Adipositas: Eine Operation zur Gewichtsreduktion kann Schlaganfälle verhindern

American Heart Association, Gesundheitsnews, Medizin und Forschung, Herzerkrankungen & Gefäßkrankheiten

Torsten Lorenz, aktualisiert am 11.10.2023, Lesezeit: 6 Minuten

Übergewichtige und adipöse Patientinnen und Patienten, die sich einer Operation zur Gewichtsreduktion unterziehen, leben länger und erleiden seltener einen durch ein Blutgerinnsel verursachten Schlaganfall als Betroffene, die sich keiner Operation unterziehen.

Adipositas-OP verringert Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko

Eine Studie mit fast 7.500 fettleibigen oder stark fettleibigen (adipösen) Menschen hat ergeben, dass eine bariatrische Operation (Adipositaschirurgie) mit deutlich weniger Herzinfarkten und Schlaganfällen verbunden ist.

Die Forschungsarbeit, die im European Heart Journal veröffentlicht wurde, zeigte, dass übergewichtige oder adipöse Männer und Frauen, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen hatten, im Durchschnitt 11 Jahre nach dem Eingriff 60 Prozent weniger tödliche und nicht tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle aufwiesen als die gleiche Anzahl übergewichtiger Patientinnen und Patienten, die nicht operiert worden waren.

Verbesserung des Blutzuckerspiegels

Darüber hinaus verloren die Patientinnen und Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen, signifikant mehr Gewicht (im Durchschnitt mehr als 10 kg), und die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr Diabetes Typ 2 so weit verbesserte, dass sie keine Medikamente zur Aufrechterhaltung eines normalen Blutzuckerspiegels mehr benötigten, war größer.

Bei der bariatrischen Chirurgie wird die Nahrungsmenge, die der Magen aufnehmen kann, in der Regel durch ein Magenband, das um den Magen gelegt wird, oder durch einen Magenbypass, der den oberen Teil des Magens mit dem Dünndarm verbindet, eingeschränkt.

  • Beide Methoden führen dazu, dass der Patient weniger essen muss, um sich satt zu fühlen, und der Magenbypass reduziert die Kalorienmenge, die aus der Nahrung aufgenommen wird.

Die Forscher des Imperial College London analysierten Daten aus der Datenbank Clinical Practice Research Datalink (CPRD), die Informationen über mehr als 11 Millionen Patientinnen und Patienten enthält.

  • Aus dieser Datenbank wurden die Daten von 3.701 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die einen Body-Mass-Index (BMI) von 35 kg/m2 oder mehr aufwiesen, zu Beginn der Studie noch keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten und sich einer bariatrischen Operation unterzogen hatten.
  • Zusätzlich untersuchten sie eine Kontrollgruppe von 3.701 Patienten, die hinsichtlich Alter, BMI und Geschlecht mit der ersten Gruppe übereinstimmten, sich aber keiner bariatrischen Operation unterzogen hatten.

Dabei wurden Faktoren berücksichtigt, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, wie ein hoher Cholesterinspiegel im Blut, Rauchen, Alkohol– und Kokainkonsum, körperliche Aktivität und die Einnahme von Medikamenten wie Statinen, Betablockern und Hormonersatztherapie.

Das Durchschnittsalter (Median) betrug in beiden Gruppen 36 Jahre, der durchschnittliche BMI (Median) vor der Operation lag bei 40,5 kg/m2 in der Gruppe mit bariatrischer Operation und bei 40,3 kg/m2 in der Gruppe ohne Operation.

  • Während der Nachbeobachtungszeit gab es 37 tödliche oder nicht tödliche Herzinfarkte oder Schlaganfälle in der Gruppe mit bariatrischer Chirurgie und 93 in der Gruppe ohne Operation.

Laut Dr. Maddalena Ardissino vom Imperial Institute und Erstautorin der EHJ-Studie deuten die Ergebnisse der durchgeführten Studie darauf hin, dass die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen haben, signifikant niedriger ist.

