Prenatale PFAS-Exposition beeinflusst Kinderhirnstruktur

Gesundheitsnews, Medizin und Forschung

M.D. Redaktion, Veröffentlicht am: 15.10.2025, Lesezeit: 7 Minuten

Neue Forschung zeigt, dass die Exposition schwangerer Frauen gegenüber „ewigen Chemikalien“ (PFAS) die Hirnstruktur ihrer Kinder verändert.

Was sind PFAS und warum sind sie besorgniserregend?

Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) sind synthetische Chemikalien, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Produkten wie Antihaftpfannen, wasserabweisender Kleidung und Feuerlöschschaum verwendet werden. Ihre starken chemischen Bindungen machen sie extrem langlebig, weshalb sie als „ewige Chemikalien“ bekannt sind. Sie reichern sich in der Umwelt und im menschlichen Körper an, was Gesundheitsrisiken birgt.

PFAS gelangen hauptsächlich über kontaminiertes Trinkwasser und Lebensmittel in den Körper. Da sie die Plazenta und die Blut-Hirn-Schranke durchdringen, können sie die Gehirnentwicklung eines Fetus beeinflussen. Studien haben PFAS mit Gesundheitsproblemen wie Hormonstörungen und möglicherweise neuroentwicklungsbedingten Erkrankungen wie Autismus in Verbindung gebracht.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Die Untersuchung ist Teil der FinnBrain Birth Cohort Study, die Mütter und ihre Kinder von der Schwangerschaft an begleitet. Forscher unter der Leitung von Aaron Barron von der Universität Turku in Finnland analysierten Daten von 51 Mutter-Kind-Paaren. Während der 24. Schwangerschaftswoche wurden Blutproben der Mütter entnommen, um die Konzentrationen von 31 PFAS zu messen.

Blutanalysen und Bildgebung

Sieben PFAS wurden in den meisten Proben nachgewiesen. Als die Kinder fünf Jahre alt waren, wurden Magnetresonanztomographie (MRT)-Scans durchgeführt, um die Gehirnstruktur zu untersuchen. Die Forscher sammelten Daten zu Grauer Substanz, Weißer Substanz, kortikaler Oberfläche und Hirnaktivität.

Statistische Analyse

Mithilfe einer komplexen statistischen Methode wurden zehn Komponenten der Gehirnstruktur erstellt, die verschiedene Muster von Grauer und Weißer Substanz sowie kortikaler Oberfläche repräsentierten. Diese Komponenten wurden mit den PFAS-Konzentrationen in den Blutproben der Mütter korreliert, wobei Faktoren wie Alter und Geschlecht der Kinder berücksichtigt wurden.

Welche Veränderungen im Gehirn wurden festgestellt?

Die Studie ergab, dass höhere PFAS-Konzentrationen in der Schwangerschaft mit spezifischen Veränderungen in der Gehirnstruktur der Kinder verbunden sind.

Veränderungen im Corpus Callosum

Eine Komponente, die die mikroskopische Struktur des Corpus Callosum widerspiegelt – der größten Verbindung zwischen den Gehirnhälften –, zeigte starke Verbindungen zu PFAS. Höhere Konzentrationen von Perfluornonansäure (PFNA) und linearer Perfluoroktansäure (PFOA) waren mit Veränderungen in diesem Bereich verknüpft. Das Corpus Callosum ist entscheidend für die Kommunikation zwischen den Gehirnhälften.

Veränderungen in der Grauen Substanz

Eine weitere Komponente zeigte Veränderungen im Volumen der Grauen Substanz und der kortikalen Oberfläche im hinteren Gehirn, insbesondere im Okzipitallappen, der für die visuelle Verarbeitung zuständig ist. Höhere Werte von verzweigter PFOA waren mit einem höheren Score dieser Komponente verbunden, während verzweigte Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) gegenteilige Effekte zeigte.

Hypothalamus und hormonelle Regulation

Die Forscher untersuchten auch den Hypothalamus, der für die Hormon- und Stoffwechselregulation wichtig ist. Höhere Konzentrationen von verzweigtem Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) waren mit Veränderungen in der Mikrostruktur des Hypothalamus verbunden. Diese Veränderungen könnten langfristige Auswirkungen auf das hormonelle Gleichgewicht haben.

