Lungenembolie: Ein unsichtbarer Killer

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung

M.D. Redaktion, Veröffentlicht am: 31.10.2025, Lesezeit: 7 Minuten

Stellen Sie sich vor: Ein Blutgerinnsel löst sich aus Ihrem Bein und wandert direkt in die Lunge. Was klingt wie ein Horrorfilm-Szenario, passiert jedes Jahr über einer halben Million Menschen in den USA – und tötet jeden fünften Hochrisikopatienten. Die American Heart Association schlägt Alarm und startet jetzt eine große Initiative, um dieses Drama zu stoppen.

Warum Lungenembolie so tückisch ist

Jedes Jahr landen mehr als 500.000 Amerikaner wegen einer Lungenembolie (PE) im Krankenhaus. Sie ist die dritt häufigste Herz-Kreislauf-Todesursache in den USA. Und das Schlimmste? Viele Fälle werden zu spät erkannt, falsch behandelt oder gar nicht erst verfolgt.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Zwischen 2008 und 2018 stieg die Sterberate durch PE. Bis zu 100.000 Menschen sterben jährlich an venösen Thromboembolien – und PE ist der gefährlichste Teil davon.

Eine neue Hoffnung: Die Qualitätsinitiative der American Heart Association

Die American Heart Association will das ändern. Mit Unterstützung von Inari (jetzt Teil von Stryker) startet sie ein dreijähriges Programm, das endlich Licht ins Dunkel bringen soll.

Zwanzig Kliniken aus Stadt und Land, aus wohlhabenden und benachteiligigten Regionen, arbeiten zusammen. Sie teilen Daten, Erfahrungen und Lösungen – nach dem Motto: „Alle lehren, alle lernen.“

Was genau soll passieren?

Die Teams wollen herausfinden:

  • Wo hakt es bei Diagnose und Behandlung?
  • Welche Hindernisse gibt es – bekannte und unbekannte?
  • Wie können wir sichere, skalierbare Behandlungspfade schaffen?

„Wir schauen nicht nur auf die Medizin, sondern auf die Realität in den Kliniken“, sagt Dr. Jay Giri, Kardiologe an der University of Pennsylvania und Mitautor einer wichtigen AHA-Studie. „Mit Implementierungswissenschaft wollen wir Systemfehler aufdecken und Lösungen finden, die wirklich funktionieren.“

Wie ein Blutgerinnsel zur Lungenembolie wird

Ein typischer Ablauf: Ein Gerinnsel bildet sich in einer tiefen Beinvene (oft nach Operationen, langen Flügen oder bei Bewegungsmangel). Es löst sich, wandert durch den Körper und bleibt in einer Lungenarterie stecken. Plötzlich kann das Blut nicht mehr richtig zirkulieren – ein lebensbedrohlicher Notfall.

Frage an Sie: Hatten Sie schon mal starke Beinschmerzen nach einem langen Flug? Das könnte ein Warnsignal sein.

Gemeinsam stärker: Von der Theorie zur Praxis

Die teilnehmenden Kliniken sind so vielfältig wie die Patienten selbst. Städtische Unikliniken treffen auf kleine Krankenhäuser auf dem Land. Alle bringen ihre Herausforderungen mit – und alle profitieren voneinander.

Die Ergebnisse? Sie werden öffentlich gemacht. Jeder Arzt, jede Klinik, jedes Gesundheitssystem soll davon lernen können.

„Wir unterstützen die American Heart Association, weil wir wollen, dass jeder Patient die beste Behandlung bekommt – egal, wo er lebt.“ – Tim Lanier, Präsident von Stryker, Inari Division

Was bedeutet das für Patienten wie Sie?

Hoffnung. Denn je besser wir verstehen, warum PE so oft übersehen wird, desto schneller können wir handeln. Die Initiative könnte neue Leitlinien schaffen, die Leben retten – nicht nur in den USA, sondern weltweit.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was genau ist eine Lungenembolie und wie entsteht sie? Eine Lungenembolie (PE) entsteht, wenn ein Blutgerinnsel – meist aus einer tiefen Beinvene (sogenannte tiefe Venenthrombose, TVT) – abbricht, durch das rechte Herz geschleust wird und schließlich eine oder mehrere Lungenarterien verstopft. Dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut, das Herz muss gegen erhöhten Widerstand pumpen und im schlimmsten Fall droht ein Kreislaufschock. Typische Auslöser sind Immobilität, Operationen, Krebs, hormonelle Verhütungsmittel oder genetische Gerinnungsstörungen.

Welche Symptome sind typisch – und warum werden sie so oft übersehen? Klassische Warnsignale sind plötzliche Atemnot, stechende Brustschmerzen (besonders beim tiefen Einatmen), schneller Puls, Husten (manchmal mit Blut), Schweißausbrüche, Schwindel oder Ohnmacht. Problematisch: Viele Patienten empfinden nur leichte Beinbeschwerden oder allgemeine Schwäche – Symptome, die leicht mit Grippe, Muskelkater oder Stress verwechselt werden. Deshalb bleibt fast jede dritte PE zunächst unerkannt.

