COVID-19: Gehirnstoffwechsel und Konnektivität verändert

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M.D. Redaktion, Veröffentlicht am: 23.10.2025, Lesezeit: 8 Minuten

Eine neue Studie zeigt, wie sich das Gehirn von COVID-19-Genesenen anpasst und repariert, mit erhöhten Werten bestimmter Gehirnchemikalien und verbesserter Struktur.

Einleitung: Gehirnreparatur nach COVID-19

Die Langzeitfolgen von COVID-19, oft als Long COVID bekannt, beeinträchtigen viele Menschen weltweit. Eine neue Studie, veröffentlicht im Journal Neuroscience, zeigt, dass das Gehirn von COVID-19-Genesenen Anzeichen eines aktiven Reparaturprozesses aufweist. Diese Entdeckung bietet Hoffnung und neue Einblicke in die Bewältigung neurologischer Symptome.

Long COVID und seine neurologischen Auswirkungen

Long COVID führt häufig zu Symptomen wie Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwäche und Gehirnnebel. Diese Beschwerden können Monate oder sogar Jahre nach der Infektion bestehen bleiben. Forscher untersuchen, wie das Virus das Gehirn beeinflusst, um gezielte Behandlungen zu entwickeln.

Warum ist das Gehirn betroffen?

COVID-19 kann Entzündungen im Gehirn auslösen, die die Kommunikation zwischen Nervenzellen stören. Besonders die weiße Substanz, die für die Signalübertragung zuständig ist, zeigt Veränderungen. Diese Studie beleuchtet, wie chemische und strukturelle Anpassungen zur Erholung beitragen können.

Methodik der Studie

Die Untersuchung unter der Leitung von Beatrice Bravi umfasste 64 COVID-19-Genesene und 33 gesunde Kontrollpersonen. Die Teilnehmer wurden am San Raffaele Hospital in Mailand rekrutiert. Ziel war es, die Beziehung zwischen Gehirnchemie, Struktur und kognitiven Funktionen zu analysieren.

Teilnehmer und Datenerhebung

Die COVID-19-Genesenen berichteten über kognitive Beschwerden wie Vergesslichkeit oder Konzentrationsprobleme. Diese wurden durch klinische Interviews erfasst. Alle Teilnehmer unterzogen sich Gehirnscans mit modernsten Technologien.

Verwendete Technologien

  • Magnetresonanzspektroskopie (MRS): Diese Methode misst die Konzentration von Gehirnchemikalien wie Glutamat und N-Acetylaspartat (NAA).
  • Diffusionstensor-Bildgebung (DTI): Sie untersucht die Mikrostruktur der weißen Substanz.
  • Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI): Diese analysiert die Synchronisation zwischen Gehirnregionen im Ruhezustand.

Die Scans konzentrierten sich auf den präfrontalen Kortex und den anterioren cingulären Kortex, die für Denken und emotionale Regulation entscheidend sind.

Wichtige Ergebnisse der Studie

Die Studie lieferte spannende Erkenntnisse über die Gehirnveränderungen nach COVID-19. Hier sind die zentralen Beobachtungen:

Erhöhte Gehirnchemikalien

COVID-19-Genesene zeigten höhere Konzentrationen von Glutamat und N-Acetylaspartat im Vergleich zur Kontrollgruppe. Diese Chemikalien sind essenziell für:

  • Glutamat: Fördert Lernen, Gedächtnis und Neuroplastizität.
  • N-Acetylaspartat (NAA): Ein Marker für die Gesundheit von Nervenzellen und die Produktion von Myelin, der Schutzschicht um Nervenfasern.

Diese erhöhten Werte deuten auf einen aktiven Reparaturprozess im Gehirn hin.

Verbesserte Struktur der weißen Substanz

Die weiße Substanz der COVID-19-Genesenen zeigte eine höhere Organisation:

  • Höhere fraktionelle Anisotropie (FA): Weist auf kompakte, gut isolierte Nervenfasern hin.
  • Niedrigere radiale und mittlere Diffusivität: Signalisiert weniger unkontrollierte Wasserbewegung im Gehirngewebe.