Zusammenhang mit Gehirnfunktion

Neben strukturellen Veränderungen fanden die Forscher auch funktionelle Unterschiede. Höhere PFNA- und PFOA-Werte waren mit stärker synchronisierter Aktivität in motorischen Hirnregionen verbunden, während höhere PFHxS-Werte mit geringerer Synchronisation im visuellen Kortex assoziiert waren. Diese funktionalen Veränderungen stimmten mit den strukturellen Befunden überein.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass PFAS die Gehirnentwicklung beeinflussen könnten, da sie die Plazenta und die Blut-Hirn-Schranke durchdringen. Es ist jedoch unklar, ob diese Veränderungen schädlich, nützlich oder neutral sind. Weitere Forschung ist nötig, um die langfristigen Auswirkungen zu verstehen.

„Wir wissen, dass PFAS die Plazenta und die Blut-Hirn-Schranke passieren und sich im Gehirn anreichern. Ob diese Veränderungen die Entwicklung direkt beeinflussen, ist noch unklar“, erklärte Professor Hasse Karlsson von der Universität Turku.

Grenzen der Studie

Die Studie hatte einige Einschränkungen. Mit nur 51 Mutter-Kind-Paaren war die Stichprobe klein, was die Verallgemeinerung der Ergebnisse einschränkt. Die Teilnehmer waren überwiegend weiß und hatten einen höheren sozioökonomischen Status, was die Übertragbarkeit auf andere Bevölkerungsgruppen begrenzt. Zudem kann die Studie nur Korrelationen, keine Kausalität, nachweisen.

Praktische Tipps zur Reduzierung der PFAS-Exposition

Um die Exposition gegenüber PFAS zu minimieren, können schwangere Frauen und Familien folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Wasser filtern: Verwenden Sie Aktivkohle- oder Umkehrosmosefilter, um PFAS aus Trinkwasser zu entfernen.

  • Lebensmittel überprüfen: Bevorzugen Sie frische, unverarbeitete Lebensmittel und vermeiden Sie verpackte Produkte, die PFAS enthalten könnten.

  • Produkte prüfen: Vermeiden Sie Antihaftbeschichtungen und wasserabweisende Textilien, die PFAS enthalten können.

  • Informieren Sie sich: Halten Sie sich über lokale Wasserqualitätsberichte auf dem Laufenden, insbesondere in Gebieten mit industrieller Verschmutzung.

Zukünftige Forschungsperspektiven

Zukünftige Studien sollten größere und vielfältigere Populationen einbeziehen, um die Ergebnisse zu bestätigen. Besonders wichtig ist die Untersuchung von Bevölkerungsgruppen mit höherer PFAS-Exposition, etwa in der Nähe kontaminierter Standorte. Auch die Auswirkungen neuerer PFAS-Verbindungen, die ältere „Legacy“-Chemikalien ersetzen, sollten erforscht werden.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema, einem Gesundheitsthema oder einem oder mehreren Krankheitsbildern. Dieser Artikel dient nicht der Selbst-Diagnose und ersetzt auch keine Diagnose durch einen Arzt oder Facharzt. Bitte lesen und beachten Sie hier auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Wie unterscheiden sich die Auswirkungen verschiedener PFAS auf die Gehirnentwicklung?
Die Studie zeigte, dass verschiedene PFAS wie Perfluornonansäure (PFNA), Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) spezifische und teilweise gegensätzliche Effekte auf die Gehirnstruktur haben. Zum Beispiel war PFNA mit Veränderungen im Corpus Callosum verbunden, während PFHxS die kortikale Oberfläche im Okzipitallappen beeinflusste. Diese Unterschiede könnten auf die chemische Struktur und die Wechselwirkungen der einzelnen PFAS mit biologischen Prozessen zurückzuführen sein.

