Forschung: Roboter können das psychische Wohlbefinden von Kindern beurteilen

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung, Psychische Gesundheit

Torsten Lorenz, aktualisiert am 17.09.2022, Lesezeit: 6 Minuten

Wie erkennt man, ob ein Kind psychische Probleme hat? 

Ein Forscherteam der Universität Cambridge hat in einer Studie mit 28 Kindern im Alter von acht bis 13 Jahren einen humanoiden Roboter in Kindergröße eine Reihe von psychologischen Standardfragebögen ausfüllen lassen, um das psychische Wohlbefinden der teilnehmenden Kinder zu beurteilen.

Test zur Beurteilung der psychischen Gesundheit

Dabei vertrauten sich die Kinder dem Roboter an und gaben in einigen Fällen auch Informationen preis, die sie bei der Standardbeurteilungsmethode mit Online- oder persönlichen Fragebögen noch nicht mitgeteilt hatten. 

Es ist das erste Mal, dass Roboter eingesetzt wurden, um das psychische Wohlbefinden von Kindern zu beurteilen.

Laut den Forschern könnten Roboter eine hilfreiche Ergänzung zu den herkömmlichen Methoden zur Beurteilung der psychischen Gesundheit sein, wenngleich sie nicht als Ersatz für professionelle psychologische Betreuung gedacht sind.

In der Zeit der weltweiten COVID-19-Pandemie wurde die psychische Gesundheit vieler Kinder durch Heimunterricht, finanziellen Druck und Isolation von Gleichaltrigen und Freunden beeinträchtigt. 

Aber auch schon vor der Pandemie haben Angstzustände und Depressionen bei Kindern in Großbritannien zugenommen, doch die verfügbaren Ressourcen und die Unterstützung zur Förderung des psychischen Wohlbefindens sind sehr begrenzt.

Professorin Hatice Gunes, Leiterin des Affective Intelligence and Robotics Laboratory im Cambridge Department of Computer Science and Technology, hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie sozial-assistive Roboter (SARs) als „Coaches“ für das psychische Wohlbefinden von Erwachsenen eingesetzt werden können. 

In den letzten Jahren hat er aber auch erforscht, wie sie für Kinder nützlich sein können.

Nachdem Professorin Hatice Gunes Mutter geworden war, interessierte sie sich viel mehr dafür, wie Kinder sich ausdrücken, während sie wachsen, und wie sich das mit meiner Arbeit in der Robotik überschneiden könnte

Kinder sind sehr empfindsam und fühlen sich von der Technik angezogen. Sobald sie ein bildschirmbasiertes Gerät benutzen, sind sie von der physischen Welt abgekoppelt. Dagegen sind Roboter perfekt, weil sie sich in der physischen Welt befinden – sie sind interaktiver, und die Kinder werden stärker eingebunden, so die Forscherin

Einsatz von Robotern zur psychologischen Beurteilung bei Kindern

In einem Experiment haben Gunes und ihr Team gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der psychiatrischen Abteilung in Cambridge untersucht, inwiefern Roboter ein nützliches Instrument zur Beurteilung des psychischen Wohlbefindens von Kindern sein können.

Es gibt Fälle, in denen herkömmliche Methoden nicht in der Lage sind, eine Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens bei Kindern zu erkennen, da diese Veränderungen mitunter sehr subtil sind, sagt Nida Itrat Abbasi, Erstautorin der Studie. Deshalb wollten die Forscher herausfinden, ob Roboter bei diesem Prozess helfen können.

An der Studie nahmen 28 Kinder im Alter von acht bis 13 Jahren teil, die jeweils eine 45-minütige Einzelsitzung mit einem etwa 60 Zentimeter großen humanoiden Roboter namens Nao absolvierten. 

In einem Nebenraum beobachteten ein Elternteil oder ein Erziehungsberechtigter sowie Mitglieder des Forschungsteams das Geschehen. 

Vor Beginn jeder Sitzung füllten die Kinder und ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten einen standardisierten Online-Fragebogen aus, um das psychische Wohlbefinden der Kinder zu beurteilen.

Während der einzelnen Sitzungen führte der Roboter vier verschiedene Aufgaben aus: 

1) Er fragte offen nach glücklichen und traurigen Erinnerungen in der letzten Woche; 

2) er führte den kurzen Fragebogen zur Stimmung und zu den Gefühlen (Short Mood and Feelings Questionnaire, SMFQ) durch; 

3) er führte eine an den Children’s Apperception Test (CAT) angelehnte Bildaufgabe durch, in der die Kinder aufgefordert wurden, Fragen zu den gezeigten Bildern zu beantworten; und 

4) er führte zur Erfassung von generalisierter Angst, Panikstörung und schlechter Stimmungslage die Revised Children’s Anxiety and Depression Scale (RCADS) durch.

Anhand der SMFQ wurden die Kinder in drei verschiedene Gruppen eingeteilt, je nachdem, wie wahrscheinlich es war, dass sie mit ihrer psychischen Verfassung zu kämpfen hatten. 

Die Kinder interagierten mit dem Roboter, indem sie mit ihm sprachen oder die Sensoren an den Händen und Füßen des Roboters berührten. Darüber hinaus verfolgten Sensoren den Herzschlag, den Kopf und die Augenbewegungen der Probanden während der Sitzung.

Die Teilnehmer der Studie gaben alle an, dass es ihnen Spaß gemacht hat, mit dem Roboter zu sprechen: Einige tauschten mit dem Roboter Informationen aus, die sie im persönlichen Gespräch oder auf dem Online-Fragebogen nicht preisgegeben hatten.

Die Wissenschaftler fanden dabei heraus, dass Kinder mit unterschiedlichem Wohlbefinden unterschiedlich mit dem Roboter interagierten. 

Für Kinder, die keine Probleme mit ihrem psychischen Wohlbefinden hatten, führte die Interaktion mit dem Roboter zu positiveren Antworten auf die Fragebögen. 

Andererseits konnte der Roboter Kindern, die sich Sorgen um ihr Wohlbefinden machten, die Möglichkeit geben, ihre wahren Gefühle und Erfahrungen zu offenbaren, was dazu führte, dass sie den Fragebogen eher negativ beantworteten.

Da der eingesetzte Roboter die Größe eines Kindes hat und absolut nicht bedrohlich ist, betrachten die Kinder den Roboter vermutlich als Vertrauensperson – es gibt ihnen das Gefühl, dass sie keinen Ärger bekommen, wenn sie ihm Geheimnisse anvertrauen, so die Forscher. 

In anderen Studien haben Wissenschaftler festgestellt, dass Kinder einem Roboter gegenüber eher bereit sind, private Informationen preiszugeben, beispielsweise dass sie gemobbt werden, als gegenüber einem Erwachsenen.

Nach Ansicht der Forschenden zeigen diese Forschungsergebnisse zwar, dass Roboter ein nützliches Werkzeug für die psychologische Beurteilung von Kindern sein könnten, sie sind aber dennoch kein Ersatz für menschliche Interaktion.

Die Forschungsergebnisse wurden auf der 31. IEEE International Conference on Robot & Human Interactive Communication (RO-MAN) in Neapel, Italien, vorgestellt.

Referenz:

Nida Itrat Abbasi et al. ‘Can Robots Help in the Evaluation of Mental Wellbeing in Children? An Empirical Study.’ Paper presented to the 31st IEEE International Conference on Robot & Human Interactive Communication (RO-MAN), Naples, Italy, 29 August – 2 September 2022.

https://ras.papercept.net/conferences/conferences/ROMAN22/program/ROMAN22_ContentListWeb_4.html#th601

https://cambridge-afar.github.io/

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