Diese Muster könnten auf Remyelinisierung hinweisen, einen Prozess, der die Myelinschicht repariert.

Verbindung von Chemie und Struktur

Höhere Glutamat- und NAA-Werte korrelierten mit besserer weißer Substanz in der COVID-19-Gruppe. Diese Verbindung war in der Kontrollgruppe nicht vorhanden, was auf einzigartige Reparaturmechanismen nach der Infektion hindeutet.

Kognitive Vorteile

Personen mit höheren Glutamat- und NAA-Werten berichteten seltener über kognitive Beschwerden. Besonders stark war dieser Effekt bei Teilnehmern mit gut organisierter weißer Substanz. Dies deutet darauf hin, dass eine intakte Gehirnstruktur die neuroprotektiven Effekte verstärkt.

Funktionelle Konnektivität

Höhere NAA-Werte waren mit einer stärkeren Synchronisation zwischen dem untersuchten Gehirnareal und dem posterioren cingulären Gyrus verbunden. Dieser Bereich reguliert Aufmerksamkeit und inneres Denken. Die verbesserte Konnektivität könnte Teil des Erholungsprozesses sein.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Die Studie zeigt, dass das Gehirn nach COVID-19 aktiv an seiner Reparatur arbeitet. Erhöhte Chemikalien wie Glutamat und NAA sowie eine verbesserte Struktur der weißen Substanz deuten auf Neuroplastizität und Remyelinisierung hin. Diese Prozesse könnten helfen, kognitive Symptome von Long COVID zu lindern.

Praktische Implikationen

Die Erkenntnisse könnten die Entwicklung gezielter Therapien fördern. Zum Beispiel könnten Interventionen, die die Neuroplastizität unterstützen, wie kognitive Übungen oder spezifische Medikamente, die Erholung beschleunigen. Betroffene könnten von regelmäßigen Gehirnscans profitieren, um den Fortschritt zu überwachen.

Einschränkungen der Studie

Die Studie hat einige Schwächen, die zukünftige Forschung berücksichtigen sollte:

  • Kleine Stichprobe: Mit nur 64 COVID-19-Genesenen und 33 Kontrollpersonen ist die Gruppe relativ klein.
  • Querschnittsdesign: Die Untersuchung erfasst nur einen Zeitpunkt, was Kausalitäten unklar lässt.
  • Selbstberichtete Beschwerden: Kognitive Probleme wurden subjektiv erfasst, nicht durch objektive Tests.

Zukünftige Studien sollten größere Gruppen über längere Zeiträume untersuchen und standardisierte neuropsychologische Tests einbeziehen.

Tipps zur Unterstützung der Gehirngesundheit nach COVID-19

Wenn Sie an Long COVID leiden, können folgende Maßnahmen helfen, Ihre Gehirngesundheit zu fördern:

  1. Kognitive Übungen: Spiele wie Sudoku oder Gedächtnistraining können die Neuroplastizität unterstützen.
  2. Regelmäßige Bewegung: Moderater Sport verbessert die Durchblutung des Gehirns und fördert die Myelinbildung.
  3. Gesunde Ernährung: Lebensmittel reich an Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien unterstützen die Nervengesundheit.
  4. Schlafhygiene: Ausreichend Schlaf ist entscheidend für die Gehirnreparatur.
  5. Stressmanagement: Techniken wie Meditation oder Yoga können Entzündungen im Gehirn reduzieren.

Diese Ansätze sollten mit einem Arzt abgestimmt werden, insbesondere bei anhaltenden Symptomen.