Wer gehört zur Hochrisikogruppe und sollte besonders aufpassen? Besonders gefährdet sind Menschen nach größeren Operationen (z. B. Hüft- oder Knie-TEP), Krebspatienten unter Chemotherapie, Schwangere und Wöchnerinnen, Personen mit starkem Übergewicht (BMI > 30), Raucher, Frauen unter hormoneller Verhütung (Pille) sowie alle mit familiärer Thrombosebelastung oder nachgewiesener Gerinnungsstörung (z. B. Faktor-V-Leiden). Auch lange Flugreisen (> 6 Stunden), Autofahrten oder Bettruhe nach Unfällen erhöhen das Risiko deutlich.

Wie kann ich einer Lungenembolie aktiv vorbeugen? Prävention beginnt bei Bewegung: Alle 1–2 Stunden aufstehen, kurze Spaziergänge, Fußgymnastik im Sitzen. Bei Risikopatienten empfehlen Ärzte medizinische Kompressionsstrümpfe (Klasse II) und ggf. niedermolekulare Heparine als Spritze. Viel trinken (mind. 2 Liter/Tag), Nikotin meiden und Übergewicht reduzieren senken das Risiko nachweislich. Nach Operationen erhalten Patienten standardmäßig Thromboseprophylaxe – fragen Sie aktiv danach.

Ist jede Lungenembolie lebensbedrohlich? Nein. Kleine, periphere Embolien können symptomarm verlaufen und sich spontan auflösen. Große, zentrale Embolien („Reithosenembolie“) dagegen verursachen akuten Rechtsherzversagen – hier stirbt ohne Therapie bis zu jeder Dritte innerhalb von 30 Tagen. Entscheidend ist die frühe Diagnose: Mit sofortiger Antikoagulation (Blutverdünnung) und ggf. Lyse oder Katheter-Entfernung überleben > 90 % der Patienten.

Welche Diagnosemethoden gibt es – und wie schnell sind sie verfügbar? Erster Schritt ist die klinische Wahrscheinlichkeit (Wells-Score). Dann folgen D-Dimere (Bluttest – negativ schließt PE mit hoher Sicherheit aus). Bei positivem Befund oder hohem Verdacht: CT-Pulmonalisangiographie (Goldstandard, < 10 Min. Aufnahmezeit) oder Lungenperfusionsszintigrafie. In der Notaufnahme steht die Diagnose oft innerhalb von 1–2 Stunden – entscheidend für die Prognose.

Welche Therapien stehen heute zur Verfügung?

  1. Konservativ: Antikoagulation (z. B. Apixaban, Rivaroxaban) für mindestens 3–6 Monate.
  2. Lyse-Therapie: Systemisch (bei Kreislaufinstabilität) oder kathetergestützt (niedrig dosiert, gezielt).
  3. Mechanische Thrombektomie: Moderne Katheter-Systeme (z. B. FlowTriever, Indigo) saugen oder zerstückeln das Gerinnsel – ohne starke Blutungsrisiken.
  4. Filter: Bei Kontraindikation für Blutverdünner wird ein Vena-cava-Schirm implantiert. Die Wahl hängt von Risiko (hoch vs. niedrig) und lokaler Expertise ab.

Was passiert nach der Akutbehandlung – wie sieht die Nachsorge aus? Nach Entlassung: Regelmäßige INR-Kontrollen oder direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) für 3–12 Monate, je nach Ursache. Kompressionsstrümpfe für 2 Jahre reduzieren das Postthrombotsche-Syndrom. Kontroll-Ultraschall der Beine nach 3 und 6 Monaten. Bei wiederholten Embolien oder genetischen Defekten oft lebenslange Therapie. Wichtig: Rauchstopp, Gewichtsreduktion und Bewegung.

Gibt es Langzeitfolgen, auch wenn man überlebt? Ja – die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) betrifft ca. 3–4 % der Überlebenden. Symptome: zunehmende Luftnot, Müdigkeit, Rechtsherzbelastung. Früh erkannt ist CTEPH behandelbar (medikamentös, Ballon-Dilatation oder operative Endarteriektomie). Deshalb: Jeder PE-Patient sollte nach 3–6 Monaten eine Echokardiographie bekommen.

Kann die US-Initiative auch Deutschland erreichen? Direkt nicht – aber die Ergebnisse (Leitlinien, Barrieren-Analysen, digitale Tools) werden open access veröffentlicht. Deutsche Zentren wie die Charité Berlin oder das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf arbeiten bereits in ähnlichen Netzwerken (z. B. DGA, GTH). Kliniken können die Checklisten und Schulungskonzepte 1:1 übernehmen und in die bestehende Thromboseprophylaxe-Richtlinie (AWMF) integrieren.

Was soll ich tun, wenn ich gerade Symptome habe? Rufen Sie sofort den Notruf 112! Jede Stunde zählt. Bis zum Eintreffen: Beine hochlagern, nicht mehr laufen, Ruhe bewahren. Im Krankenhaus wird umgehend ein EKG, Blutgas und CT gemacht – die Therapie startet oft schon vor der endgültigen Bildgebung, wenn der Verdacht hoch ist.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Quelle:

Tan, P., et al. (2025) Regional encoding of enteric nervous system responses to microbiota and type 2 inflammation. Sciencedoi.org/10.1126/science.adr3545.

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