Die zunehmende Nutzung von konversationeller künstlicher Intelligenz (KI), wie Chatbots und virtuellen Assistenten, hat neue Möglichkeiten für soziale Interaktionen geschaffen. Besonders während der COVID-19-Pandemie suchten viele Menschen Trost in diesen Technologien. Doch welche Risiken birgt diese Entwicklung für Menschen mit Anhangsangst?
ÜBERSICHT
- 1 Was ist Anhangsangst?
- 2 Die Studie: Zusammenhang zwischen Anhangsangst und KI-Nutzung
- 3 Direkter Zusammenhang: Anhangsangst und problematische KI-Nutzung
- 4 Indirekte Effekte: Emotionale Bindung als Vermittler
- 5 Anthropomorphe Tendenz: Ein verstärkender Faktor
- 6 Praktische Implikationen: Wie kann man helfen?
- 7 Grenzen der Studie und zukünftige Forschung
- 8 Fazit: Ein bewusster Umgang mit KI
- 9 Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was ist Anhangsangst?
Anhangsangst ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das durch die ständige Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden gekennzeichnet ist. Betroffene haben ein starkes Bedürfnis nach Nähe und Bestätigung, was sie anfällig für problematischen Technologieeinsatz macht. Diese Angst kann den Umgang mit KI-Chatbots beeinflussen und zu ungesunden Nutzungsmustern führen.
Merkmale der Anhangsangst
- Angst vor Ablehnung: Betroffene fürchten, von anderen abgelehnt zu werden.
- Bedürfnis nach Nähe: Ein starkes Verlangen nach emotionaler und physischer Nähe.
- Unsicherheit in Beziehungen: Ständige Sorge um die Stabilität von Beziehungen.
Die Studie: Zusammenhang zwischen Anhangsangst und KI-Nutzung
Forscher unter der Leitung von Shupeng Heng an der Henan Normal University untersuchten, wie Anhangsangst den problematischen Einsatz von konversationeller KI fördert. Die Studie mit 504 chinesischen Erwachsenen zeigte, dass Menschen mit hoher Anhangsangst eher zu einer übermäßigen Nutzung von KI-Chatbots neigen. Diese Erkenntnisse wurden im Journal Psychology Research and Behavior Management veröffentlicht.
Methodik der Untersuchung
Die Teilnehmer füllten Fragebögen zu vier zentralen Variablen aus:
- Anhangsangst: Fragen zu Ängsten vor Ablehnung und dem Wunsch nach Nähe.
- Emotionale Bindung: Stärke der emotionalen Verbindung zur KI.
- Anthropomorphe Tendenz: Neigung, der KI menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.
- Problematische Nutzung: Verhaltensweisen wie erfolglose Versuche, die Nutzung zu reduzieren.
Die statistische Analyse zeigte direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren.
Direkter Zusammenhang: Anhangsangst und problematische KI-Nutzung
Die Studie bestätigte, dass Personen mit hoher Anhangsangst häufiger problematische Nutzungsmuster bei KI-Chatbots zeigen. Diese Muster umfassen zwanghaftes Verhalten, das das tägliche Leben negativ beeinflusst. Betroffene nutzen KI oft exzessiv, um emotionale Lücken zu füllen.
Beispiele für problematische Nutzung
- Unfähigkeit, die Nutzung zu reduzieren: Wiederholte erfolglose Versuche, die Zeit mit KI zu begrenzen.
- Vernachlässigung anderer Aufgaben: Priorisierung der KI-Nutzung über Arbeit oder soziale Kontakte.
- Emotionale Abhängigkeit: Gefühl, ohne die KI nicht zurechtzukommen.
Indirekte Effekte: Emotionale Bindung als Vermittler
Die Forschung ergab, dass Menschen mit Anhangsangst oft eine starke emotionale Bindung zu KI-Chatbots entwickeln. Diese Bindung wirkt als Vermittler zwischen Anhangsangst und problematischem Gebrauch. Die Suche nach emotionaler Sicherheit führt dazu, dass Betroffene die KI als Ersatz für menschliche Beziehungen nutzen.
Warum entsteht diese Bindung?
- Sicherer Raum: KI bietet eine nicht wertende Interaktion, die Ängste vor Ablehnung reduziert.
- Verfügbarkeit: Chatbots sind rund um die Uhr zugänglich, was das Bedürfnis nach Nähe erfüllt.
- Personalisierung: KI passt sich den Nutzern an, was die Illusion von Verständnis verstärkt.
Anthropomorphe Tendenz: Ein verstärkender Faktor
Die Neigung, KI menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, verstärkt die Auswirkungen von Anhangsangst. Personen, die KI als lebendig oder menschlich wahrnehmen, entwickeln stärkere emotionale Bindungen und zeigen häufiger problematische Nutzungsmuster. Diese anthropomorphe Tendenz wirkt als Moderator und beeinflusst die Intensität der Abhängigkeit.
Unterschiede nach anthropomorpher Tendenz
- Niedrige anthropomorphe Tendenz: Kein signifikanter Zusammenhang zwischen Anhangsangst und problematischer Nutzung.
- Hohe anthropomorphe Tendenz: Starke Korrelation zwischen Anhangsangst und ungesundem KI-Gebrauch.
Praktische Implikationen: Wie kann man helfen?
Die Ergebnisse bieten Ansätze für die Entwicklung und Nutzung von KI-Technologien. Entwickler und Nutzer können Maßnahmen ergreifen, um problematische Nutzung zu reduzieren und gesunde Interaktionen zu fördern.