Zukunftsperspektiven

Die Studie eröffnet neue Wege für die Erforschung von Long COVID. Langzeitstudien könnten klären, wie sich die beobachteten Reparaturprozesse entwickeln. Zudem könnten neue Bildgebungsverfahren präzisere Einblicke in die Gehirnveränderungen liefern. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für innovative Behandlungen bilden.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Welche Rolle spielt Glutamat im Gehirn nach einer COVID-19-Infektion? Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter im Gehirn und unterstützt Lernen, Gedächtnis und die Anpassungsfähigkeit von Nervenzellen. In der Studie waren höhere Glutamatwerte mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit kognitiver Beschwerden verbunden. Dies könnte darauf hindeuten, dass Glutamat eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung neuronaler Funktionen spielt, indem es die Kommunikation zwischen Nervenzellen verbessert und neuroplastische Prozesse fördert.

Kann die weiße Substanz im Gehirn nach COVID-19 vollständig regenerieren? Die Studie zeigt Anzeichen von Remyelinisierung, was auf eine Reparatur der Myelinschicht um Nervenfasern hinweist. Ob eine vollständige Regeneration möglich ist, hängt von Faktoren wie dem Alter, der Schwere der Infektion und der individuellen Gehirnplastizität ab. Langzeitstudien mit wiederholten Bildgebungen und neurologischen Tests sind nötig, um den Umfang und die Dauer der Erholung genauer zu bestimmen.

Wie kann ich meine Gehirngesundheit nach einer COVID-19-Infektion testen lassen? Ein Neurologe kann neuropsychologische Tests durchführen, um kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösungsfähigkeit zu bewerten. Bildgebungsverfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Diffusionstensor-Bildgebung (DTI) können Veränderungen in der Gehirnstruktur sichtbar machen. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, welche Tests für Ihre Symptome geeignet sind, und suchen Sie nach spezialisierten Kliniken für Long COVID.

Gibt es Medikamente, die die Gehirnreparatur nach COVID-19 unterstützen? Derzeit gibt es keine spezifischen Medikamente, die gezielt die Gehirnreparatur bei Long COVID fördern. Allerdings erforschen Wissenschaftler neuroprotektive Wirkstoffe, die Entzündungen reduzieren oder die Neuroplastizität unterstützen könnten. In klinischen Studien werden beispielsweise Medikamente getestet, die die Myelinbildung fördern oder oxidativen Stress im Gehirn verringern. Konsultieren Sie einen Facharzt, um aktuelle Behandlungsoptionen zu besprechen.

Beeinflusst Long COVID die Gehirngesundheit in allen Altersgruppen gleich? Die Auswirkungen von Long COVID variieren je nach Alter. Jüngere Menschen haben oft eine höhere Neuroplastizität, was eine schnellere Erholung begünstigen könnte. Ältere Erwachsene oder Personen mit Vorerkrankungen könnten jedoch anfälliger für langfristige kognitive Beeinträchtigungen sein. Geschlecht, genetische Faktoren und der allgemeine Gesundheitszustand spielen ebenfalls eine Rolle. Weitere Forschung ist nötig, um diese Unterschiede zu verstehen.

Welche Lebensstiländerungen können die Gehirnerholung zusätzlich unterstützen? Neben den in der Studie genannten Tipps können gezielte Maßnahmen helfen, wie die Reduzierung von Alkohol und Koffein, um das Nervensystem zu entlasten. Regelmäßige soziale Interaktionen fördern kognitive Stimulation, während Entspannungstechniken wie progressive Muskelrelaxation Stress abbauen können. Eine ausgewogene Ernährung mit Vitamin B12 und Folsäure unterstützt die Nervenregeneration. Konsultieren Sie einen Ernährungsberater oder Neurologen für personalisierte Empfehlungen.

Quelle:

Bravi, B., Paolini, M., Colombo, F., Palladini, M., Bettonagli, V., Mazza, M. G., De Lorenzo, R., Rovere-Querini, P., Benedetti, F., & Poletti, S. (2025). Long term effect of COVID-19 on brain metabolism and connectivity. Neuroscience. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/j.neuroscience.2025.06.015

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