Da es sich um eine junge Patientengruppe handelte, bei der man weniger derartige Ereignisse erwarten würde als bei älteren Patienten, hat die Reduktion des absoluten Risikos wichtige klinische Implikationen.

Zahl der Neudiagnosen von Herzinsuffizienz

Die Zahl der Neudiagnosen von Herzinsuffizienz ging während des Beobachtungszeitraums um 60 Prozent zurück (22 in der bariatrisch-chirurgischen Gruppe und 46 in der Kontrollgruppe), und die Zahl der Todesfälle jeglicher Ursache war bei den Patienten, die bariatrisch-chirurgisch behandelt wurden, um 80 Prozent niedriger als bei den nicht operierten Patienten.

Laut Mitautor Peter Collins, Professor für klinische Kardiologie am National Heart and Lung Institute am Imperial College, ist es wichtig zu beachten, dass es sich um eine retrospektive Studie handelt, die nur einen Zusammenhang zwischen bariatrischer Chirurgie und einem geringeren Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall zeigen kann, nicht aber, dass die Chirurgie die Ursache für die Risikominderung ist.

Um einen ursächlichen Zusammenhang (Kausalität) nachzuweisen, sind große prospektive Studien erforderlich. Dennoch ist der beobachtete Unterschied bei den kardiovaskulären Ereignissen sehr auffällig und deutet darauf hin, dass, wenn es tatsächlich einen kausalen Effekt gibt, dieser potenziell sehr groß und signifikant sein könnte.

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Vorteile der bariatrischen Chirurgie

Diese Ergebnisse erfordern ein größeres Bewusstsein und eine höhere Akzeptanz für die bariatrische Chirurgie als Behandlungsschritt bei Patienten mit Adipositas, bei denen Lebensstil- und pharmakologische Therapie allein keine signifikante Gewichtsabnahme bewirken.

Dies ist wichtig, da nur einer kleinen Minderheit von Patienten eine Operation angeboten wird und sich nur eine Minderheit dieser Patienten tatsächlich einer Operation unterzieht. Die Häufigkeit wird auf nur 1 Prozent geschätzt.

Der Hauptautor der Studie, Sanjay Purkayastha vom Imperial College Healthcare NHS Trust, ist der Ansicht, dass diese Forschungsergebnisse zusammen mit der Fülle an Beweisen für die Vorteile der bariatrischen Chirurgie nicht nur für die Gewichtsabnahme, sondern auch für die Behandlung und Vorbeugung von Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit Fettleibigkeit von entscheidender Bedeutung sind.

Hausärzte sollten den Studienautoren zufolge eine frühere Überweisung in Erwägung ziehen, um einen größeren gesundheitlichen Nutzen für ihre Patienten zu erzielen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Diabetes Typ 2, da mehrere prospektive randomisierte Studien gezeigt haben, dass die bariatrische Chirurgie derzeit der besten medizinischen Behandlung deutlich überlegen ist. Ähnliche Studien sollten konzipiert werden, um die Auswirkungen auf Herzinfarkt und Schlaganfall weiter zu untersuchen.

Quellen

  • Imperial College London
  • American Heart Association
  • European Society of Cardiology
  • „The effect of bariatric surgery on long-term cardiovascular outcomes: a nationwide nested cohort study“, by Osama Moussa et al. European Heart Journal. doi:10.1093/eurheartj/ehaa069
  • Risks of bariatric surgery are low: the chances of death are around one in 1400 patients; other rare complications include blood clots, infections and ulcers; the overall risk of complications is about one in ten, but most tend to be minor.
  • In the UK, people are eligible for bariatric surgery if they have tried and failed other forms of weight loss for at least six month to a year, have a BMI of 40 kg/m2 or more or more if they have no other health conditions, or 35 kg/m2 if they do have other health problems. In patients of Asian or south Asian origin the qualifying BMIs are 2.5 kg/m2 less. However, there are large variations in awareness of and access to bariatric surgery, both within countries and between countries.

vgt


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