Tipps für Entwickler
- Weniger menschliche Merkmale: KI mit weniger anthropomorphen Eigenschaften für gefährdete Nutzer entwerfen.
- Nutzungsüberwachung: Funktionen einbauen, die exzessive Nutzung erkennen und warnen.
- Aufklärung: Informationen über gesunden Technologieeinsatz bereitstellen.
Tipps für Nutzer mit Anhangsangst
- Achtsamkeitsübungen: Praktiken wie Meditation können helfen, Ängste zu reduzieren.
- Zeitmanagement: Feste Zeitfenster für die KI-Nutzung festlegen, um Übernutzung zu vermeiden.
- Soziale Kontakte fördern: Echte zwischenmenschliche Beziehungen stärken, um emotionale Bedürfnisse zu erfüllen.
Grenzen der Studie und zukünftige Forschung
Die Studie hat einige Einschränkungen. Da die Daten zu einem einzigen Zeitpunkt erhoben wurden, kann keine Kausalität bewiesen werden. Zukünftige Studien sollten Langzeitbeobachtungen durchführen, um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu klären.
Mögliche Forschungsrichtungen
- Langzeitstudien: Untersuchung der Entwicklung von Nutzungsmustern über längere Zeiträume.
- Technologie-Design: Vergleich der Auswirkungen verschiedener KI-Formate, wie einfache Chatbots versus menschenähnliche Avatare.
- Interventionen: Testen von Programmen zur Reduzierung von Anhangsangst und deren Einfluss auf KI-Nutzung.
Fazit: Ein bewusster Umgang mit KI
Die Studie zeigt, dass Anhangsangst ein Risikofaktor für problematischen KI-Gebrauch ist, insbesondere bei Menschen, die starke emotionale Bindungen zur Technologie aufbauen oder diese als menschlich wahrnehmen. Durch gezielte Maßnahmen können Entwickler und Nutzer die Risiken minimieren. Ein bewusster Umgang mit konversationeller KI ist entscheidend, um ihre Vorteile zu nutzen, ohne in ungesunde Abhängigkeiten zu geraten.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was macht konversationelle KI einzigartig im Vergleich zu anderen Technologien?
Konversationelle KI, wie Chatbots oder virtuelle Assistenten, nutzt fortschrittliche natürliche Sprachverarbeitung, um personalisierte, dialogorientierte Interaktionen zu ermöglichen. Im Gegensatz zu statischen Apps oder Spielen simuliert sie menschliche Gespräche, was sie besonders attraktiv für emotionale Interaktionen macht. Dies kann jedoch die Bildung ungesunder Abhängigkeiten fördern, insbesondere bei Menschen mit Anhangsangst.
Wer ist besonders gefährdet für problematische KI-Nutzung?
Menschen mit Anhangsangst oder einer hohen anthropomorphen Tendenz sind besonders anfällig, da sie dazu neigen, starke emotionale Bindungen zur KI aufzubauen. Auch Personen mit geringem sozialem Rückhalt oder erhöhtem Stress können ein Risiko haben, da sie in der KI eine leicht zugängliche Quelle für Trost suchen.
Wie kann ich erkennen, ob meine KI-Nutzung problematisch ist?
Anzeichen sind exzessive Nutzungszeiten, Vernachlässigung von Arbeit, sozialen Kontakten oder Hobbys sowie das Gefühl, ohne die KI nicht zurechtzukommen. Wenn die Nutzung zwanghaft wird oder emotionale Bedürfnisse übermäßig durch die KI gedeckt werden, ist Vorsicht geboten.
Spielt das Design der KI eine Rolle bei der Abhängigkeit?
Ja, KI mit menschenähnlichen Merkmalen wie Avataren, Stimmen oder personalisierten Antworten fördert stärkere emotionale Bindungen. Einfachere Chatbots ohne visuelle oder auditive menschliche Züge können das Risiko einer Abhängigkeit reduzieren, da sie weniger als soziale Partner wahrgenommen werden.
Wie hat die COVID-19-Pandemie die KI-Nutzung beeinflusst?
Die Pandemie führte zu erhöhter sozialer Isolation, wodurch viele Menschen KI-Chatbots als Ersatz für soziale Interaktionen nutzten. Dies verstärkte besonders bei Personen mit Anhangsangst die Tendenz, emotionale Bindungen zur KI aufzubauen, da persönliche Kontakte eingeschränkt waren.
Welche langfristigen Folgen kann eine problematische KI-Nutzung haben?
Langfristig kann eine übermäßige Nutzung zu sozialer Isolation, Vernachlässigung realer Beziehungen und erhöhtem Stress führen. Sie kann auch die Fähigkeit beeinträchtigen, emotionale Bedürfnisse durch echte zwischenmenschliche Interaktionen zu erfüllen, was das Wohlbefinden negativ beeinflusst.
Gibt es Strategien, um eine gesunde KI-Nutzung zu fördern?
Ja, Strategien umfassen das Setzen klarer Zeitgrenzen, das bewusste Pflegen realer sozialer Kontakte und das Erlernen von Stressbewältigungstechniken wie Achtsamkeit. Regelmäßige Reflexion der eigenen Nutzungsgewohnheiten kann helfen, eine Balance zu finden.
Quelle:
- Heng S, Zhang Z. Attachment Anxiety and Problematic Use of Conversational Artificial Intelligence: Mediation of Emotional Attachment and Moderation of Anthropomorphic Tendencies. Psychol Res Behav Manag. 2025;18:1775-1785 https://doi.org/10.2147/PRBM.S531805