Wie kann ich als Schwangere meine PFAS-Exposition effektiv reduzieren?
Neben der Verwendung von Wasserfiltern und der Auswahl PFAS-freier Produkte können schwangere Frauen ihre Ernährung anpassen, um die Aufnahme zu minimieren. Bevorzugen Sie Bio-Lebensmittel, die weniger wahrscheinlich mit PFAS-haltigen Verpackungen in Kontakt kommen, und vermeiden Sie Fast Food, da dessen Verpackungen oft PFAS enthalten. Regelmäßige Tests der lokalen Wasserqualität und die Konsultation eines Umweltberaters können ebenfalls helfen, Risiken zu identifizieren.

Welche Langzeitfolgen könnten die beobachteten Gehirnveränderungen haben?
Die Studie konnte nicht klären, ob die Veränderungen im Gehirn schädlich oder neutral sind. Veränderungen im Corpus Callosum könnten die Kommunikation zwischen den Gehirnhälften beeinflussen, was möglicherweise kognitive oder motorische Fähigkeiten betrifft. Veränderungen im Hypothalamus könnten hormonelle Ungleichgewichte verursachen, die sich auf Wachstum oder Stoffwechsel auswirken. Langzeitstudien sind notwendig, um diese Effekte zu verstehen.

Gibt es Möglichkeiten, PFAS nach der Geburt aus dem Körper zu entfernen?
Der Körper scheidet PFAS nur sehr langsam aus, da sie eine lange Halbwertszeit haben. Es gibt keine direkten Methoden, um PFAS schnell aus dem Körper zu entfernen, aber die Unterstützung der allgemeinen Entgiftungsprozesse durch eine gesunde Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Bewegung kann helfen. In schweren Fällen von Kontamination sollten Betroffene einen Arzt konsultieren, der auf Umweltmedizin spezialisiert ist.

Sind Kinder in Regionen mit hoher PFAS-Belastung stärker gefährdet?
Ja, Kinder in Gebieten mit hoher PFAS-Kontamination, wie in der Nähe von Industrieanlagen oder Deponien, sind einem höheren Risiko ausgesetzt, da die Exposition über Wasser, Boden und Luft erhöht ist. Eltern in solchen Regionen sollten besonders auf Wasserqualität achten und möglicherweise zusätzliche Schutzmaßnahmen wie Wasserfilter oder regelmäßige Gesundheitschecks in Betracht ziehen.

Quelle:

Barron, A., Dickens, A. M., Tuulari, J. J., Hyötyläinen, T., Kortesluoma, S., Merisaari, H., … Karlsson, H. (2025). Prenatal exposure to perfluoroalkyl substances predicts multimodal brain structural and functional outcomes in children aged 5 years: A birth cohort study. The Lancet Planetary Health, 9(10), e309. https://doi.org/10.1016/S2542-5196(25)00174-8

Hormontherapie Menopause Vorteile und Balance

US-Experten loben Hormontherapie in der Menopause: Ärzte fordern Balance

Erfahren Sie, warum US-Experten die Vorteile der Hormontherapie in der Menopause hervorheben und Balance fordern....

Mikroglia in der Amygdala bei Angstmodulation

Gehirn-Immunzellen steuern Angst

Neue Erkenntnisse zeigen, dass Gehirn-Immunzellen Angst steuern und neue Therapieansätze für Angststörungen ermöglichen....

Orangensaft verändert Genexpression in Blutzellen

Tägliches Glas Orangensaft optimiert Gene für Herz und Stoffwechsel

Ein tägliches Glas Orangensaft optimiert Gene für Herz und Stoffwechsel. Erfahre mehr über die Studienergebnisse....

Selbsthypnose gegen Hitzewallungen

Selbsthypnose lindert Hitzewallungen um über 50 Prozent

Erfahren Sie, wie Selbsthypnose Hitzewallungen um über 50 Prozent reduziert und Frauen ein besseres Lebensgefühl zurückgibt....

Neuroprotektive Mikroglia mit CD28 bei Alzheimer

Forscher entdecken schützende Hirnzellen gegen Alzheimer

Forscher entdecken schützende Hirnzellen gegen Alzheimer. Neue Erkenntnisse zu Mikroglia und deren Rolle im Gedächtnisverlust....