüge signifikant beeinflussen. Die Forschung zeigt, dass weder die Einnahme von oralen Kontrazeptiva noch natürliche hormonelle Schwankungen im Menstruationszyklus die Attraktivitätsvorlieben für solche Gesichtsmerkmale verändern, und stellt damit bisherige Hypothesen der evolutionären Psychologie infrage.

Hintergrund der Studie

Seit Jahrzehnten untersuchen Wissenschaftler, ob die Anziehungskraft von Frauen auf männliche Gesichtszüge im Menstruationszyklus schwankt. Frühere Studien legten nahe, dass Frauen in ihrer fruchtbaren Phase maskulinere Gesichtszüge bevorzugen, ein Effekt, der bei der Einnahme von Geburtenkontrollpillen verschwinden soll. Diese Ergebnisse stützten die Hypothese der „dual mating strategy“ aus der evolutionären Psychologie.

Die Hypothese besagt, dass Frauen während fruchtbarer Phasen Merkmale bevorzugen, die auf genetische Qualität hinweisen, wie Maskulinität und Symmetrie. In unfruchtbaren Phasen könnten sie hingegen Eigenschaften wie Verlässlichkeit oder Fürsorge bevorzugen. Diese Idee basiert auf Studien aus den 1990er-Jahren, die zeigten, dass Frauen in der Ovulationsphase den Duft symmetrischer Männer bevorzugten.

Die neue Studie: Ein bahnbrechender Ansatz

Die Studie, veröffentlicht in Evolution and Human Behavior, wurde von Forschern wie Coren Apicella, Professorin für Psychologie an der University of Pennsylvania, durchgeführt. Sie untersuchte, ob hormonelle Verhütungsmittel die Partnerpräferenzen von Frauen beeinflussen. Die Forscher führten eine doppelt verblindete, randomisierte kontrollierte Studie durch – ein Goldstandard in der Forschung.

Studiendesign

Die Studie umfasste 340 heterosexuelle Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren. Die Teilnehmerinnen wurden zufällig entweder einer Gruppe zugeteilt, die kombinierte orale Kontrazeptiva einnahm, oder einer Placebogruppe. Weder die Teilnehmerinnen noch die Forscher wussten, wer welches Präparat erhielt.

  • Dauer: Die Studie lief über drei Monate.
  • Messung: Zu Beginn und am Ende der Studie wurden die Gesichtspräferenzen der Teilnehmerinnen untersucht.
  • Methode: Den Frauen wurden Paare männlicher Gesichter gezeigt, die sich in Maskulinität oder Symmetrie unterschieden, und sie sollten das attraktivere Gesicht auswählen.

Die Gesichter wurden digital manipuliert, um entweder maskuliner oder symmetrischer zu wirken. Dies ermöglichte eine präzise Analyse der Präferenzen.

Wichtige Ergebnisse

Die hormonellen Profile der Gruppen entwickelten sich wie erwartet unterschiedlich. Frauen, die Geburtenkontrollpillen einnahmen, zeigten niedrigere Werte bei reproduktiven Hormonen wie luteinisierendem Hormon, follikelstimulierendem Hormon, Testosteron und Estradiol. Trotz dieser Veränderungen gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Präferenz für maskuline oder symmetrische Gesichter nach drei Monaten.

  • Effektgröße: Die geschätzten Effekte waren gering und statistisch nicht von null zu unterscheiden.
  • Menstruationszyklus: In der Placebogruppe wurden Präferenzen in verschiedenen Zyklusphasen (follikulär, ovulatorisch, luteal) verglichen – ohne signifikante Unterschiede.
  • Hormonspiegel: Es gab keine konsistenten Zusammenhänge zwischen Hormonspiegeln und Gesichtspräferenzen.

Von 132 statistischen Tests erreichten nur zwei die konventionelle Signifikanz, was dem Zufall entspricht.

Warum frühere Ergebnisse irreführend sein könnten

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass frühere Studien, die hormonelle Einflüsse auf Gesichtspräferenzen behaupteten, möglicherweise nicht robust sind. Viele dieser Studien hatten Schwächen:

  • Kleine Stichproben: Frühere Studien hatten oft zu wenige Teilnehmer, was die Wahrscheinlichkeit falscher positiver Ergebnisse erhöht.
  • Selbstberichtete Daten: Viele Studien verließen sich auf subjektive Angaben zum Menstruationszyklus, was ungenau ist.
  • Flexible Analysen: Ohne vorab festgelegte Analysepläne konnten Forscher Ergebnisse nachträglich anpassen, was zu Verzerrungen führt.

Die aktuelle Studie nutzte objektive Hormonmessungen und einen vorregistrierten Analyseplan, was die Zuverlässigkeit erhöht.

Kritik an evolutionären Hypothesen

Die Annahme, dass Maskulinität und Symmetrie verlässliche Indikatoren für genetische Qualität sind, wird zunehmend infrage gestellt. Neuere Meta-Analysen zeigen, dass diese Merkmale möglicherweise keinen starken Einfluss auf den Fortpflanzungserfolg haben. Dies schwächt die theoretische Grundlage für hormonelle Einflüsse auf Gesichtspräferenzen.

Was die Ergebnisse bedeuten

„Wir haben die Frage auf jede erdenkliche Weise untersucht und nichts gefunden“, erklärte Coren Apicella gegenüber PsyPost. „Die Einnahme der Pille verändert wahrscheinlich nicht die Art von Gesichtern, die Frauen attraktiv finden.“ Diese Erkenntnisse stellen einflussreiche Hypothesen wie die „good genes“- und „dual mating strategy“-Theorien infrage.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Anziehung komplexer ist, als hormonelle Schwankungen allein erklären können. Attraktivität scheint nicht primär von Hormonen wie Estradiol gesteuert zu werden.

Grenzen der Studie

Die Studie hat einige Einschränkungen:

  • Fokus auf Gesichter: Die Ergebnisse beziehen sich nur auf Gesichtsmaskulinität und -symmetrie. Andere Merkmale wie Körperform, Duft oder Verhalten könnten dennoch von Hormonen beeinflusst werden.
  • Kleine Effekte: Sehr kleine Effekte, die unterhalb der Nachweisgrenze liegen, können nicht ausgeschlossen werden.
  • Studiendauer: Die Untersuchung lief über drei Monate, was langfristige Effekte möglicherweise nicht erfasst.

Praktische Implikationen

Die Ergebnisse können Frauen beruhigen, die befürchten, dass Geburtenkontrollpillen ihre Partnerwahl beeinflussen könnten. Die Studie legt nahe, dass solche Veränderungen unwahrscheinlich sind. Frauen, die Verhütungsmittel einnehmen, können weiterhin darauf vertrauen, dass ihre Präferenzen stabil bleiben.

Tipps für die Partnerwahl

  • Vertraue deinem Instinkt: Anziehung ist individuell und wird nicht allein von Hormonen bestimmt.
  • Achte auf verschiedene Merkmale: Neben dem Aussehen spielen Persönlichkeit, Werte und gemeinsame Interessen eine große Rolle.
  • Informiere dich über Verhütung: Sprich mit deinem Arzt, um die Auswirkungen von Geburtenkontrollpillen auf deinen Körper zu verstehen.

Zukünftige Forschungsrichtungen

Die Forscher schlagen vor, zukünftige Studien auf andere Merkmale wie Körperduft oder Verhaltensweisen zu konzentrieren. Es gibt Hinweise darauf, dass allgemeinere Verhaltensweisen, wie sexuelles Verlangen, im Menstruationszyklus schwanken könnten. Größere Studien mit noch präziseren Messmethoden könnten kleine Effekte aufdecken, die in dieser Studie nicht erfasst wurden.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Beeinflussen Geburtenkontrollpillen andere Aspekte der Anziehung, wie etwa die Vorliebe für Verhaltensweisen oder Körpermerkmale? Die Studie konzentrierte sich ausschließlich auf Gesichtsmaskulinität und -symmetrie. Es gibt Hinweise darauf, dass hormonelle Verhütungsmittel andere Aspekte wie sexuelles Verlangen oder die Wahrnehmung von Körperduft beeinflussen könnten. Zukünftige Forschung muss klären, ob solche Effekte bestehen und wie stark sie sind.

Könnten sehr kleine hormonelle Effekte die Partnerwahl langfristig beeinflussen? Obwohl die Studie keine signifikanten Effekte fand, können sehr kleine hormonelle Veränderungen nicht ausgeschlossen werden. Solche Effekte wären jedoch wahrscheinlich so gering, dass sie in der Praxis kaum Einfluss auf die Partnerwahl haben. Langfristige Studien wären nötig, um dies zu bestätigen.

Warum waren frühere Studien zu diesem Thema weniger zuverlässig? Frühere Studien litten oft unter methodischen Schwächen, wie kleinen Stichproben, ungenauen Selbstberichten zum Menstruationszyklus und flexiblen Analysemethoden. Diese Faktoren erhöhten das Risiko falscher positiver Ergebnisse. Die aktuelle Studie nutzte objektive Hormonmessungen und einen vorregistrierten Analyseplan, was die Ergebnisse robuster macht.

Können andere Hormone oder Lebensstilfaktoren die Anziehung beeinflussen? Ja, Hormone wie Oxytocin oder Stresshormone wie Cortisol könnten die Anziehung beeinflussen, ebenso wie Lebensstilfaktoren wie Stress, Schlaf oder Ernährung. Diese Faktoren wurden in der Studie nicht untersucht, könnten aber eine Rolle spielen und sollten in zukünftigen Studien berücksichtigt werden.

Gibt es Unterschiede in den Auswirkungen verschiedener Arten von Geburtenkontrollpillen? Die Studie verwendete kombinierte orale Kontrazeptiva, die Östrogen und Progestin enthalten. Andere Verhütungsmethoden, wie reine Progestin-Pillen oder Hormonspiralen, könnten unterschiedliche Effekte haben. Weitere Forschung ist nötig, um dies zu klären.

Wie können Frauen die Ergebnisse dieser Studie in ihrem Alltag nutzen? Frauen können beruhigt sein, dass Geburtenkontrollpillen ihre Präferenzen für männliche Gesichter vermutlich nicht verändern. Bei der Partnerwahl sollten sie sich auf eine Kombination aus körperlicher Anziehung, emotionaler Verbindung und gemeinsamen Werten konzentrieren, unabhängig von ihrer Verhütungsmethode.

Quelle:

  • Ranehill, E., Zethraeus, N., Apicella, C. L., Blomberg, L., von Schoultz, B., Hirschberg, A. L., Johannesson, M., & Dreber, A. (2025). Oral contraceptives and women’s preferences for facial masculinity and symmetry: Evidence from a double-blind randomized controlled trial. Evolution and Human Behavior, 46(5), 106713. https://doi.org/10.1016/j.evolhumbehav.2025.106713

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